Neuwahl-Referendum

Meciar macht mobil

Der slowakische Ex-Premier will vorzeitige Neuwahlen. Doch seine Chancen stehen schlecht - noch.

Er gilt als skrupellos und machtbewusst. Vladimir Meciar, der Ex-Premier der Slowakei, wird selbst von seinen Sympathisanten nicht gerade als Feingeist angesehen. Nach seiner Niederlage bei den Wahlen vor zwei Jahren war er lange Zeit von der politischen Bühne des Landes verschwunden. Jetzt plant er sein Comeback. In den vergangenen Wochen sammelte der autoritäre Chef der Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) mehr als 700 000 Unterschriften, die ihm zum Wiedereinzug ins Palais des Premierministers in Bratislava verhelfen sollen.

Eigentlich braucht Meciar nur 350 000 Unterschriften, um ein Referendum über vorverlegte Neuwahlen in der Slowakei durchzusetzen, doch der Mann sorgt vor. Immerhin geht es darum, die Regierung abzuwählen und sich nach dem Verlust des Amtes im Jahre 1998 abermals als starker Mann der Slowakei zu profilieren. Neuwahlen würden planmäßig erst im September 2002 stattfinden, doch Meciar will nicht so lange warten, sondern die linksliberale Koalition in Bratislava gleich beseitigen. Er weiß, dass er seinen politischen Zenit längst überschrittten hat und die juristischen und politischen Sünden aus seiner Regierungszeit ihm noch immer anhängen.

Erst Ende August beschloss das slowakische Parlament, Meciars ehemaligen Geheimdienstchef, den jetzigen HZDS-Abgeordneten Ivan Lexa, der Justiz auszuliefern und verhaften zu lassen. Einziges Problem: Der Mann weilt mit unbekanntem Aufenthaltsort irgendwo im Ausland. Erst vor kurzem hat man ihn auf der karibischen Insel Grenada entdeckt, nun berichtet die slowakische Botschaft in Südafrika, Geheimdienst-Agenten hätten Lexa am Kap gesehen.

Der Mann denkt gar nicht daran, in die Slowakische Republik zurückzukehren. Lexa wird zur Last gelegt, er habe 1995 den Sohn des damaligen Staatspräsidenten und Meciar-Gegners, Michal Kovac jun., nach Österreich entführen lassen. Die Anweisung, Lexa - so er ausfindig gemacht werden kann - zu verhaften, ist zumindest indirekt auch eine Anklage gegen das gesamte Kabinett Meciar und dessen HZDS. Meciar muss fürchten, von Lexa stark belastet zu werden, sollte der sich allzu sehr in Bedrängnis sehen. Schließlich hatte Lexa nicht aus purer Willkür Kovac jun. entführt, sondern vermutlich auf Anweisung der Regierenden. Umso panischer reagierte auch Meciars ehemaliger Innenminister Gustav Krajci: Die Slowakei werde »von einer Junta von Generälen« regiert.

So wird es von Woche zu Woche für Meciar wichtiger, die Macht wieder zu erringen. Er verzichtete nach den verlorenen Wahlen im September 1998 auf sein Parlamentsmandat und kann sich daher nicht mal mehr auf parlamenarische Immunität stützen.

Dennoch scheint seine Rückkehr unter keinem guten Stern zu stehen. Umfragen zufolge möchten derzeit nur 29 Prozent der Slowaken überhaupt an einem Referendum über vorgezogene Neuwahlen teilnehmen, 55 Prozent erklärten hingegen, sie würden den Wahlurnen fernbleiben. Also wird es voraussichtlich nicht zu Neuwahlen kommen - zumal der im Sommer schwer erkrankte und wieder gesundete slowakische Präsident Rudolf Schuster ebenfalls seine gesamte Popularität in die Waagschale geworfen hatte und mehrmals die Pläne Meciars ablehnte.

Rudolf Schusters Wort gilt derzeit mehr als das jedes anderen slowakischen Spitzenpolitikers. »Dieses Referendum wird misslingen«, ließ er schon vor Wochen aus der Universitätsklinik Innsbruck verlauten. Schuster ist mittlerweile - auch wegen seiner schweren Erkrankung und seiner wundersamen Heilung - so populär, dass bereits solche Aussagen genügen könnten, um das Referendum tatsächlich zu einem Misserfolg zu machen. Er gilt als einer der schärfsten Gegner Meciars und hatte ihn erst im Juni des letzten Jahres bei den Präsidentenwahlen besiegt.

Die Slowaken wissen ganz genau, dass vorzeitige Neuwahlen derzeit schlecht für die Slowakei wären. Die Regierungskoalition befindet sich in einem erbärmlichen Zustand und die einzelnen Parteien sind zerstritten. Premier Mikulas Dzurinda hat Schwierigkeiten, die Streitparteien zu besänftigen, doch sie alle eint ein Ziel: der EU-Beitritt des Landes. Der wäre mit einem autoritären und illegalen politischen Mitteln nicht ganz abgeneigten Premier Meciar nicht zu machen, also wird aus Staatsräson die Zwangsehe aufrechterhalten.

Auch die EU bemüht sich, die von Meciar bedrängte Regierung zu unterstützen. Mitte August besuchte der deutsche Finanzminister Hans Eichel Bratislava und erklärte gegenüber seiner slowakischen Amtskollegin Brigita Schmögnerova, die Slowakei habe »hervorragendes Potenzial«, um die Erwartungen der EU zu erfüllen. Eine Beurteilung, die den Wünschen der Regierung sehr entgegenkommt. Kurz vor Eichels Besuch hatte der stellvertretende Premierminister Pavol Hamzik noch erklärt, dass »der 1. Januar 2004 unser Zieldatum für einen Beitritt zur Europäischen Union ist. Das ist eine sehr realistische Einschätzung.« Doch Hamzik ist ein unverbesserlicher Optimist. Die Slowakei befindet sich noch immer in jener Gruppe der EU-Beitrittskandidaten, die erst im Jahre 2007 der EU beitreten könnten. Mit in der Loser-Runde: Bulgarien, Rumänien, Malta, Lettland und Litauen.

Um jede Unsicherheit auszuschließen, drückt das kleine Land derzeit die für den EU-Beitritt notwendigen Maßnahmen durchs Parlament. Schließlich muss die Regierung bis September 2002 - dem Zeitpunkt der nächsten regulären Neuwahlen - fertig sein. Dann wäre tatsächlich ein Comeback Meciars möglich. Denn dass die derzeitigen Regierungsparteien noch einmal eine Koalition bilden werden, ist mehr als unwahrscheinlich.