Diskussion um Rassismus und Medien

Schwarz auf Weiß

In Südafrika stellt eine Diskussion um Rassismus in den Medien das Selbstverständnis der Gesellschaft in Frage.
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Rassist ist die provokativste Anschuldigung, die gegen mich und meine Kollegen erhoben werden kann. Ich denke nicht, dass Sie sich den Schmerz vorstellen können, den wir vom Beginn der Untersuchung an fühlten.« So begann der Herausgeber der südafrikanischen Tageszeitung Daily Mail and Guardian (M&G) Phillip van Niekerk sein Plädoyer. Er sprach im März vor der Südafrikanischen Menschenrechtskommission (SAHRC), die eine Untersuchung über »Rassismus in den Medien« durchführte.

Van Niekerks emotionale Verteidigung stand stellvertretend für die Haltung vieler liberaler weißer Journalisten, die die Rassismus-Anschuldigungen als ungerecht und demütigend empfanden. Die Untersuchung über medialen Rassismus führte sechs Jahre nach dem Regierungsantritt des ANC zu einer breiten Diskussion über das unbewältigte Erbe der Apartheid, durch die das offizielle Selbstverständnis des Landes als »Gesellschaft ohne Rassenschranken« in Frage gestellt wurde.

1998 hatte die Organisation Schwarzer Rechtsanwälte (BLA) eine Klage vor den SAHRC gebracht, mit der die Zeitungen Sunday Times und M&G beschuldigt wurden, »unterschwelligen Rassismus zu verbreiten«: Insbesondere würden schwarze Afrikaner generell als korrupt charakterisiert. Die BLA bezog sich auf eine Reihe von Korruptionsfällen, die von den beiden Zeitungen aufgedeckt worden waren, was zum Rücktritt einiger vorwiegend schwarzer Regierungsangehöriger geführt hatte. Die BLA warf den Zeitungen nicht vor, falsche Anschuldigungen erhoben zu haben, sondern durch Art und Umfang der Berichterstattung die Demontage schwarzer Elite-Angehöriger betrieben zu haben.

Der SAHRC prüfte die Anschuldigungen und beschloss, eine breit angelegte Untersuchung durchzuführen, die alle Medien des Landes betreffen sollte. Zwei Expertisen wurden in Auftrag gegeben. Insbesondere der im November 1999 veröffentlichte »Braude-Report« führte zu einiger Entrüstung. Die Kulturwissenschaftlerin Claudia Braude kam in ihrer Untersuchung der Texte verschiedener Medien zu dem Schluss, unterschwelliger Rassismus finde sich in allen Medien des Landes. Sie verstieg sich zu der These, dass die Anti-Korruptionsartikel »von Agenten der Desinformation geschrieben wurden, um schwarze Politiker zu diskreditieren und ihnen die Möglichkeit einer Transformation des Landes zu nehmen«.

Damit hatte sie - ohne jegliche Beweise - eine Parallele zu den Desinformationskampagnen des einstigen Apartheid-Regimes gezogen. Außerdem erkannte sie keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Medien wie dem chauvinistischen Burensender Radio Pretoria und den um Objektivität bemühten liberalen Zeitungen, sondern warf diesen vor, »Rassismus nur subtiler zu verpacken«.

Im Februar lud der SAHRC 30 Chefredakteure zu einer mündlichen Anhörung vor. Inwieweit, so lautete die Kernfrage der Untersuchung, reproduzieren die Medien rassistische Stereotype? Denn noch immer wird ein wichtiger Teil der Medien von weißen Journalisten gestaltet, die den größten Teil ihres Lebens in einem erklärtermaßen rassistischen Staat verbracht haben.

John Battersby vom Sunday Independent ging in seiner Stellungnahme vor dem SAHRC am weitesten: »Der gesamte Prozess meiner Sozialisierung während der Apartheid führte zur Übernahme eines rassistischen Wertesystems. Ich musste lernen, ðNicht-RassistÐ zu werden, und ich habe es noch nicht ganz geschafft.« Lakela Kaunda, leitende Redakteurin der Evening Post, berichtete von ihren beruflichen Erfahrungen: »Es gibt Rassismus in den Redaktionen, wo kulturelle Stereotype vorherrschen und die unterschiedliche Wahrnehmung der Realität Kommunikation erschwert. Schwarze Menschen möchten nicht, dass über sie gesprochen wird - sie möchten für sich selbst sprechen.« Paula Frey vom Saturday Star pflichtete ihr bei: »Es ist doch klar, dass ich als schwarze, weibliche Redakteurin eine bestimmte Art zu denken und zu arbeiten habe.«

Die meisten weißen Redakteure wiesen die Vorwürfe zurück. Zwar sei es möglich, dass schlechter Journalismus zu Artikeln führe, die als rassistisch interpretiert werden könnten. Zudem gebe es wegen schlechter Bildung - der Apartheidstaat hatte auch das Bildungssystem als Instrument der Unterdrückung benutzt - noch zu wenige schwarze Journalisten. Der Rassismus-Vorwurf jedoch diene hauptsächlich dazu, Kritiker der Regierung zum Schweigen zu bringen.

Vor allem der im Mittelpunkt der Kritik stehende M&G vertrat unter Verweis auf seine Geschichte diese These. Das Blatt war vor 1994 das Sprachrohr der weißen Apartheidsgegner gewesen und hatte offensiv die Anliegen des ANC vertreten. Heute gilt das 1985 gegründete linksliberale Blatt, das inzwischen zur britischen Guardian-Gruppe gehört, als eine der besten Zeitungen Afrikas.

Die Diskussion um das rassistische Erbe der Apartheid wurde auch auf Parteienebene geführt. Staatspräsident Thabo Mbeki (ANC) nannte im August den weißen Oppositionsführer Tony Leon von der Democratic Alliance (DA) indirekt einen Rassisten. Einige Wochen vorher hatte Leon Mbeki dafür kritisiert, dass er für alle Probleme spezifisch »afrikanische Lösungen« suche. Er bezog sich auf die Aids-Diskussion, in der Mbeki damals westliche Theorien in Frage gestellt hatte. Leon fragte, ob Mbeki »Schlangenöl-Therapien« durchführen wolle, um Aids-Kranke zu heilen. Mbeki verstand dies als rassistischen Witz, der ihn und die auf natürlichen Heilmitteln basierende afrikanische Medizin diskreditieren sollte.

Die vom ANC forcierte Rassismus-Diskussion dient jedoch auch tagespolitischen Zielen. Im November finden Regionalwahlen statt, und der ANC fürchtet, dass seine vom langsamen wirtschaftlichen Transformationsprozess entäuschten Wähler zuhause bleiben könnten. Mbeki selbst charakterisierte das Land als »gespalten in zwei Nationen: die reichen Weißen und die armen Schwarzen«. Die Verbündeten des ANC - der Gewerkschaftsverband Cosatu und die kommunistische SACP - sind unzufrieden mit Mbekis wirtschaftsliberaler Politik. Durch das Ausspielen der so genannten Rassen-Karte könnte die ANC-Elite nun versuchen, die Reihen wieder zu schließen - um ihren schwarzen Kritikern zu zeigen, wo die wahren Feinde zu suchen sind. Denn längst gibt es auch unter den Schwarzen große soziale Unterschiede, die der ANC nicht thematisieren möchte.

Doch die Tendenz, weißen Rassismus als schwarzes Grundproblem zu betrachten, könnte auch einen gegenteiligen Effekt haben. Njabulo Ndebele, Vizepräsident der Universität Kapstadt, merkte zu einer Anfang September vom SAHRC veranstalteten Rassismus-Konferenz an, dass »die Sorge um den Rassismus eine Verletzlichkeit reflektiert, die das Gefühl schwarzer Minderwertigkeit wieder aufleben lassen könnte - eine Position, die wir vor sechs Jahren verlassen haben, als wir eine schwarze Regierung gewählt haben«.