Ermittlungen gegen Mercedes-Benz

Grenzen der Aufklärung

Die Ermittlungen richten sich gegen den größten Konzern Deutschlands. Doch DaimlerChrysler ist mehr als nur ein Auto-Produzent, der durch moderne Produktionsmethoden und internationales Management von sich reden gemacht hat. Seit letzter Woche untersucht die Nürnberger Staatsanwaltschaft, ob leitende Angestellte des Stuttgarter Multis in ganz andere Geschäfte verwickelt sind: Beihilfe zu Entführung, Mord und andere Verbrechen werden Mercedes-Mitarbeitern vorgeworfen; die Nürnberger Ermittler haben damit einen Anfangsverdacht bestätigt.

Die Staatsanwälte werden sich mit einer Episode der Daimler-Geschichte zu beschäftigen haben, die die schwäbischen Autobauer vermutlich längst vergessen haben: ihre Zusammenarbeit mit den Generälen der argentinischen Militärdiktatur.

Dass die Ermittlungen überhaupt aufgenommen wurden, grenzt schon an ein kleines Wunder. Schließlich sind die Fakten seit langem bekannt. Nur das Interesse an einer Aufklärung hielt sich bislang in Grenzen: Zunächst wurden die Untersuchungs-Akten zwischen den Staatsanwaltschaften in Stuttgart und Berlin hin und her geschoben, danach stellten die Stuttgarter Ermittler das Verfahren ein. Wie lange deren Kollegen in Nürnberg sich mit dem Fall befassen werden, ist also offen: Für manche Verbrechen darf es eben keine Schuldigen geben.

Die Grenzen der Aufklärung sind auch in den USA erreicht. Dort ließ die Regierung jetzt staatliche Dokumente deklassifizieren, die seit Jahren in den Aktenschränken lagerten: Geheime Unterlagen über den Einfluss von CIA und State Department in Lateinamerika in den siebziger Jahren werden damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Im Unterschied zu den Ermittlungen in Deutschland richten sich die US-Untersuchungen nicht gegen ein privates Unternehmen, sondern sollen eine mögliche Verwicklung staatlicher Stellen in diverse Morde belegen. Über 800 Seiten aus 505 Dokumenten, die sich mit der Ermordung von drei US-Staatsbürgern - Charles Horman und Frank Teruggi, 1973; Boris Weisfeiler, 1985 - in Chile unter Pinochet befassen, sind deshalb jetzt veröffentlicht worden.

Mit Spannung werden vor allem die Dokumente erwartet, die Aufschluss über einen weiteren Anschlag in Washington geben sollen, bei dem Orlando Letelier - ehemaliger Außenminister Salvador Allendes - und seine Mitarbeiterin Ronni Moffitt 1976 getötet wurden. Die betreffenden Dokumente sollen im September deklassifiziert werden.

Ob sich mit den neuen Schriftstücken tatsächlich die Verwicklung der US-Regierung in die Ermordung ihrer eigenen Staatsbürger belegen lässt, ist allerdings fraglich. Schon die üppigen Schwärzungen in den nun deklassifizierten Dokumenten zeigen, dass mehr als eine symbolische Geste kaum zu erwarten ist. CIA und Pentagon hielten weiterhin die wichtigsten und relevantesten Dokumente zurück, kritisiert etwa Peter Kornbluh von den National Security Archives.

Das ist die eine Seite: Staaten reagieren eben sehr sensibel, wenn es darum geht, das segensreiche Wirken ihrer Sicherheitsorgane genauer unter die Lupe zu nehmen. Das gilt auch noch Jahrzehnte nach den einschlägigen »Ereignissen«.

Nicht anders verhält es sich bei Konzernen. Das Pendant zu den staatlichen Sicherheitsstrukturen sind dort Werkschutz und andere Dienste, in denen ehemalige Staatsangestellte ihre Erfahrungen in Sachen Spionage und Repression einbringen können. Staatsgeheimnis und Betriebsgeheimnis markieren die Grenzen der Aufklärung. Und die sind sehr eng gesteckt.