Verschärfung der Ausländergesetze

Diesseits von Afrika

Die konservative Regierung in Madrid verschärft die Ausländergesetze und die Einwanderungskontrollen.

Der Fall schien zunächst keine Zweifel aufzuwerfen. Nach dem Tod des Guineers Antonio Fonseca auf einem Polizeirevier in Arrecife auf Lanzarote erklärten die Polizeiärzte, die Autopsie habe ergeben, dass Fonseca am 20. Mai an einer Überdosis Drogen gestorben sei. Erst die hartnäckigen Nachfragen von Angehörigen und von amnesty international führten zu einer neuen Untersuchung. Eine zweite Autopsie, die vorige Woche durchgeführt wurde, ergab eine andere Todesursache: Fonseca ist an den Folgen schwerer Misshandlungen durch die Polizei ums Leben gekommen.

Es ist kein Zufall, dass die kanarischen Polizisten seit einigen Monaten härter gegen Migranten vorgehen. Sie wähnen sich an vorderster Front bei der Abwehr von illegaler Einwanderung und Menschenschmuggel und können sich dabei auf die konservative Regierung in Madrid verlassen. Mit Schnellbooten, Hubschraubern und Infrarot-Kameras sucht die Guardia Civil die Flüchtlinge, die von der marokkanischen Küste in kleinen Booten die Überfahrt über die Straße von Gibraltar wagen. Allein in der vergangenen Woche wurden 600 illegale Einwanderer aufgegriffen. Seit Anfang des Jahres sollen es nach Angaben des Innenministeriums schon über 7 000 sein.

Auch die Situation der Migranten, die die Grenze überwunden haben, wird schwieriger. Seitdem die konservative Volkspartei bei den Wahlen im Mai die absolute Mehrheit erzielte, versucht sie, selbst die bescheidenen Verbesserungen der jüngsten Vergangenheit wieder rückgängig zu machen.

Erst im Frühjahr hatte das spanische Parlament - gegen die Stimmen der damaligen Minderheitsregierung José-Maria Aznars - eine Änderung des Ausländergesetzes beschlossen. Wer einen zweijährigen Aufenthalt in Spanien nachweisen konnte, erhielt die Möglichkeit, seinen Status bis Ende Juli zu legalisieren. Wer hingegen keinen Arbeits- oder Mietvertrag hatte, blieb chancenlos. Antirassistische Gruppen gehen davon aus, dass etwa 100 000 Personen die Auflagen nicht erfüllt haben und jetzt auf ihre Abschiebung warten.

Doch selbst diese kleine Verbesserung geht der konservativen Volkspartei (PP) zu weit. »Eine Politik der offenen Tür ist unmöglich und unverantwortlich«, erklärte der neue spanische Staatssekretär für Migration, Enrique Fernandez-Miranda, nach dem Wahlsieg der Volkspartei. Ein neuer Gesetzesentwurf, der Anfang August präsentiert wurde, soll die Möglichkeit zur Legalisierung des Aufenthalts wieder abzuschaffen.

Zudem schreibt die PP in dem Entwurf fest, dass MigrantInnen ohne Aufenthaltserlaubnis kein Streikrecht und kein Recht auf gewerkschaftliche Organisation haben. »Dass jemand, der illegal eingewandert ist, das Streikrecht erhält, ist schlicht unmöglich, das gibt es nirgends auf der Welt«, erregte sich der Vizepremier Mariano Rajoy. Nach der Sommerpause soll das Gesetz im Parlament verabschiedet werden.

Doch trotz des Bemühens, die Rechtlosigkeit der Migranten festzuschreiben, kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. So streikten 300 ArbeitsmigrantInnen am 16. August in dem katalanischen Örtchen Alcarrás, nachdem ein Barbesitzer einen Arbeiter angegriffen und dabei gerufen hatte: »Die Schwarzen müsssen getötet werden.« Nachdem die empörten Erntearbeiter gedroht hatten, die Bar anzuzünden, eilte der Bürgermeister herbei und versprach, sich für ein Ende der Diskriminierung einzusetzen.

Seit den pogromartigen Ausschreitungen in El Ejido ist in Spanien die Aufmerksamkeit für die Probleme der ArbeitsmigrantInnen gewachsen. Sowohl prekäre, illegalisierte Arbeitsverhältnisse als auch rassistische Ausgrenzung sind in Spanien - wie in anderen Ländern der EU - ein verbreitetes Problem. »Bei den Hausangestellten und in der Landwirtschaft herrschen Arbeitsbedingungen, die mit dem Arbeitsrecht nichts zu tun haben«, erklärte etwa Almudena Fontecha, im Vorstand des Gewerkschaftsbundes UGT zuständig für Fragen der Migration.

»Dieses Jahr haben wir bereits vier Plantagen wegen Ausbeutung angezeigt«, sagt José del Toro, Sprecher der linken Basisgewerkschaft SOC, in der viele andalusische LandarbeiterInnen organisiert sind. »Es gibt überhaupt keine Arbeitsverträge für die MigrantInnen.« Eine Studie des Institutes Provenir für die Internationale Organisation für Arbeit (ILO) stellt fest, dass die diskriminierenden Praktiken gegen Migranten in spanischen Firmen alltäglich seien. Im nordspanischen La Rioja etwa schlafen die TagelöhnerInnen während der Weinernte in den Garagen neben den Landmaschinen. Es gibt weder freie Tage noch geregelte Arbeitszeiten, solange geerntet wird.

Gleiches gilt auch für die Illegalen, die auf dem Bau beschäftigt sind und häufig Opfer von Arbeitsunfällen werden. Nach Informationen der spanische Organisation SOS Rassismus würden die meisten Unfälle erst gar nicht bekannt. Auch die - meist weiblichen - Hausangestellten sind miserablen Bedingungen ausgesetzt. Zwar erhalten viele von ihnen einen Vertrag, doch der garantiert in der Regel gerade mal den gesetzlichen Mindestlohn: 470 Euro pro Monat. Hinzu kommt bei diesen Arbeitsverhältnissen die Schutzlosigkeit. »Wir erhalten viele Beschwerden über sexuelle Belästigungen. Das Problem ist, dass die Arbeitsaufsicht niemals in einem Privathaushalt aktiv wird«, meint Fontecha.

Die neuen Ausländergesetze und die restriktiven Einwanderungskontrollen schaffen daher für die spanischen Betriebe ebenso profitable wie prekäre Ausbeutungsverhältnisse - und tragen damit in einem nicht unerhebliche Maße zu den wirtschaftlichen Erfolgen bei, derer sich die konservative Regierung so gerne rühmt. Das bestätigt auch Mohamed Dardadi, Sprecher der MigrantInnenorganisation Atime für Katalonien. »Jeden Tag erreichen uns Beschwerden aus verschiedenen Orten«, sagt Dardadi. »Zum Beispiel aus einer Textilfabrik, in der Männer und Frauen aus Marroko zu schlechten Bedingungen ausgenutzt werden. Sie arbeiten täglich zehn Stunden und werden nur für zwei bezahlt.«