Drittklassige Tennis Borussia

Zurück in die Zonen-Liga

Den Freunden deutschen Fußballs zur Freude: Tennis Borussia Berlin ist drittklassig.

Die Saison-Ziele hätten unterschiedlicher nicht sein können: »Wir wollen nicht in die erste Liga«, meinten einige junge Anhänger von Tennis Borussia Berlin, »denn wenn wir aufsteigen, kommt lauter unangenehmes Volk ins Stadion, und das Bier wird teurer.« Klar, die »Zonen-Liga«, wo TeBe regelmäßig den Hasstiraden des jeweiligen örtlichen Nazi-Publikums ausgesetzt war, wollte man sich nicht noch mal antun. »In der zweiten Liga guten Fußball spielen« - für einen Teil der Fans ein ausreichendes Saison-Ziel.

In der Vereinsführung wollte sich niemand mit solch bescheidenen Ansprüchen abgeben: »Wir haben ein exzellentes Team zusammengestellt«, erklärte der damalige Manager Jan Schindelmeiser, »es geht darum aufzusteigen.« Und TeBe-Chef Erwin Zacharias sah selbst in der höchsten deutschen Spielklasse nur eine Zwischenstation: »Wer in der Bundesliga spielt, muss das Ziel haben, international zu spielen.« Das langfristige Ziel sei daher die Champions-League.

Am Ende kam es ganz anders: Das Team erwies sich als nicht ganz so exzellent, im Verein ging es drunter und drüber, die Leistungen gingen beständig bergab. Einen nicht geringen Anteil daran hatte der zu Saisonbeginn verpflichtete Trainer Winfried Schäfer. Sein taktisches Spielverständnis beschränkte sich darauf, bei Rückstand Stürmer und bei Vorsprung Verteidiger einzuwechseln, sein Konfliktmanagement bestand im Suspendieren von Spielern. Ein gutes Dutzend Fußballer, darunter Leistungsträger wie Bruno Akrapovic und Francisco Copado, flogen raus.

Aber die gewerbeübliche Trainer-Entlassung blieb aus. Denn Schäfer hatte sich für diesen Fall eine Abfindung von zwei Millionen Mark vertraglich gesichert - und die wollte der mittlerweile angeschlagene Geldgeber nicht aufbringen. Stattdessen wurde Schäfer zum Sportdirektor befördert, und Firmenchef Zacharias übernahm selbst das Präsidentenamt.

Es half alles nicht. Zwar konnte am letzten Spieltag der plötzlich in greifbare Nähe gerückte Abstieg gerade noch verhindert werden, aber auf den sportlichen Klassenerhalt folgt jetzt der Abstieg aus wirtschaftlichen Gründen.

Vergangene Woche wies das Oberlandgericht Frankfurt den Einspruch der Berliner gegen den Lizenzentzug durch den Deutschen Fußball-Bund ab. Der DFB habe, hieß es zur Begründung, zu Recht auf der Vorlage von zwei Bankgarantien in Höhe von rund 20 Millionen Mark zur Deckung des Etats bestanden. TeBe konnte nur eine Bürgschaft vorzeigen - ausgestellt vom Bankhaus Partin. Das aber gehört zum Hauptsponsor Göttinger Gruppe, und Meldungen über einen drohenden Crash des dubiosen Finanzkonzerns hatten erst den Anlass für die Lizenzverweigerung durch den DFB gegeben.

Spätestens seit Anfang der neunziger Jahre, als der Schlagerproduzent Horst Nußbaum, alias Jack White, bei TeBe einstieg, steht der Club im Ruf, mit Geld Erfolg und Zuspruch erkaufen zu wollen. Mitte der neunziger Jahre wurde Nußbaum von der Göttinger Gruppe abgelöst. Ein »Markenzeichen«, so Firmenchef Zacharias, sollte TeBe werden.

Zunächst lief es auch nach Plan. 1997/98 gewann man souverän die Regionalliga Ost, und im ersten Jahr der Zweitliga-Zugehörigkeit spielte das Team lange um den Aufstieg mit. Letzte Saison wurde der Etat auf den Zweitliga-Rekord von 35 Millionen Mark erhöht, der Aufstieg schien gesichert.

Aber trotz dieser sportlichen Erfolge blieben die Zuschauerzahlen gering. Und so wurde TeBe zum Markenzeichen für die Kommerzialisierung des Fußballs. Während sich sonst niemand daran stört, dass sich Fußball-Clubs von Konzernen sponsern lassen und je nach finanziellen Möglichkeiten Spieler einkaufen, wurden die üblichen Praktiken des Fußball-Geschäfts TeBe zum Vorwurf gemacht.

In kaum einem Spielbericht fehlte der Hinweis auf das Missverhältnis zwischen Geld und geringer Popularität; immer wieder hieß es, das Team sei eine zusammengekaufte Truppe von »Söldnern«, dem Club mangele es an »Identität«. Von »Geschäftsleuten mit kaltem Herzen« schrieb die Süddeusche Zeitung, und der taz gelang die Schlagzeile: »Geld ist kalt, Geld ist nicht Kult«.

Solche Ressentiments werden oft auch von vermeintlich linken Fußball-Freunden verbreitet. Jüngstes Beispiel ist die Platte »Bayern« der Toten Hosen, in dem diese bekunden, »nie zu diesem Scheißverein« gehen zu wollen. »Viele linke Fans«, meint Martin Endeman vom linken TeBe-Fanzine Lila Laune, »tun so, als ob sich St. Pauli von der Kiez-Volxküche finanzieren würde.«

Das tun die »Kiez-Kicker« natürlich ebensowenig wie irgendein anderer Verein oberhalb der sechsten Liga. Aber als »Bonzenvereine« gelten nur Clubs mit bürgerlicher Tradition, wie der FC Bayern oder eben TeBe Berlin. Weil die Münchner aber als einzige deutsche Mannschaft europäische Klasse besitzen, werden sie in den Medien als »großer FC Bayern« gefeiert. Nur den Fußballern von TeBe aber fehlt dieser Erfolg, weshalb sie als »Geldsäcke« (taz) beschimpft werden dürfen.

Nur den gegnerischen Fans ist dieser Unterschied herzlich egal; Bayern und TeBe gelten als »Judenvereine«. Das abstrakte Kapitalverhältnis, das auch den Profi-Fußball bestimmt, wird als Geld konkretisiert und mit »den Juden« personalisiert. Auch in dem Ruf »Scheißmillionäre«, der zu hören ist, wenn eine gut bezahlte Truppe nicht die erwarteten Siege erringt, ist dieser strukturelle Antisemitismus enthalten.

Zudem hatte TeBe vor allem in der vorletzten Saison einen recht hohen Anteil an Migranten der zweiten Generation. Im Liga-Alltag hatte das zur Folge, dass die gegnerischen Fans neben »Juden raus« und »Zyklon, Zyklon B« auch zu ausländerfeindlichen Sprüchen griffen: »Wir sind Deutsche und ihr nicht«. Und, ob wegen der Vereinsfarben oder nur wegen der Vollständigkeit, schlug TeBe auch Homophobie entgegen: »Lila-weiß ist schwul«.

Der Hass auf TeBe hat aber auch sein Gutes: Denn angesichts des Rufs als »Judenverein« und des üppigen Berliner Angebots an Fußballclubs mit Nazi-Fans - neben Hertha BSC die beiden Ost-Clubs 1. FC Union und BFC Dynamo - verirren sich zumindest keine rechten Jugendlichen ins Mommsenstadion. Und die unpolitischen werden oft, wie Endeman meint, durch die Hass-Tiraden der Gegner politisiert. So verteilte im Vorfeld der letzten Bundestagswahl die NPD bei Hertha-Spielen Flugblätter, bei TeBe hingegen ging die FDP auf Stimmenfang.

Diese Publikumsmischung aus Charlottenburger Bürgern, linksalternativen Studenten und Migranten-Grüppchen macht stressfreies Fußballgucken möglich, auch wenn der Club demnächst drittklassig spielt. In Berlin kann man sich großen Fußball immer noch im Olympia-Stadion anschauen - wenn der FC Bayern kommt.