Angekündigter Rücktritt von Präsident Fujimori

Montesinos' mächtige Männer

Perus Präsident Fujimori verspricht wegen eines Korruptionsskandals Neuwahlen und seinen Rücktritt. Geknickt ist er deswegen noch lange nicht.

Die Unterstützung der Armee hat sich Alberto Fujimori öffentlich bescheinigen lassen, und nach dem »Treueschwur« der Generäle scheint Perus Präsident sogar neuen Mut geschöpft zu haben. Er habe alles im Griff, erklärte der 62jährige am vergangenen Mittwoch.

Es war sein erster öffentlicher Auftritt nach seiner überraschenden und spektakulären Fernsehansprache am 16. September. Damals hatte ein sichtlich zerknirschter Fujimori Neuwahlen angekündigt, bei denen er nicht kandidieren werde.

Seither war über das Prozedere spekuliert worden, das, wie sollte es anders sein, Fujimori selbst zu bestimmen gedenkt. Die Wahl, so der Regierungschef auf der Pressekonferenz, könne im März 2001 durchgeführt werden. Er selbst werde die Präsidentschaft am 28. Juli 2001 seinem Nachfolger übergeben. Bis dahin bleibe er im Amt.

Doch an der Frage, wer in Lima tatsächlich alles im Griff hat, scheiden sich die Geister. Fujimori ließ einige Tage verstreichen, bevor er sich wieder in der Öffentlichkeit zeigte. Treffen im Hauptquartier des Geheimdienstes (SIN), wo Fujimori der regierungskritischen Tageszeitung La República zufolge eine Nacht verbrachte, sowie Verabredungen mit dem Generalstab zeigen, dass er nicht agiert, sondern reagiert.

Seinem Versprechen, den SIN zu deaktivieren, ließ er bisher keine Taten folgen. Zudem hält der Präsident an seinem Berater und wahren Geheimdienstchef Vladimiro Montesinos weiterhin fest. Er habe zur Befriedung des Landes beigetragen und müsse vor willkürlichen Angriffen geschützt werden, so Fujimori am Mittwoch.

Ein bezeichnender Satz, denn niemand anderes als Montesinos ist für die politische Krise und Fujimoris Rücktritt in Raten verantwortlich. Montesinos hatte sich wie gewohnt bei der Geldübergabe an den Parlamentsabgeordneten Luis Alberto Kouri filmen lassen. Kouri, ein Abgeordneter der Oppositionsbewegung Perú Posible, hatte sich seinen Wechsel zum Fujimori-Wahlbündnis Perú 2000 mit 15 000 US-Dollar bezahlen lassen. So wie Kouri ließen sich weitere elf Abgeordnete ihren Übertritt zu Fujimori vergüten, wodurch sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu Gunsten der amtierenden Regierung veränderten.

Verantwortlich dafür, dass Abgeordnete umgedreht wurden, war Montesinos. Er ließ die Geldübergabe filmen, um Beweismaterial gegen die Abgeordneten zu haben. Rund 2 500 Videofilme mit belastendem Material gegen Perus Elite soll Montesinos im Laufe der letzten zehn Jahre zusammengetragen haben.

Doch das Band mit der Geldübergabe an Kouri erfüllte nicht seinen Zweck. Im Gegenteil. Oppositionspolitiker Fernando Olivera spielte es dem einzigen unabhängigen Fernsehsender, dem Canal N, zu. Das Band wurde gesendet und brachte den Fujimori-Clan in die Defensive. Weitere peinliche Videoaufnahmen sollen sich in den Händen der Opposition befinden. Vor dieser Beweislast soll Fujimori kapituliert haben.

Nach Angaben der regierungsnahen Tageszeitung Expreso haben Armeeangehörige die Kassetten der Opposition ausgehändigt. Die regierungskritische Tageszeitung Liberación macht hingegen den Oberkommandierenden des Heeres, General José Villanueva Ruesta, für die Verteilung des belastenden Materials verantwortlich. Unmut über die wachsende Machtfülle des Präsidentenberaters nennt die Zeitung als Grund für dieses Vorgehen. Das mochte Olivera nicht bestätigen. Er gab schlicht an, dass er das Band von Patrioten erhalten habe und dass er niemanden in Gefahr bringen wolle. Montesinos hatte schließlich der Opposition mit einem Blutbad gedroht, falls ein weiteres Video in Umlauf komme.

Dass Montesinos im Laufe seiner zehnjährigen Beratertätigkeit für Fujimori seinen Einfluss systematisch ausgebaut und sich dabei so manchen Feind gemacht hat, ist unstrittig. Erinnert sei nur an den ehemaligen Generalstabschef Nicolás de Bari Hermoza, der bis zur Geiselnahme in der japanischen Botschaftsresidenz durch die Guerilla-Gruppe MRTA die Nummer drei in der peruanischen Machthierarchie nach Montesinos und Fujimori war und 1998 abserviert wurde. Oder an Geheimdienstmitarbeiter, die mit Einschüchterung und Terror gegenüber der Opposition nicht einverstanden waren. So etwa Leonor la Rosa, die belastende Geheimdienstpläne an die Presse weitergegeben hatte und daraufhin gefoltert und vergewaltigt wurde.

Montesinos konnte sich bisher allerdings in brenzligen Situationen immer aus der Affäre ziehen. Unantastbarkeit verschaffte er sich durch seine zahlreichen Dossiers mit belastendem Material, die er über Persönlichkeiten der politischen wie militärischen Nomenklatur anlegte - auch über den Präsidenten.

Weiteren Rückhalt gibt ihm seine Personalpolitik. Zahlreiche Jahrgangsgenossen von der Militärakademie Chorrillos hievte er in wichtige militärische Führungspositionen. Acht Divisionsgeneräle und 18 Brigadegeneräle sind auf seinen Wink hin befördert worden. Ein peruanischer Militärexperte verglich gegenüber der spanischen Tageszeitung El País »den Einfluss des SIN und damit Montesinos auf das Militär mit jenem, den der KGB in der Stalin-Ära auf die Rote Armee ausübte«. Angesichts dieser Machtfülle kann es kaum verwundern, dass der in Waffen- und Kokaingeschäfte verwickelte Rechtsanwalt Montesinos bisher nicht verhaftet worden ist, obwohl dies von der Opposition gefordert wird.

Montesinos Aufenthaltsort ist derzeit unbekannt. Bekannt ist hingegen, dass er in Panama um Asyl nachgefragt haben soll - ohne Erfolg. Drei seiner Vertrauten sollen mit Aktenkoffern voller Dokumente das Land verlassen haben - eine Rückversicherung für den in Bedrängnis geratenen Geheimdienstmann?

Fujimoris Handlungsspielraum ist somit begrenzt. Das weiß auch Alejandro Toledo, Präsidentschaftskandidat der Opposition, der aus den USA zurück nach Lima kam und die Opposition einen will. Für Toledo ist Montesinos aus den Verhandlungen mit Fujimori und den Militärs als Sieger hervorgegangen. Fujimori sei die Kontrolle entglitten, verkündete er auf einer Pressekonferenz Ende letzter Woche in Lima. Er forderte Neuwahlen innerhalb der nächsten vier Monate sowie eine Übergangsregierung.

Auch internationale Gremien wie die Organisation Amerikanischer Staaten oder Human Rights Watch sehen darin den richtigen Weg. Vizepräsident Francisco Tudela und Ombudsmann Jorge Santistevan, ein Anwalt mit umfangreicher UN-Erfahrung, werden als mögliche Übergangspräsidenten genannt.

Doch derzeit haben solche Pläne nur spekulativen Charakter. In zwei Erklärungen haben die Militärs, Montesinos und Fujimori nach Informationen der La República vereinbart, dass Montesinos während der anvisierten »Deaktivierung« des Geheimdienstes weiter im Amt bleiben soll und nicht der Justiz überstellt wird. Zudem unterstützten die Generäle die Planungen Fujimoris zur Übergabe der Regierungsgeschäfte am 28. Juli des kommenden Jahres.

Damit hätte Fujimori Zeit, um seinen Nachfolger in Ruhe aufzubauen und dann seinen Thron zu räumen. Eine Aussicht, die kaum jemandem in Peru behagt. Unternehmer warnen vor der Paralysierung des Landes, die Gewerkschaften haben für den 28. September einen nationalen Aktionstag angekündigt. Für Generalsekretär Juan José Gorriti muss es eine permanente Mobilisierung auf den Straßen geben, damit Peru sich von der Diktatur befreit. Für den Fall der Nichtauslieferung Montesinos an die Gerichte haben einige Einzelgewerkschaften, so die Transportarbeiter, bereits Streiks angekündigt. Nicht nur sie sehen in Montesinos die Schlüsselfigur für die Zukunft Perus.