Teenie-Magazin »Yam«

Akne ohne Jugend

Das neue Teenie-Magazin Yam will die Bravo der Internet-Generation werden.

Die Weltsicht Pubertierender ist eigentlich immer ziemlich simpel gewesen: Alle Erwachsenen sind gemein, verständnislos und langweilig. Außer Popstars und Bravo-Redakteuren, die als Einzige die Sorgen und Nöte Heranwachsender verstehen. Deswegen war der Donnerstag jahrzehntelang auch der wichtigste Tag der Woche. Die Bravo musste man nicht nur kaufen, um über die neueste Mode, die aktuellen Charts und den heißesten Newcomer informiert zu werden und mitreden zu können, sondern auch wegen der dort abgedruckten und ins Deutsche übersetzten Liedtexte, die sich grundsätzlich mit wichtigen Problemen wie Liebeskummer und Außenseitertum beschäftigen. Und natürlich wegen der Ratgeberseiten. »Kann man vom Küssen schwanger werden?« - »Dürfen meine Eltern meine Post aufmachen?« - »Warum stehen die Jungs / Mädchen nicht auf mich, und was kann ich tun?« lauteten die Generationen von Teenies bewegenden Fragen, die nur in der Bravo beantwortet wurden.

Bis auf einmal alles anders wurde. Und das Bravo-Lesen nicht mehr automatisch zur Pubertät gehörte wie Stepin-Puder und nächtliche Samenergüsse. Die Verkaufszahlen des Blattes nahmen dramatisch ab. Gerade 680 000 Exemplare werden zur Zeit wöchentlich verkauft, dabei hatte man noch vor zehn Jahren gehofft, durch die Ost-Erweiterung des Blattes deutlich mehr Leser zu finden. Der Rückgang resultiert nicht nur daraus, dass es inzwischen zahlreiche andere Teenieblätter wie Mädchen gibt; die Konkurrenz ist umfassender geworden. Was soll man noch mit einem Blatt, in dem keine Teenie-Geheimnisse mehr stehen?

Dass es nicht auf die Größe ankommt, kann man überall anders auch lesen, dass Tattoo-Kettchen und Glücksperlen hoffnungslos out sind, weiß selbst die Oma, und den letzten Jennifer-Lopez-Hit hat man bereits im Englisch-Unterricht übersetzt. Ob Britney Spears' Brüste echt sind oder die Kelly Family sich trennt, sind Fragen, die mittlerweile auch im Spiegel ausgiebig erörtert werden. Über Zlatko kann man alles Wissenswerte bei RTL erfahren, und das Neueste aus der Welt der Stars steht sowieso täglich im Videotext von Viva.

Fast alle Idole, über die man früher in mühevoller Kleinarbeit Informationen zusammentragen musste, haben überdies eigene Internet-Homepages, wo man vom Autogramm bis hin zum Basecap auch gleich alles bequem per Mausklick bestellen kann. Und selbst der abgeschlossene Foto-Roman ist keine exklusive Sache mehr, ihn gibt es mittlerweile in Spezial-Heften.

Nun soll es für die Bravo aber noch schlimmer kommen, jedenfalls, wenn es nach dem Springer-Verlag geht. Der will mit einem Konkurrenz-Blatt auf dem lukrativen Teenie-Markt Fuß fassen. Yam soll etwas ganz Besonderes werden. »Das alte Rezept ðStars, Pickel, PettingÐ lockt bei den Jugendlichen von heute nur noch ein müdes Lächeln hervor«, erklärte Chefredakteur Gerald Büchelmaier vor dem Start der Zeitschrift. Stattdessen wollen die Yam-Macher verstärkt auf Handys und Computergames setzen - bei maximal zwei deutschlandweit tätigen Pickelcremeherstellern scheint die Beschäftigung mit dem Akne-Thema schließlich auch aus Sicht der Anzeigenabteilung wenig Sinn zu machen.

Bei Yam gibt es daher drei Seiten, die sich aussschließlich mit den Neuen Medien beschäftigen. Dort werden so bahnbrechende Dinge veranstaltet wie der Yam-Test, bei dem die Webseiten zweier Bands miteinander verglichen werden. Ein paar News, ein kleines Glossar, eine Spalte mit Fragen und Antworten rund um den Computer - das war's auch schon aus der Nichtpickel-Abteilung. Ansonsten geht es aber im Großen und Ganzen um Stars und Petting. Im abgeschlossenen Fotoroman mit halbnackten Jungs und angezogenen Mädchen siegt am Ende die Liebe, auf der Witze-Seite steht Bewährtes (»Was sucht eine Blondine im Ketchup? Heinz!«) oder Nicht-Komisches (»Wie heißt die TV-Serie ðGute Zeiten, schlechte ZeitenÐ auf türkisch? Aldi auf, Aldi zu!«), und der Comic »Rufus« ist ausgesucht zotig.

»Welches Sternzeichen passt zu dir?« heißt es im Yam-Test, und weil das allein noch nicht reicht - schließlich hat man sich bereits in jedem anderen Printmedium über die Do's and Dont's der Astrologie informieren können -, folgt gleich auch noch der Test »Sind Geheimnisse bei dir gut aufgehoben?«. Und der enthält eine echte Neuerung: Umständliches Punkteausrechnen entfällt, man muss nur den unter den Antworten stehenden Pfeilen folgen, um herauszufinden, ob man ein »Secret Bunker« oder eine »Plaudertasche« ist.

Und der Sex? Wo bleibt der? Im »Sextalk« wird geklärt, wie man sich beim Geschlechtsverkehr richtig bewegt (»Wenn du magst, kannst du dieses Rauf und Runter mit Hüften und Becken auch für dich allein trainieren: Leg dich aufs Bett, mit hochgezogenen Beinen, und bewege den Unterleib auf und ab, mal schneller, mal langsamer«) und was bei unterschiedlich großen Brüsten zu tun ist. Eine Seite weiter erzählen junge Paare von ihrem ersten Mal, und im intimen Starinterview muss sich Tim Sander von »GZSZ« dummen Fragen stellen. Dabei hat er noch Glück gehabt, denn es hätte ihm auch ergehen können wie dem »Top of the Pops«-Moderator Ole Tillmann, der den »intimen Fragebogen« ausfüllen musste. »Feinripp oder Spitze, auf welche Dessous stehst du bei Frauen?«, »Wie viele intime Partner hattest du?« und »Wie wichtig ist dir Sex?« - Ole zieht sich leidlich aus der Affäre, was jedoch nicht verhindert, dass die Überschrift »Ole Oh la la« lautet.

Überhaupt sind für ein Blatt, in dem es ausdrücklich nicht um Sex und Stars gehen soll, viele Stars vertreten. Robbie Williams darf im Exklusiv-Interview erklären, wie es ist, ein Superstar zu sein, und die Kellys erklären, dass sie sich zwar definitiv nicht trennen werden, aber auch erst mal nicht mehr auftreten, was schon lange klar war, und dann kommen die schlimmsten Seiten, die sich Jugendzeitschriftsredakteure je einfielen ließen: »Comedy total« heißen sie und enthalten neben dem »Fakefoto der Woche« (in dieser Ausgabe: Britneys Hochzeit) und der Rubrik »Netfishing«, in der mit der zweiten Folge der Weicheier-Synonyme das Allerouteste überhaupt abgehandelt wird, auch noch das »ficktive (!) Interview«.

Dort werden Stars unerhört komische Dinge in den Mund gelegt. Kim von der Band Echt lassen die Yam-Macher über seine Trennung von Enie van der Maiklokjes sagen: »ðIrgendwann meinte ich genervt, sie könne ja mal Klopapier zwischen ihre Brüste stecken.Ð - ðWiesoÐ, fragte sie, ðwie soll denn dadurch der Busen größer werden?Ð Da meinte ich: ðNaja, bei deinem Hintern hat's ja auch funktioniert!Ы

Die Bravo-Macher werden sich über die Konkurrenz von Yam keine allzu großen Sorgen machen müssen.