Verhandlungen über das Ende des Bürgerkriegs

Amnestie in Arusha

In Tansania verhandeln die Bürgerkriegsparteien Burundis über ein Ende des bewaffneten Konflikts. Eine Einigung wäre vorbildlich für die gesamte Region.
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Gibt es endlich Frieden in Burundi? Im tansanischen Arusha verhandeln seit dem 7. August 19 Akteure des Bürgerkrieges über einen Vertrag. Nelson Mandela, der südafrikanische Vorsitzende der internationalen Vermittlergruppe, sieht die Gespräche als Vorbild für eine innerafrikanische Konfliktlösung, die auch auf die von Kriegen und Konflikten gezeichneten Nachbarländer Kongo, Uganda und vor allem Ruanda ausstrahlen könnte. Er mahnte die Verhandlungsführer in einem vorab veröffentlichten Brief jedoch, »mehr an Stabilität und Frieden für Burundi als an persönliche Interessen zu denken«.

Der Bürgerkrieg zwischen der von der Minderheit der Tutsi dominierten Armee und Hutu-Milizen war 1993 nach einer Demokratisierungsphase wieder ausgebrochen. Mehr als 200 000 Opfer hat er seitdem gefordert. Auslöser des Bürgerkriegs war, dass eine Gruppe innerhalb der Armee den Hutu Melchior Ndadaye ermordet hatte, den ersten gewählten Präsidenten. Dieser Putschversuch aber schlug fehl, und das Land blieb zunächst ohne funktionierende Regierung. Drei Jahre später kam Major Pierre Buyoya, der schon die erste Demokratisierung eingeleitet hatte, wieder an die Macht.

Die anfänglichen Erwartungen jedoch, Buyoya könne einen Weg des Ausgleichs finden, wurden bald enttäuscht. Der Bürgerkrieg intensivierte sich sogar. Den aus Flüchtlingslagern in Tansania, Ruanda und Kongo agierenden Hutu-Milizen gelang es immer wieder, die Hauptstadt Bujumbura anzugreifen. Nach einer Phase der Vertreibungen sind die Viertel dort mittlerweile nach Bevölkerungsgruppen aufgeteilt. In den ländlichen Zonen richtete die Armee »Umsiedlungslager« für bäuerliche Hutu ein, um den feindlichen Milizen die Tarnung in der Zivilbevölkerung zu erschweren.

Die wichtigsten Themen der Verhandlungen in Arusha sind die Reform der Armee und die Einführung demokratischer Strukturen. Die Tutsi, etwa 15 Prozent der knapp sechs Millionen Einwohner, sehen die Armee als ihre Beschützerin. Eine weiterhin von ihnen dominierte Armee allerdings wäre wegen ihrer Putschvergangenheit ein Risikofaktor für eine paritätisch besetzte Regierung. Denn in einer Mehrheitsdemokratie könnten die Hutu, die 85 Prozent der Bevölkerung ausmachen, die politischen Entscheidungen dominieren. Der Entwurf des Friedensvertrags sieht deshalb eine Vielzahl von Checks-and-Balances für die zu wählenden Regierungsorgane vor, die den Tutsi-Parteien Sperrminoritäten garantieren sollen.

Noch hat keine der Verhandlungsparteien die Bereitschaft erkennen lassen, Mandelas Vertragsentwurf zu unterschreiben. Dennoch zeigt die Teilnahme fast aller Milizen und Parteien Burundis, dass die Verhandlungen ernst genommen werden. Die Kleinparteien auf beiden Seiten haben sich inzwischen zu Koalitionen zusammengeschlossen, um ihre Verhandlungsmacht zu stärken. Auch die Kräfte zur Verteidigung der Demokratie (FDD), eine der größten Hutu-Milizen, sind nun in Arusha. Neben einem radikalen Flügel der regierenden pro-Tutsi-Partei Union für den nationalen Fortschritt (Uprona) aber fehlt auch die radikale Partei für die Befreiung der Hutu (Palipehutu) bei den Verhandlungen. Ihr wird ein Massaker kurz vor Beginn der aktuellen Verhandlungsrunde vorgeworfen, dem in der Nähe von Bujumbura 30 Menschen zum Opfer fielen und das die Verhandlungen offenbar torpedieren sollte.

Die Ursprünge des Konflikts reichen bis zur Lösung von der Kolonialmacht Belgien zurück. Damals, Anfang der sechziger Jahre, schien die Entwicklung in Burundi wesentlich positiver zu verlaufen als im benachbarten Ruanda. Am 13. Oktober 1961 wurde der Chef der damals noch sozialistischen Uprona, Louis Rwagasore, ermordet. Er gehörte zur Aristokratie Burundis und hatte die Wahlen am Vorabend der Unabhängigkeit mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Sein Mörder war von einer rivalisierenden Gruppe aus der Aristokratie beauftragt worden.

Inwieweit die belgische Administration in den Plot verwickelt war, konnte nie endgültig geklärt werden. Rwagasores Ermordung war für viele Hutu das Zeichen, dass sie von der Macht ausgeschlossen werden sollten. Innerhalb der Uprona setzten sich daraufhin Tutsi-Eliten durch, und 1966 übernahm schließlich die inzwischen Tutsi-dominierte Armee die Macht, die sie trotz einer kurzen Unterbrechung 1993 bis heute innehat.

Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Burundi als ein dezentral regiertes Königreich existiert. Die Herrscherdynastie der Ganwa war die regierende Schicht über der einfachen Bevölkerung. »Hutu« bedeutet in der Landessprache Kirundi neben der ethnischen Konnotation ungefähr »sozialisierter Sohn«, ein Hinweis auf die Vielzahl von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen, in denen die Gesellschaft organisiert war: Im Austausch für soziale Dienste bot die Loyalität zu den Herren Sicherheit und Zugang zu Ressourcen. Die nicht zur Aristokratie gehörenden Bevölkerungsgruppen waren einander gleichgestellt, soziale Unterschie zwischen Hutu und Tutsi existierten nicht. Selbst unter den deutschen und belgischen Kolonialherren gab es weitgehend unabhängig agierende Hutu-Chiefs mit eigenen Regionen.

Doch die Kolonialherren vertraten auch die historisch unhaltbare Unterscheidung zwischen den angeblich »hamitischen«, also »europäisch-stämmigen Tutsi-Viehhaltern«, und den »Hutu-Bantu-Bauern« und sorgten so für einen der Konfliktgründe. Erst nach der Unabhängigkeit verschmolzen im ethnizistischen Diskurs die aristokratischen Ganwa mit den Tutsi-Gruppen, viele Hutu hingegen entwickelten nach wiederholten Massakern an ihnen ein Selbstbild als »Märtyrer-Volk«. Heute stellt die Unterscheidung zwischen Hutu und Tutsi die Matrix des Konflikts dar, der sich in Burundi kaum ein Einwohner entziehen kann.

In Arusha wird auch über den Umgang mit den Verbrechen der jüngeren Geschichte verhandelt. Ob das bislang vorgestellte Modell einer generellen Amnestie zu einer Aufarbeitung der Vergangenheit führen kann, ist äußerst fraglich. Da jedoch alle Verhandlungspartner in Verbrechen an Zivilisten involviert waren, wird es wohl kaum eine juristische Bearbeitung des Bürgerkrieges geben.