Frontpage wieder da?

Räusper im Technoland

Dass es in dieser Welt und in diesem Jahrtausend wieder eine Ausgabe der Frontpage geben würde, das hat vor drei Jahren nicht einmal ihr Erfinder Jürgen Laarmann ahnen können. Damals fiel sein Technomedia-Imperium in sich zusammen, das irre bunt verstrahlte Monatsheft Frontpage, das bereits am Kiosk gestartet worden war, wollte kein Investor retten, und die etablierte bundesweite Jugendpresseszene konnte sich beruhigt zurücklehnen: In ihrem Teich kam kein neuer dicker Karpfen zum Schwimmen.

Dabei hatte die Frontpage auch in den Jahren danach nie aufgehört zu existieren. Dem mit Geschmack gesegneten Raver lieferten einige ehemalige Frontpage-Mitarbeiter die De:Bug, ein paar versuchten sich kurzfristig mit dem Modemagazinaufdeutschvorreiterprojekt Park & Ride und gingen pleite. Andere Autorinnen und Redakteure verdingen sich inzwischen bei anderen Magazinen, viele aus dem Umfeld der Zeitung haben sich bei Werbe- oder Internetfirmen ihre Frühstückscappuccinos gesichert, einige sind drogenabhängig geblieben. Und Jürgen Laarmann war erst einmal von der Oberfläche verschwunden, hatte auch seine Mittäterschaft bei der Mayday GmbH und bei der Loveparade beendet und sich zum Nachdenken zurückgezogen.

So trat in Technoland bald Funkstille ein. Alle waren ernsthaft in Soundfraktionen und Flügelkämpfe verwickelt; einige widmeten sich ihrer Ödnis, andere ... - na, egal, es war einfach nichts los und alle erstickten an ihrer (räusper) Ernsthaftigkeit.

Dann kam Onkel JL plötzlich wieder, zunächst mit einigen Kolumnen, in denen er »beyond Techno« versuchte, die anzugreifen, die sich - kein Geld, kein' Ehr - von ihm abgewandt hatten. Noch einigermaßen peinlich. Dann bekam er eine Kolumne in der Umsonstpostille 030 und erfand Wörter wie »die Mittis« für die Bewohner von Berlin Mitte. Er schrieb ein Theaterstück über Koks und Leben. Dann kam eine Platte mit den Berlin Mitte Boys. Gleichzeitig der Aufbau der Internetseite jlfrontpage.de, auf der Laarmann eine Art Tagebuch führt. Dazu noch Präsenz auf allen Parties. Ein Buch über die Regeln des Nachtlebens ist angekündigt.

Und jetzt gibt es auch die Frontpage wieder, zunächst nur eine Ausgabe, doch bald soll sie regelmäßig erscheinen und wieder für umsonst. Sie ist seriöser angelegt, aber schwiemelig und zum Teil etwas sehr herzlos layoutet, sie ist durchsetzt mit den in dieser Szene üblichen Sexismen und Dummhupereien, bringt einige wilde Texte ohne Informationswert: teilweise echt erhellend, nichts Wichtiges, aber stellenweise wirklich lustig. Und dieses Blatt wird zugleich von absolut niemandem gebraucht. Es ist einfach nur da. Laarmann wird dafür geliebt und bekommt offensichtlich zur eigenen Verwunderung einen Teil seiner alten Freunde zurück.

Was ist die Moral aus diesem Märchen? Einer aus der Generation Vollbeschäftigung, der nie arbeiten wollte, macht einigen Scheiß mit und vermeidet eben dadurch anderen. Einer, der sich als irgendwie linksliberaler Kommerzkritiker begreift und dabei Werbeverträge abschließt, schuftet in seinem kleinen Schreib- und Mediabüro wie ein Tier, um bloß nicht so arbeiten zu müssen wie alle. Und wird dafür bewundert. Das kann man jetzt blöd finden. Oder nicht.