Regierungskrise in Slowenien

Ljubljana jubelt

Als einziger osteuropäischer Staat hat Slowenien die Transformation der Wirtschaft beinahe unbeschadet überstanden. Kein Wunder: Die Privatisierungskeule kommt erst noch.

Ein wenig empfindlich war der slowenische Präsident Milan Kucan schon immer. Seine nähere Umgebung beschreibt den seit neun Jahren amtierenden Staatspräsidenten als sensiblen älteren Herrn, der sich leicht auf den Schlips getreten fühlt. Anfang Juni kam Kucans Hang zum Jammern wieder mal arg hervor: »Es ist nicht klar, ob die neue Regierung einen Weg der Kontinuität wählt, um Slowenien an die EU heranzuführen, oder ob sie nur daran interessiert ist, die eigenen Leute in die maßgeblichen Positionen zu bringen und einen politischen In-Fight zu betreiben«, beklagte sich der Präsident in seiner Rede zum neunten Jahrestag der slowenischen Unabhängigkeitserklärung.

Keine Frage, Kucan ist die neue rechtsgerichtete Regierung des lange Zeit in Argentinien lebenden Ex-Bankers Andrej Bajuk ziemlich unsympathisch. Ende Mai war die bisherige Mitte-Links-Regierung des Langzeit-Premiers Janiz Drnovsek an einem Misstrauensvotum gescheitert, und die konservative Volkspartei (SLS) bildete zusammen mit den rechten so genannten Sozialdemokraten (SDS) des Nationalisten Janez Jansa eine provisorische Regierung. Aber auch der war kein langes Leben beschieden: In der vergangenen Woche platzte die politische Zweckgemeinschaft; die Regierung wird aber noch bis zu den vorgezogenen Neuwahlen am 15. Oktober dieses Jahres im Amt bleiben.

Kucan kann sich schon auf ein Comeback Drnovseks freuen, denn die Liberaldemokraten des Ex-Premiers liegen in allen Meinungsumfragen klar vorne. Dennoch krankt Kucans Analyse: Auch die alte Regierung Drnovsek hat nicht bedingungslos den Weg Sloweniens in die EU gewählt, sondern zwischen sanfter Transformation und der Befriedigung harter kapitalistischer Ansprüche Brüssels laviert.

Für den amtierenden Premier Bajuk, der krampfhaft versucht, seiner Person ein Profil jenseits des politischen Pausenclowns zu geben, macht das die Sache nicht unbedingt leichter. Zwar sind alle Gesetze zur Erfüllung der EU-Standards vorhanden, Bajuk muss sie aber bis Mitte August im Parlament von Ljubljana durchpauken, um den Zeitplan für den Beitritt zur EU einzuhalten. Slowenien stellt sich auf einen Beitritt im Jahre 2003 ein, die EU dagegen nicht. In der vergangen Woche schraubte EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen in Ljubljana die Erwartungen der Slowenen ein wenig herunter: »Ich sagte der hiesigen Regierung, dass ein Beitritt zwischen 2003 und 2005 möglich ist.«

Eine Verzögerung könnte eintreten, weil Bajuk es kaum schaffen wird, die wohl wichtigsten Teile der Anpassung slowenischer Gesetze an die EU-Vorgaben bis Oktober zu bewerkstelligen. Erst 18 der 76 notwendigen legislativen Vorgaben sind erfüllt, und die schwierigsten Probleme kommen erst auf den Kurzzeit-Premier zu: So verlangt die EU eine Liberalisierung des Kapitalmarktes samt weitgehender Privatisierung der Banken. Doch Bajuk kämpft schon verbissen um die Privatisierung der beiden größten slowenischen Geldinstitute - der Nova Ljubljanska Banka und der Nova Kreditni Banka Maribor.

Die Privatisierung bisheriger Staatsbetriebe könnte Slowenien nun jene sozialen Verwerfungen bringen, die dem kleinen Land zwischen Österreich und Kroatien bislang erspart geblieben sind. Sechzig Prozent der Produktion befinden sich noch immer in Händen des Staates. Wenn all diese Staatsbetriebe dereinst privatisiert sein werden, geht die Transformation erst in die entscheidende Runde, und Slowenien könnte jenes Schicksal blühen, das andere Staaten wie Polen, Tschechien, die Slowakei oder Ungarn zu großen Teilen schon hinter sich haben.

Bislang nämlich hatte sich die langjährige Mitte-Links-Regierung Drnovseks gescheut, jenen Weg der brutalen Privatisierungen zu gehen, den andere Transformationsstaaten als radikale, aber ihrer Meinung nach notwendige Rosskur durchgemacht haben. Vielmehr wurde auf eine Doppelstrategie gesetzt, wie sie in Südosteuropa eher ungewöhnlich ist: Zusätzlich zur Privatisierung großer Staatsbetriebe mit ihren ansonsten verheerenden Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wurde der private Dienstleistungssektor entsprechend forciert. Ein beliebter Spruch tourismusverwöhnter Slowenen lautet: »In Slowenien kann ich im Meer schwimmen, Ski fahren und in den Bergen wandern - und das alles an einem Tag.«

Entsprechend boomt der Tourismus und der flankierende Dienstleistungssektor. Allerdings brachte der Aufbau eines privatwirtschaftlich organisierten Paralleluniversums zum staatlich gelenkten industriellen Sektor auch Probleme mit sich. Sloweniens Wirtschaft ist wie keine andere abhängig von der Konjunktur in Westeuropa. 65 Prozent der slowenischen Industrieprodukte werden in Staaten der EU abgesetzt, und wenn es da kriselt, leidet die slowenische Wirtschaft mit.

Aufgefangen wird die konjunkturelle Anfälligkeit durch die exzessive Investition in Telekommunikation und Infrastruktur. Erst Anfang Juni kaufte die slowenische Staatsbahn den italienischen Neigetechnik-Zug »Pendolino«, der künftig zwischen Maribor und Ljubljana verkehren wird. Auch in Autobahnen wird kräftig investiert. Doch all das hat auch eine Kehrseite: »Das größte Problem in Slowenien sind die stark überhöhten Investitionen in die Infrastruktur. Zu wenig wird dagegen in Häuser- und Wohnungsbau investiert«, klagt Matjaz Hanzek, Autor des alljährlich herausgegebenen Reports über den Lebensstandard der Slowenen.

Bald wird Hanzek wohl noch mehr zu kritisieren haben. Zwar liegt die Arbeitslosenrate in Slowenien mit acht Prozent noch unter dem EU-Durchschnitt, doch gleichzeitig stagniert die Zahl der Beschäftigten. Wenn die großen Staatsbetriebe erst einmal privatisiert sind, wird sich die Situation noch verschärfen.

Ein Stück restjugoslawischer Nostalgie ist übrigens gerade privatisiert worden. Das Luxushotel »Villa Bled« hat nun private Eigentümer, und das schmerzt einige Slowenen besonders. Immerhin war die Villa Bled am gleichnamigen See im Norden Sloweniens bis zu seinem Tod im Jahre 1980 die Sommerresidenz des jugoslawischen Staatsgründers Josip Broz Tito.