Durchmarsch der Neoliberalen in der grünen Bundestagsfraktion

Grün ist die Mitte

Der Traum ist aus: Eigentlich hätte Margareta Wolf Anfang Januar vom Bundestag ins Wirtschaftsministerium wechseln sollen. Doch ein Machtwort des Kanzlers machte die Ambitionen der Grünen vorige Woche zunichte. So bleibt die rot-grüne Arbeitsteilung vorerst gewahrt: Staatssekretär Siegmar Mosdorf (SPD) kümmert sich im Ministerium von Werner Müller um mehr Popularität bei den Gewerkschaften, und Wolf schärft als wirtschaftspolitische Sprecherin weiter das neoliberale Profil in der Grünen-Fraktion.

Den Durchmarsch der grünen Wirtschaftsradikalen in die Ministerien verhindern wird Schröder auf Dauer freilich nicht. Zu stark geworden ist die ordoliberale Avantgarde in der Bundestagsfraktion - und ihr Ansehen bei Industrie und Mittelstand. So erhielt Fraktionschef Rezzo Schlauch für sein im November gemeinsam mit Wolf erarbeitetes Papier zur Öffnung des Tarifvertragsrechts den ungeteilten Beifall der deutschen Kapitalvertreter: Positionen »sehr nahe bei denen der Arbeitgeber« attestierte BDA-Präsident Dieter Hundt, und Hans-Olaf Henkel, Chef des BDI, sah in dem grünen Affront gegen die Gewerkschaften einen wichtigen Schlag gegen das bundesdeutsche »Tarifkartell«. Christine Scheel schließlich war letzten Monat die erste Grüne, die den Mittelstandspreis verliehen bekam.

Gute Gründe also, den Nachwuchs-FDPlern mit wenigstens einem Staatssekretärposten für ihre Verdienste um den Standort D zu danken. Doch 15 Wochen vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg setzt Schröder auf Abgrenzung von den Ökos - durch sozialstaatliche Rhetorik. »Oskar heißt jetzt Gerhard«, schrieb letzte Woche beispielsweise der stern, und der parteilose Wirtschaftsminister Müller schwafelte im Zusammenhang mit der Änderung des Betriebsverfassungsgesetztes gar von den gerechtfertigten Forderungen der Gewerkschaften an eine »Arbeiterregierung«.

Mit den Realitäten der Neue-Mitte-SPD nichts zu tun hat neben solchem Unfug auch die Warnung Oswald Metzgers an die Sozialdemokraten, sich auf ein »Rollback« in Richtung der Gewerkschaften einzulassen. Politisch jedoch trifft die zweite Speerspitze des neoliberalen »Duo infernale« (Schröder über Metzger/Scheel) ins Schwarze: Nach dem Bankrott in der Atom- und Sicherheitspolitik blasen die grünen Neoliberalen zum letzten Angriff auf die verbliebenen Bastionen des Sozialstaats. Ungenierter noch als rechte Sozialdemokraten setzen Scheel, Wolf, Metzger und Schlauch vollends auf den Markt, haben sie doch angesichts der Konkurrenz zu PDS und SPD bei Gewerkschaftern ohnehin nichts zu verlieren.

Dass Schröder abgesehen davon spätestens mit dem Rücktritt Lafontaines die Politik gemacht hat, die sich auch Metzger wünscht, ist offensichtlich. Drei Monate vor der Neuwahl der Parlamente in Mainz und Stuttgart, wo die FDP jeweils mitregiert, soll den Stamm- und Wechselwählern das Modernisierer-Image noch einmal nahe gebracht werden.

Gut möglich also, dass künftig jenes Begriffsquartett prägend für die Grünen sein wird, das der umweltpolitsche Sprecher Reinhard Loske seiner Partei in der letzten Zeit verordnete: »ordoliberal, wo es um den Wettbewerbsrahmen der sozial-ökologischen Marktwirtschaft geht; tolerant, wo es um Minderheiten geht; egalitär, wo es um Bildungschancen und gesellschaftliche Teilhabe geht; wertkonservativ, wo es um die Bewahrung der Schöpfung und die Förderung von sozialer Verbindlichkeit geht«. Und sollten sich 2002 noch genügend Leute finden, die Grün wählen, wird Wolf sicherlich Staatssekretärin.