Kicker des Jahrhunderts

Es kann nur einen geben

Jeder weiß, dass Pelé der beste Fußballspieler aller Zeiten und also auch des 20. Jahrhunderts ist. Man hat es oft genug gehört und gelesen. Und da der Fifa derzeit die museale Aufbereitung des Fußballs besonders am Herzen liegt, sie seit einigen Jahren bestrebt ist, in einer Ruhmeshalle große Spieler und Mannschaften für die Nachwelt zu konservieren, lag es nahe, Pelé offiziell den Titel des besten Fußballers des Jahrhunderts zu verleihen.

Ganz demokratisch sollte das gemeine Volk in einer Abstimmung via Internet entscheiden, dass Pelé der Beste ist. Zum Verdruss der Fifa-Funktionäre wurden aber nur 23 386 Stimmen für Pelé abgegeben, ganze 16 Prozent. Schlimmer noch, derjenige, der mit 53,6 Prozent die meisten Stimmen erhielt, hieß Diego Armando Maradona, jener mit Fidel Castro befreundete Kokser, der bei der Fifa überhaupt nicht wohl gelitten ist.

Es gab einige Erklärungen für das Wahldebakel. So wurde darauf verwiesen, dass es in Argentinien eine gut organisierte Internet-Gemeinde gebe, während in Brasilien niemand Bescheid gewusst habe, und Afrika mit seinen vielen Pelé-Fans wegen mangelnder technischer Voraussetzungen von der Wahl praktisch ausgeschlossen war. Außerdem wurde auf Maradonas Internet-Site Aufklärungsarbeit zum Abstimmungsverhalten geleistet. Nicht jedes Individuum verfüge über eine Stimme, sondern jede e-mail-Adresse, weshalb jeder sein Stimmpotenzial durch Einrichtung neuer Adressen nach Belieben ausbauen könne.

Was tun, was tun? fragten sich die Fifa-Funktionäre. Man wollte sich von diesem Fauxpas der Wähler keineswegs die Feier verderben lassen. Um sich alle Optionen offen zu halten, wurden zwei weitere Umfragen veranstaltet: eine unter den Lesern des Fifa-Magazins und eine unter so genannten Experten, im Wesentlichen ehemaligen Stars der Branche. Hier kam man unweigerlich zum richtigen Ergebnis, in beiden Umfragen gewann Pelé. Damit war allerdings noch nicht geklärt, wer jetzt in welcher Form am 11. Dezember in Rom auf der Fifa-Gala prämiert werden sollte.

In den Tagen vor der Ehrung wurden von Fifa-Offiziellen unterschiedliche Ideen ventiliert. Ein Vorschlag sah vor, den Titel zu teilen. Maradona hatte jedoch für diesen Fall gedroht, dass er dann gar nicht erst zur Ehrung kommen wolle. Wenn überhaupt jemand den Preis mehr als er verdient habe, dann seien das seine Töchter. Einer anderen Variante zufolge sollten gleich drei Fußballer als beste geehrt werden, einer für die Zeit vor 1954, Pelé für die Epoche von 1954 bis 1974 und Maradona für die letzten 25 Jahre.

Am Tag vor dem großen Ereignis schien sich ein Kompromiss anzubahnen, als Fifa-Präsident Joseph Blatter erklärte, Maradona und Pelé würden eine Auszeichnung erhalten: Maradona den Preis der Jugend und Pelé den der Fußballfamilie. Am großen Tag selbst hatten sich dann die Akzente leicht verschoben. Während man Maradona mit dem Trostpreis der Internet-Trophäe abspeiste, wurde Pelé zum besten Spieler des Säkulums gekürt. Maradona, der dieses böse Spiel nicht mit guter Miene begleiten wollte, hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon von den Feierlichkeiten verabschiedet.

Immerhin hat die Fifa eingesehen, dass die von ihr erzeugte Konfusion keinen guten Eindruck in der Öffentlichkeit machte. In hundert Jahren soll nun definitiv nur ein Spieler zum Jahrhundertbesten ernannt werden.