Deutsche Unterstützung bei der Sezession Montenegros

Wählen bis zum Abwinken

Der Wahlboykott Montenegros ist ein Votum für die Abspaltung von Jugoslawien. Deutschlands Unterstützung beschleunigt das Unternehmen Unabhängigkeit.

Die nächsten Spiele werden die letzten sein. Zumindest für das jugoslawische Olympia-Team. Denn wenn im September in Sydney die Olympischen Spiele beginnen, wollen die Spitzensportler der kleineren jugoslawischen Teilrepublik Montenegro das letzte Mal gemeinsam mit den serbischen Athleten antreten. Danach soll Schluss sein mit dem jugoslawischen Gemeinschaftssport, kündigte vorige Woche der Vorsitzende des Montenegrinischen Olympischen Komitees, Rade Djurdjic, an. Zeit für die Unabhängigkeit: Schon beim Auftritt in Sydney werde man darum werben, so der Sport-Funktionär, dem IOC die Anerkennung eines eigenen montenegrinischen Verbandes schmackhaft zu machen - ausgestattet mit allen Insignien, die ein souveräner Staat vergeben kann.

Die sezessionistischen Sport-Bosse aus Podgorica sind in diesem Sommer die schnellsten beim Wettlauf um die Zerschlagung des jugoslawischen Staatsverbandes, aus dem nach vier Kriegen und ebenso vielen Abspaltungen ein serbisch-montenegrinischer Zweikampf geworden ist. Zwar hatte der Präsident des nur 600 000 Einwohner zählenden Montenegro, Milo Djukanovic, schon mehrfach mit einem Unabhängigkeits-Referendum gedroht, sollte der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic einer Reform der bundesstaatlichen Institutionen nicht zustimmen. Doch das Votum steht bis heute aus, und das nicht, weil Djukanovic nicht wollte, sondern weil vor allem die USA Druck auf ihn ausüben, von einer Sezession abzusehen.

Die Achse Belgrad-Podgorica, so die Weisung aus Washington, soll erhalten bleiben - nicht zuletzt, um die serbische Opposition gegen Milosevic zu stärken. Das machte vergangene Woche US-Außenministerin Madeleine Albright dem montenegrinischen Präsidenten bei einem Treffen in Rom noch einmal klar. Podgorica genieße die volle politische und wirtschaftliche Unterstützung der Vereinigten Staaten, doch neue Grenzen auf dem Balkan wolle man in Washington nicht.

»Wir unterstützen ein demokratisches Montenegro innerhalb eines demokratischen Jugoslawien«, hatte das State Department erst Mitte Juli die US-Doktrin für den Balkan bekräftigt. Die Angst, neben den instabilen und für das US-Verteidigungsministerium zudem kostspieligen Protektoraten Kosovo und Bosnien einen weiteren jugoslawischen Nachfolgestaat militärisch und ökonomisch gegen Belgrad abschotten zu müssen, lässt vor allem das Pentagon von der Unabhängigkeit abraten. Interventionen mit No-exit-Optionen wie in den an Montenegro grenzenden Protektoraten wolle die Regierung künftig vermeiden, berichtete die Washington Post Ende Juli unter Berufung auf hochrangige US-Offizielle.

Die montenegrinischen Sportfunktionäre schreckten die Warnungen nicht, und auch Djukanovic wollte sich durch die Intervention Albrights von seinem Separationskurs nicht abbringen lassen. Im Gegenteil. Sechs Wochen vor den jugoslawischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen rechnet in Washington oder Brüssel kaum einer noch damit, dass das von EU- und US-Geldern abhängige Montenegro das Unabhängigkeits-Referendum ein weiteres Mal aufschieben wird. Schließlich ging Djukanovics Ankündigung, die Wahl zu boykottieren und die »illegalen« bundesstaatlichen Institutionen nicht länger anzuerkennen, dem Olympia-Boykott des Sportverbands voraus. Geflissentlich ignorierte der Chef der montenegrinischen Sozialdemokraten beim Treffen in Rom auch die Aufforderung Albrights, an den Wahlen teilzunehmen: »Alles, was ich zur Zeit sagen kann, ist, dass wir uns mit der konstitutionellen Gewalt, die Milosevic gegen Montenegro einsetzt, nicht abfinden werden.«

Doch der Streit um die Teilnahme oder den Boykott der ersten direkten Präsidentschaftswahl in Jugoslawien hat die Grenzen Montenegros längst überschritten. Ein Jahr nach dem in Sarajewo verabschiedeten Stabilitäts-Pakt sorgte Bundeskanzler Gerhard Schröder beim G-8-Gipfel für Missstimmung in der westlichen Balkan-Allianz, als er ankündigte, Deutschland und Italien würden einen Wahlsieg Milosevics nicht anerkennen. In bester rot-grüner Kriegsmanier bezichtigte er den jugoslawischen Präsidenten, mit seinen Verfassungsänderungen ein »Ermächtigungsgesetz« erlassen zu haben - und erklärte die Wahlen a priori für ungültig. Albright sah das bei ihrem Italien-Besuch eindeutig anders: »Für uns ist es sehr wichtig, dass sich die Opposition geschlossen präsentiert und sich auf gemeinsame Kandidaten einigt.«

So sieht das auch die Mehrheit der serbischen Oppositionellen, die Schröders Ankündigung in Aufregung versetzte. Der Versuch der Anti-Milosevic-Allianz, Djukanovic vom Boykott des Votums abzubringen, scheiterte vergangene Woche. Und auch der Vorsitzende der größten Belgrader Oppositions-Partei, Vuk Draskovic, lehnte bis zum Wochenende eine Teilnahme seiner monarchistisch-nationalistischen Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) ab.

Schlechte Aussichten für die 15-Parteien-Allianz, die auch durch die Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten - Vojislav Kostunia ist Chef der nationalkonservativen Serbischen Demokratischen Partei (DSS) - nicht besser werden. Zoran Djindjic, Vorsitzender der Demokratischen Partei (DS), der der Hauptgrund dafür sein dürfte, dass Draskovic sich dem Bündnis nicht anschließt, war vom Vorpreschen Schröders nicht begeistert. Ratschläge nehme man zwar gerne entgegen, über die Teilnahme an künftigen Wahlen aber entscheide die serbische Opposition selbst, beschwerte sich der germanophile Djindjic über die ihm sonst so willkommene Einflussnahme aus Berlin.

Doch dort wollte Ende voriger Woche niemand etwas wissen von Spannungen zwischen der größten militärischen Streitmacht auf dem Balkan und dem Koordinator der ökonomischen Transfer-Leistungen. Das Auswärtige Amt steuerte zurück: Schröder sei mit seiner Äußerung über die Nicht-Anerkennung der Wahlen falsch zitiert worden, hieß es auf Nachfrage, Deutschland werde sich in die inneren Angelegenheiten Jugoslawiens nicht einmischen.

Das aber tut es nicht erst seit dem Nato-Krieg. Mit der Ernennung Bodo Hombachs zum Koordinator des Balkan-Stabilitätspakts hat sich Deutschland den wichtigsten ökonomischen EU-Posten für den Balkan gesichert. Und die montenegrinische Zentralbank, die im vergangenen Jahr die Deutsche Mark als Leitwährung übernahm, arbeitet längst unabhängig von Belgrad, nur noch verfassungsrechtlich ist die Republik an Jugoslawien gebunden. Das einzige, was Djukanovic vom Schritt in die staatliche Unabhängigkeit abhält, sind die 11 000 Soldaten der Jugoslawischen Bundesarmee - die einzige föderale Institution, die in Montenegro noch funktioniert.

Militärisch allerdings hat Washington weiter das Sagen auf dem Balkan - ohne die Logistik der Vereinigten Staaten läuft bei Kfor und Sfor nichts. Djukanovic ist sich der Schützenhilfe im Krisenfall gewiss. »Wenn es zu einem Konflikt kommt, bin ich mir sicher, dass uns die internationale Gemeinschaft nicht im Stich lassen wird.«

Dazu rät der so genannten internationalen Gemeinschaft auch einer der wichtigsten westlichen Think Tanks für Südosteuropa - die International Crisis Group. In einem Kommentar für das Wall Street Journal forderte der Vorsitzende der Brüsseler Organisation, der frühere australische Außenminister Gareth Evan, schon im Juni ein rasches Eingreifen des Westens, sollten Milosevics Militärverbände den Wahl-Boykott zum Eingreifen nutzen. »Darüber hinaus sollte es eine Truppenbewegung in die Region geben, um die Ernsthaftigkeit der Nato bei der Abschreckung serbischer Aggressionen unter Beweis zu stellen.« Die Ernsthaftigkeit Deutschlands, die jugoslawische Opposition bei der Absetzung Milosevics zu unterstützen, hatte Fischer Djukanovic erst bei dessen Berlin-Besuch am 25. Juli beteuert - drei Tage nach dem Vorpreschen Schröders.

Nur dem FAZ-Autor Matthias Rüb ging das deutsche Manöver Montenegro noch nicht weit genug. »Was dem einen als hinreichend stabiler Zustand erscheint, erkennt der andere als Vorkriegsstimmung. Wo der eine glaubt, es mit den erprobten Instrumentarien der Diplomatie richten zu können, bereitet sich der andere auf eine militärische Intervention vor.«

Was das für die deutsche Unterstützung der montenegrinischen Sezession bedeutet, überließ Rüb den nordatlantischen Orakeln. Aber vielleicht sollte Joseph Fischer sich besser an Walther Tröger halten. Das Slowenische Olympische Komitee jedenfalls erkannte den neuen montenegrinischen Verband schon letzte Woche an. Da müsste der Präsident des deutschen Olympia-Kommittees eigentlich nur nachziehen.