PKK-Dissidenten

Der Kampf geht weiter

Seit PKK-Chef Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali sitzt, scheint er zur Friedenstaube mutiert. Der Krieg ist vorbei, verkündete er, und die Guerilla folgte ihm. Innerhalb der PKK aber scheint der Krieg erst richtig loszugehen.

Bereits Mitte Mai hatte sich eine Gruppe von etwa 30 Guerilleros aus Protest gegen den »Imrali-Kurs« abgespalten. Es kam zu Gefechten mit linientreuen Einheiten, bei denen die Hälfte der Dissidenten festgenommen wurde. Diese werden nun in PKK-Camps gefangen gehalten, die anderen konnten in die nordirakischen Berge fliehen. Unter den Abtrünnigen befinden sich auch ehemalige Führungskader, so etwa Sait Cürükkaya, der Bruder des prominenten und unter dem Schutz Günther Wallraffs stehenden PKK-Dissidenten Selim Cürükkaya. Bereits zu Beginn des Jahres waren PKK-Einheiten zur irakisch-kurdischen KDP-Miliz übergelaufen. Mit den jetzigen Abtrünnigen aber könnte sich eine Opposition formieren.

Der Chef aber denkt nicht daran, den Laden abzugeben. Im PKK-Organ Serxwebun spricht Öcalan von »schweren Straftaten«, »Verrat« und einem »liquidatorischen Akt«. Die Bedingungen des Krieges seien kritische; es müsse zu den »härtesten Sanktionen« gegriffen werden.

Auch für den PKK-Präsidialrat sind die Frontlinien nach außen unklar geworden, umso schärfer zieht man sie nach innen: »Wo stehst Du in diesem Krieg? Gehörst Du zu den Anklägern der PKK? Oder klagst Du zusammen mit der PKK Verrat, Kollaboration und Fremdherrschaft an?«

Letzte Woche haben sich die PDS-Abgeordnete Ulla Jelpke und der Kurdistan-Rundbrief-Herausgeber Rüdiger Lötzer mit einem »offenen Brief« an den PKK-Präsidialrat gewandt und die Freilassung der Dissidenten gefordert. In ihrem Schreiben heißt es, es sei »völlig unverständlich«, dass die PKK einerseits eine Demokratisierung der Türkei verlange und sich gegen die Todesstrafe ausspreche, gleichzeitig aber gegen die Opposition in den eigenen Reihen »härteste Strafen« fordere. Linke und Linksliberale und auch ein paar Solibewegte haben sich inzwischen dem Aufruf angeschlossen.

Berechtigt ist der Protest gegen diese makabre Situation - ein zum Tode Verurteilter spricht vom Knast aus Todesurteile gegen ehemalige Gefährten. Grotesk aber ist die sich in Teilen der Soli-Szene andeutende Tendenz, alle Hoffnungen auf die Dissidenten zu setzen; getragen von dem Wunsch, diese würden die Fahne der guten, gar sozialrevolutionären PKK hochhalten. Antiimperialismus, die nächste.