Dritte Amtszeit für Perus Präsidenten

Der große Gleichschalter

Nach den Unruhen bei seiner Vereidigung packt der autokratische peruanische Präsident Fujimori die Terrorismus-Keule aus.

Alles war perfekt vorbereitet. Der Kongress, in dem sich am Freitag Perus Präsident Alberto Fujimori für seine dritte, verfassungswidrige Amtszeit vereidigen ließ, glich einer Festung. Einige Tausend Sicherheitskräfte lungerten drinnen und draußen herum, insgesamt 40 000 Polizisten, Geheimdienstler und Armeeangehörige waren allein in Lima im Einsatz. Und trotzdem gingen Nationalbank, Justiz- und Erziehungsministerium sowie der Sitz der nationalen Wahlkommission in Flammen auf. Über der Altstadt Limas hingen dicke Rauch- und Tränengasschwaden, bis in die frühen Morgenstunden lieferten sich Sicherheitskräfte und Demonstranten heftige Straßenschlachten.

Sechs Tote, mindestens sechs Verschwundene, etwa zweihundert Verletzte und rund 170 Festnahmen - das ist die Bilanz des Tages. Eine Bilanz, die angesichts der generalstabsmäßigen Vorbereitung der Sicherheitskräfte einige Fragen aufwirft, zumal die Opposition zum friedlichen Widerstand gegen die »Diktatur Fujimoris« aufgerufen hatte. Bis Freitag waren die dreitägigen Demonstrationen gegen die Vereidigung Fujimoris, an denen nach unterschiedlichen Angaben zwischen 80 000 und 250 000 Menschen trotz Behinderungen durch die Ordnungsmacht teilnahmen, friedlich geblieben. Dann flogen Molotowcoctails, es wurden selbstgebastelte Gasmasken übergestreift, und in der Altstadt spielten sich bürgerkriegsähnliche Szenen ab, bei denen die Polizei - im Fernsehen war es zu sehen - auch Schusswaffen einsetzte.

Verantwortlich für die Ausschreitungen machte die Opposition um Alejandro Toledo, Chef der Wahlbewegung Perœ Posible, den Geheimdienst SIN. 100 Agenten des SIN hätten sich unter die friedlich demonstrierenden Teilnehmer des Protestmarsches gemischt und die Ausschreitungen provoziert, so Toledo gegenüber der regierungskritischen Tageszeitung La Repœblica. Dafür habe er Beweise. Nach Angaben von Francisco Diez Canseco, dem Vorsitzenden der NGO Consejo por la Paz (Friedensrat), gegenüber La Républica traten mehr als 40 Provokateure vor den Gebäuden von Nationalbank und Wahlkommission auf und versuchten, die Demonstranten aufzustacheln. In der Nationalbank verbrannten sechs Wächter, die Feuerwehr traf erst zwei Stunden nach Brandbeginn dort ein, weil - so deren Einsatzleitung - die Polizei sie nicht absicherte.

Für Fujimori stellt sich die Sache anders dar. Er beschuldigte am Samstag einen »widersetzlichen« Teil der Opposition, die Ausschreitungen angezettelt zu haben. »Sie wollten den Kongress anzünden, damit der gewählte Präsident nicht vereidigt werden könnte«, zitierte ihn die argentinische Zeitung Clar'n. »Es war ein Plan, der mit dem der MRTA vergleichbar war.« Im Herbst 1995 war ein Kommando der linken Guerilla MRTA aufgeflogen, das geplant hatte, das Parlamentsgebäude zu besetzen. Ein gutes Jahr später, im Dezember 1996, besetzte die MRTA dann die japanische Botschaftsresidenz, die vier Monate später gestürmt wurde, wobei alle MRTA-Guerilleros erschossen wurden.

Fujimoris Vergleich hat es in sich. Nach dem Antiterrorismus-Gesetz stehen bis zu 30 Jahre Haft auf Unruhestiftung, Angriffe auf öffentliche Gebäude oder auf die Sicherheitskräfte. Am Sonntag konnte man auf den Wänden in Lima Inschriften wie »Toledo-Mörder«, »Toledo-Terrorismus« bewundern.

Toledo erklärte gegenüber Clar'n: »Sie wollen uns als Terroristen anklagen und ins Gefängnis werfen, und so unseren Ausschluss aus dem Dialog für die Demokratie, den die Organisation Amerikanischer Staaten fördert, rechtfertigen.« Ins Exil werde er sich aber nicht begeben, denn um das internationale Ansehen des Regierungsklüngels um Fujimori steht es nicht zum Besten. Nur zwei Präsidenten, Guastavo Naboa aus Ecuador und der bolivianische Präsident und Ex-Diktator Hugo Banzer, hatten sich in Lima eingefunden, um Fujimoris Vereidigung beizuwohnen.

Doch die fehlende internationale Präsenz ließ Fujimori genauso kalt wie die Fragen der Journalisten nach der politischen Zukunft von Vladimiro Montesinos, Fujimoris persönlichem Berater und de facto Geheimdienstchef. Der werde, so Fujimori gegenüber der argentinischen Tageszeitung La Naci-n, ein Regierungsamt übernehmen. Wo der Präsident Montesinos unterbringen will, verriet Fujimori nicht. Die Verkleinerung des SIN kündigte er allerdings an, genauso wie Reformen bei Armee und Polizei, um diese »den neuen Friedenszeiten anzupassen«. Am Architekten seiner Herrschaft, Montesinos, wird Fujimori in jedem Fall festhalten und ihn nicht, wie eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staten (OAS) Ende Juni verlangte, fallen lassen.

Das kann er sich auch kaum leisten. Denn Montesinos, der nach Angaben der New York Times über beste Kontakte zu den US-Geheimdiensten verfügt, hat angeblich den Präsidenten wegen einiger belastender Dokumente in der Hand. So soll der unehrenhaft aus der Armee entlassene Ex-Hauptmann nicht nur eine gefälschte Steuererklärung Fujimoris aus dem Jahre 1990 in seinem Archiv aufbewahren, sondern auch dessen Geburtsurkunde. Sie wurde einem Geheimdienstmann zufolge in Japan ausgestellt, weshalb Fujimori nicht regieren dürfte - dies steht nach der Verfassung allein Peruanern zu.

Fujimori hat also allen Grund, die Hand über seinen Berater zu halten, der ihm schließlich auch den Wahlkampf im Frühjahr organisierte. Aus der SIN-Zentrale rollten nicht nur die Lastwagen mit Propagandamaterial von Fujimoris Wahlbündnis Perœ 2000, auch die Dossiers über die Abgeordneten der parlamentarischen und die Repräsentanten der außerparlamentarischen Opposition stammten von dort.

Den Kongress hat Fujimori längst wieder im Griff, und auch dabei dürfte ihm Montesinos nützlich gewesen sein. 52 Abgeordnete hatte Fujimori nach den Parlamtentswahlen vom April hinter sich. Bei den ersten Abstimmungen letzte Woche votierten nicht weniger als siebzig Abgeordnete für die neue Parlamentsvorsitzende Martha Hildebrand - eine waschechte »Fujimorista«. Damit haben 18 Abgeordnete das Lager gewechselt. Nicht alle werden dem Ruf des Geldes gefolgt sein. 50 000 Dollar Überlaufprämie und 10 000 Dollar Monatszuwendung wurden Oppositionsabgeordneten zufolge von Fujimori geboten. Doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch Dossiers aus Montesinos' Archiv bei dem einen oder anderen Überläufer zum Einsatz gekommen sind.

Mit Federico Salas präsentierte »El Chino« letzte Woche hingegen einen ehemaligen Gegenkandidaten für die Präsidentschaft als Kabinettschef. Eine nicht sonderlich neue Finte, um der internationalen Öffentlichkeit die Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Opposition zu suggerieren. Schon einmal hatte Fujimori auf diesem Wege seiner Regierung einen pluralistischen Anstrich geben wollen. Das Experiment mit Javier Valle Riestra währte allerdings nur wenige Monate. Salas, der sich als wortgewandter Kritiker Fujimoris einen Namen erworben hatte, zeigte sich gelehrig und machte Toledo und die obere Ebene von Perœ Posible direkt für die Ausschreitungen am Freitag verantwortlich.

Am Samstag wurde Fujimoris Kabinett vereidigt. Neu unter den Ministern ist Carlos Bolo-a, ein harter Neoliberaler, der bereits zu Beginn der neunziger Jahre für die so genannten Strukturanpassungsmassnahmen aus dem Wirtschafts- und Finanzministerium verantwotlich zeichnete. Als neuer Innenminister wurde trotz der von Fujimori angekündigten »neuen Friedenszeiten« ein General präsentiert: Walter Chac-n. Er gilt als enger Vertrauter von Montesinos.

Die Opposition hat sich derweil darauf verständigt, ein Schattenkabinett zu konstituieren. Dessen Aufgabe soll es sein, die von der Regierung angekündigten »demokratischen Reformen« kritisch zu begleiten. Zudem will die bisher homogen auftretende Opposition innerhalb von vier Monaten Regionalwahlen organisieren, um die Dezentralisierung des Landes voranzutreiben. Ein Pogramm, dessen Ziel es ist, den illegitimen Präsidenten mit Mitteln des gewaltfreien zivilen Widerstands aus dem Amt zu jagen. Die Erfolgsaussichten sind allerdings wegen der Konzentration von Macht und Mitteln in den Händen der Regierungsclique nicht sonderlich gut.