Wirtschaftliche Öffnung Nordkoreas

Cognac für die Kims

Der Ausruf »Geh doch nach Nordkorea!« erhält eine neue Bedeutung: Westliche Unternehmen dringen in die letzte abgeschirmte Planwirtschaft vor.

Die internationale Ächtung des stalinistischen Nordkorea geht zu Ende. Seit sich die nord- und südkoreanischen Staatschefs Kim Jong-il und Kim Dae-jung bei ihrem ersten Gipfeltreffen im Juni die Hände schüttelten und ihre Zusammenkunft als »historischen Durchbruch« feierten, gehören die Diplomaten des abgeschotteten Regimes auf dem internationalen Parkett zu den begehrtesten Gesprächspartnern. Außenminister Paek Nam Sun sah sich beim Regionalforum des südostasiatischen Staatenverbandes Asean Ende Juli in Bangkok bisher ungewohnter Prominenz gegenüber. Die Vertreter der Asean-Staaten, der EU-Kommissar für Außenbeziehungen Chris Patten und auch die US-amerikanische Außenministerin Madeleine Albright konsultierten ihn zu Sicherheits- und Wirtschaftsfragen. Albright äußerte den Wunsch, »Nordkorea aus seiner Isolation zu führen«.

Bis vor kurzem sahen die USA den nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel noch als »Schurkenstaat«. Seit sich eine zaghafte Öffnung des Landes abzeichnet, ist nur noch von einem »state of concern«, einem »Besorgnis erregenden Staat« die Rede. Albrights thailändischer Kollege Surin Pitsuwan sah ebenfalls »viele neue Möglichkeiten« in Bezug auf Pjöngjang. Kanada, Neuseeland und Italien hatten schon vor dem Treffen erklärt, diplomatische Beziehungen zu Nordkorea aufnehmen oder ausbauen zu wollen. Und EU-Vertreter Patten erzählte blumig von »auftauenden Permafrostböden«. Gegenüber der Presse fügte er hinzu, was vor allem Wirtschaftslobbyisten interessiert: Südkorea werde bald in seinem Nachbarland investieren können. Nordkorea werde »in die Weltwirtschaft integriert«.

Vielen ist die politische und vor allem die militärische Rolle Pjöngjangs zwar auch nach den harmonischen Begegnungen der letzten Wochen noch unheimlich, vor allem wegen der weiter geplanten Rüstungsprojekte. Ökonomisch dagegen weckt Nordkorea kapitalistische Begierden. Für europäische Investoren und Händler ist das abgeschirmte Land nach Einschätzung der Financial Times Deutschland der »vermutlich letzte weiße Fleck auf der Landkarte der Globalisierung«. Westliche Firmen wagen bisher kaum, Geschäfte mit dem brachliegenden Staat zu machen.

Das könnte sich bald ändern. Gerade weil Nordkoreas Ökonomie global noch fast bedeutungslos ist, gleichwohl aber über gut ausgebildete Arbeitskräfte verfügt, steckt aus westlicher Sicht großes Potenzial in dem Land. Im Jahr 1999 exportierte Pjöngjang Güter im Wert von gerade mal 700 Millionen US-Dollar, hauptsächlich Erze, Textilien oder Eisenwaren. Zum Vergleich: Das Exportvolumen des südlichen Teils der Halbinsel umfasste im gleichen Zeitraum 133 Milliarden Dollar.

Deutschland ist - wenn auch auf niedrigem Niveau - schon heute der viertgrößte Handelspartner Nordkoreas, nach China, Japan und Südkorea. Die Chancen, die bestehenden Wirtschaftskontakte auszubauen, sind beträchlich - auch deshalb, weil etwa das Eisenbahnnetz und die Energieversorgung des Landes zum Großteil auf DDR-Technologie beruhen. Entsprechendes Know-how ist in Deutschland vorhanden. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Mindestlöhne für die 24 Millionen Einwohner Nordkoreas bei drei bis vier Mark pro Stunde liegen. Angesichts des autoritären und polizeistaatlichen Herrschaftssystems Nordkoreas gelten seine Arbeitskräfte außerdem als besonders diszipliniert.

Der erste Großkonzern, der den Sprung nach Nordkorea wagen wird, kommt jedoch nicht aus dem Westen, sondern aus Südkorea. Kistenweise Wein und Cognac schickte der Automulti Hyundai dem Pjöngjanger Regenten Kim Jong-il zu dessen 58. Geburtstag. Geschenke und freundschaftliche Beziehungen können nicht schaden, denn erst kürzlich beantragte der Konzern, im Norden einen gigantischen Industriepark zu errichten. Dutzende Fabriken mit insgesamt 200 000 Beschäftigten sollen entstehen. Weitere Projekte, orientiert am Modell der chinesischen Sonderwirtschaftszonen, sind in Planung. Seoul drängt unterdessen auf eine investorenfreundliche Reform der nordkoreanischen Steuergesetze.

Die Strategie der deutschen Wirtschaft besteht darin, auf diesen Zug einfach aufzuspringen. Verstärkt will man mit südkoreanischen Firmen kooperieren, um mit ihnen gemeinsam in den Norden vorzustoßen. Im »Korea Wirtschaftsinformationsbüro« in Düsseldorf sind mehr als 70 Firmen aus dem deutschsprachigen Raum zusammengeschlossen. Ihre Aufgabe sehen sie unter anderem darin, mittelständischen Unternehmen Einstiegshilfen für das Nordkorea-Geschäft zu geben.

Auch konservative deutsche Politiker zeigen Interesse an Nordkorea. Am 26. Juli empfing der bayerische Landtagsabgeordnete Christian Knauer (CSU) den Leiter der »nordkoreanischen Interessenvertretung in Deutschland«, Kim Chang Ryong. Knauer zeigte ihm die Audi-Werke in Ingolstadt, die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung und die Industrie- und Handelskammer für Augsburg und Schwaben. Dabei wurden gemeinsame Handelsmöglichkeiten ausgelotet. Der in Berlin ansässige Diplomat schaut öfters auch im Auswärtigen Amt vorbei, um für verbesserte politische Beziehungen seines Landes zum vereinigten Deutschland zu werben.

Im kommenden Herbst will der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Hans-Ulrich Klose (SPD), einen Trip nach Pjöngjang wagen. Er wäre der ranghöchste deutsche Politiker, der Nordkorea je besuchte. Zwei »einfache« CDU-Bundestagsabgeordnete waren sogar schon dort - einer davon war der Dresdner Arnold Vaatz, der sehen wollte, »was aus der DDR vielleicht geworden wäre, wenn wir die SED nicht gekippt hätten«.

Zehn Jahre sind vergangen, seit die SED »gekippt« wurde. Jetzt deutet alles darauf hin, dass auch der letzte »eiserne Vorhang« dieser Welt gelüftet wird. Ob in Nordkorea nach der Einführung der Marktwirtschaft und der Öffnung für transnationale Konzerne auch eine Veränderung der autoritären politischen Strukturen ansteht, ist noch nicht ausgemacht. Das Beispiel China zeigt, dass es auch anders geht.