Krise beim Zentralorgan der französischen KP

»Humanité« muss sein

Noch eine linke Tageszeitung in der Krise. Das ehemalige Zentralorgan der französischen KP klagt über Leserverlust und konzeptuelle Schwierigkeiten - nun soll saniert werden.

Die linksliberale Konkurrenz weiß Bescheid: »L'Humanité verlässt den roten Bereich nicht«, so überschrieb Libération jüngst einen Artikel auf ihrer Medienseite. Und das Wirtschaftsmagazin Valeurs actuelles schrieb herablassend: »Das Dilemma von L'Humanité liegt darin, dass sie im doppelten Sinne aus dem Roten herauskommen müsste.« Die Existenz der kommunistischen Tageszeitung L'Humanité ist bedroht: Es mangelt am Geld. Aber wenn es nur das wäre, dann könnten sich die Verantwortlichen beinahe beruhigt zurücklehnen. Realistischer ist die Bestandsaufnahme der Tageszeitung Le Monde: »Der Kommunistischen Partei fehlt es an Ideen, Leitungskraft und an Geld.« Und selbst das ist noch nicht alles, auch die Leser der ehemaligen Parteizeitung werden immer weniger.

L'Humanité - deren Titel sich sowohl mit »Die Menschheit« als auch mit »Die Menschlichkeit« übersetzen lässt - ist ein rotes Traditionsmedium. Im Jahr 1904 wurde sie von dem Sozialistenführer Jean Jaurès gegründet und ging bei der Spaltung der Sozialisten im Dezember 1920 zusammen mit der Parteimehrheit zum kommunistischen Flügel über. L'Huma wurde zum Sprachrohr und alsbald zum Zentralorgan des Parti Communiste Français (PCF). Ihre Sternstunde hatte L'Humanité am Ende des Zweiten Weltkriegs. 1946 erhielt die Partei 28 Prozent der Stimmen. Parallel dazu wurden die Zeitungen und Zeitschriften der kommunistischen Presse, mit einer Auflage von über einer Million Exemplaren, zu Massenmedien. Der weitaus wichtigste Titel war L'Humanité. Namhafte Intellektuelle und Kulturschaffende schrieben in der Zeitung, und Pablo Picasso, der der KP 1944 beigetreten war, zeichnete regelmäßig für die Titelseite. Bis in die Siebziger genoss L'Humanité ein erhebliches Prestige.

Doch mit dem Abstieg des französischen Parteikommunismus, gepaart mit dem einsetzenden Prestigeverlust der Länder des real existierenden Sozialismus, begann auch die Agonie der Humanité. Die Zeitung wurde mehr und mehr zur Verkünderin dogmatischer Lehrsätze und Gewissheiten.

Mitte der Neunziger leitete die KP eine Serie innerparteilicher Reformen ein, als sie auf der Basis des proklamierten »Bruchs mit dem sowjetischen Modell« einen Neuanfang versuchte und sich den sozialen Bewegungen öffnete. L'Huma begleitete diesen Prozess. Als sich eine Reihe sozialer und politischer Protestbewegungen gegen die konservative Regierung Juppé formierten, hatte die Zeitung eine wichtige Rolle als Informationsmittlerin und Mobilisierungsträgerin.

Doch 1997 trat die KP in die Regierung ein. Erste Weichenstellungen der Regierung Jospin wurden zum Test für die Zeitung. Und sie enttäuschte einen beträchtlichen Teil der Leserschaft, denn die Redaktion versuchte, die neuen Realitäten schönzureden. Die Leserzahl bröckelte mehr und mehr ab. Nach einer Auflage zwischen 60 000 und 70 000 Exemplaren Mitte der Neunziger - bei etwas über 100 000 am Wochenende - waren im Durchschnitt des Jahres 1999 nur noch 54 000 Leser übrig, für das laufende Jahr 2000 ist gar nur noch von 45 000 die Rede.

Im März 1999 gab es ein erstes Rettungsprogramm. Eine Veränderung der Form sollte helfen, neue Leserschichten zu erschließen. Anlässlich der umfassenden Neugestaltung der Zeitung verschwanden der Untertitel (»Zeitung der PCF«) ebenso wie Hammer und Sichel. Bunter, aufgelockerter, in etwas größerem Format sollte die Zeitung erscheinen. Zwischen März und Mai 1999 konnte der negative Trend tatsächlich vorübergehend umgekehrt werden. Doch alsbald ging es wieder bergab - nach zwei Monaten war die Anziehungskraft des äußerlich Neuen bereits wieder dahin.

Innerhalb der Redaktion stehen sich zwei Vorstellungen gegenüber, wie die Zeitung gemacht werden sollte. Die älteren Journalisten verfügen oft über keine journalistische Ausbildung, sondern sind mit ihrer KP-Mitgliedskarte als hauptsächlicher Qualifikation eingetreten. Sie wollen eine Richtungszeitung, obwohl sie sich der Schwierigkeit bewusst sind, dass es die »Linie« im alten Sinne nicht mehr gibt. Die jüngeren Redaktionsmitglieder verfügen meist über den Abschluss einer Journalistenschule, sind dafür oft nicht in der Partei. Viele unter ihnen würden am liebsten einfach eine normale Zeitung machen.

Natürlich läuft nicht alles schlecht. Ein paar Male ist es der Humanité in den letzten Monaten gelungen, Themen in der französischen Medienlandschaft durchzusetzen. Das gilt für die Enthüllungskampagne, die sie im Frühjahr zu den Geschäftspraktiken großer Versicherungskonzerne - die Behinderte oder Aids-Kranke als Kostenfaktor vom Versicherungsschutz ausschließen - geführt hatte. Zweifelsohne verdienstvoll ist auch die andauernde Informationskampagne, die L'Huma seit zwei Monaten zur jüngeren französischen Vergangenheit, dem massiven Einsatz von Folter im Algerienkrieg, führt. Das Thema ist inzwischen sogar im Parlament gelandet, wo über die Frage einer offiziellen Entschuldigung Frankreichs debattiert wird.

Trotz dieser Erfolge überwiegen die Probleme der Zeitung. Im November zog die Parteiführung die Notbremse: Bei 8,6 Millionen Francs lag der Verlust im Jahr 1998, die 29 Millionen, die für 1999 ausgewiesen werden, konnten nur durch den Verkauf des alten Redaktionssitzes in der Pariser Rue Poissonnière aufgefangen werden. Für das laufende Jahr werden die Verluste mit 30 Millionen und für 2001 mit mindestens 35 Millionen angesetzt. »Die finanzielle Zukunft dieser Zeitung ist nicht gesichert. Und ich spreche nicht von einer fernen Zukunft, sondern von den nächsten sechs oder noch weniger Monaten«, sagt Michel Laurent, Vorsitzender des Aufsichtsrats von L'Huma, der die KP vertritt, den einzigen Aktionär.

Die Partei bietet der Zeitung an, ihr jährlich drei Millionen Francs (500 000 Euro) zuzuschießen - unter der Bedingung, dass diese ihre Bilanz in die schwarzen Zahlen bringt, ohne auf eine Erhöhung der Verkaufsziffern zu setzen. Entlassungen stehen daher an, von 40 ist bisher die Rede (bei 300 Mitarbeitern, darunter 70 Journalisten), und auch von einer »Harmonisierung der Lohnpolitik im Sinne des tatsächlichen Werts der Arbeitsleistung«. Zugleich hat die Partei die drei führenden Köpfe der Zeitung (Chefredakteur, Generaldirektor und Verlagschef) ausgetauscht.

Die künftige Entwicklung der Zeitung soll in zwei Richtungen gehen. Einerseits soll, auf finanzieller Ebene, das Kapital der Zeitung - das bisher zu 100 Prozent der KP gehört - für andere Teilhaber geöffnet werden. Die Partei soll eine Sperrminorität von 40 Prozent behalten, weitere Anteile sollen durch eine Lesergesellschaft, durch die Mitarbeiter und eine Genossenschaft (an der Anteile verkauft werden) übernommen werden. Und schließlich sollen zehn Prozent über eine »Investment-Gesellschaft Humanité Pluralismus« privaten Investoren angeboten werden, etwa anderen Medienunternehmen.

Inhaltlich soll die Zeitung politisch und redaktionell wieder stärker unter die Fuchtel der Partei genommen werden, wobei zugleich beteuert wird, die Partei sei »nicht Eigentümerin des Kommunismus«, und das politische Projekt solle mit anderen Akteuren geteilt werden. »Es« werde der Zeitung vorgeworfen, hieß es in einem Text von Michel Laurent, den Humanité dokumentierte, dass sie die Partei nicht mehr »als starken redaktionellen Existenzzweck« behandele. Es sei jedoch »ein Ausweg aus der Krise möglich«, unter anderem wegen der steigenden »Sympathie für die Partei, deren Strategie anfängt, besser verstanden zu werden«.

Gleichzeitig erklärte ein Journalist der Humanité gegenüber Libération, der aktuelle KP-Chef wünsche sich eine Zeitung, die stärker die Sichtweise der Partei vermittele, »vor allem in Wahlperioden«. Man darf sich auf den Versuch einer Quadratur des Kreises gefasst machen. Eine Anlehnung an das mediale Einerlei soll vermieden werden, aber zugleich muss zu scharfe Kritik an der Regierung ebenfalls unterbleiben - denn ansonsten stünde die Zeitung alsbald in offenem Widerspruch zur Haltung ihrer Partei in der Regierung.