»Ausländer raus« im Sport

Der Ball ist deutsch

Der Beschluss, unterhalb der ersten Ligen keine Ausländer mehr spielen zu lassen, stößt auf bemerkenswert wenig Kritik.

Einer der bislang schärfsten Kritiker des Beschlusses, Profisportlern aus Ländern, die nicht zur EU gehören, künftig keine Verträge mehr unterhalb der jeweils ersten Liga anzubieten, ist, man muss es leider so deutlich sagen, Klaus Kinkel. »Ausländer raus«, schreibt der Ex-Außenminister im Kicker, »kann und darf keine Lösung sein für die Nachwuchsprobleme im deutschen Spitzensport.«

Ansonsten ist in Deutschland eher Einverständnis mit dem Beschluss der Innen- und Sportministerkonferenz festzustellen, der erst jüngst ins öffentliche Bewusstsein rückte. Da kündigte nämlich der Freistaat Sachsen an, ab sofort die neue Regelung anzuwenden. Es geht um die »Neuregelung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an ausländische Berufssportler und Berufstrainer im Rahmen der Arbeitsaufenthaltsverordnung«.

Diese so zu ändern, dass Afrikaner, Osteuropäer und andere Nicht-EU-Ausländer nicht mehr in Ligen von der Zweiten Liga an abwärts spielen dürfen, hatte die Konferenz der Innenminister (IMK) bereits am 5. Mai letzten Jahres beschlossen. Die Konferenz der Sportminister (SMK) begrüßte dies am 20. Oktober. Seither ist »Ausländer raus!« zwar Beschlusslage in der deutschen Sportpolitik, sie blieb zunächst jedoch folgenlos.

Seit Anfang Januar aber macht der Freistaat Sachsen ernst. »Anlass war«, berichtete der Vizepräsident des Deutschen Sportbundes (DSB) und des DFB, Hans-Georg Moldenhauer aus Magdeburg, dem Radiosender »mdr aktuell«, »dass man sich Gedanken gemacht hat über den Einsatz von Nachwuchsspielern und -spielerinnen nicht nur im Bereich des deutschen Fußballs, sondern auch aus anderen Sportarten«. Der DFB forderte sofort, dass zumindest die Zweite Bundesliga von dem Beschluss ausgenommen werde.

Im offensiven Sachsen sind nach einer Berechnung der Dresdner Morgenpost 57 Fußballer betroffen. Die können weiter unbehelligt Fußball spielen, solange sie bei ihrem jetzigen Verein bleiben; Vertragsverlängerungen sind möglich, Vereinswechsel ist verboten. Bundesweit träfe die Regelung in der Zweiten Bundesliga und den beiden Regionalligen Nord und Süd 360 Kicker - sie müssen über kurz oder lang Deutschland verlassen, wie ihre Kollegen aus anderen Sportarten auch. Zum Beispiel wenn ihr Verein aus der Ersten Liga absteigt, denn damit entfiele die Grundlage der Arbeitsberechtigung.

Der DFB glaubt nicht an sportliche Auswirkungen: »Das ist eine Fiktion, dass die Qualität sinken wird«, behauptet DFB-Justiziar Götz Eilers. Und Engelbert Nelle, Vizepräsident des DFB, meint, dass man »als Fachmann« der Regelung nur zustimmen könne. »Die Idee ist richtig, wenngleich sie verheerende Auswirkungen auf die Vereine der Zweiten Bundesliga und der Regionalliga im Fußball haben wird«, gab Nelle in einem Radio-Interview ein Beispiel für DFB-Dialektik.

DSB-Präsident Manfred von Richthofen, dessen Verband noch unlängst mit einer Kampagne »Mein Freund ist Ausländer« von sich reden machte - von der FAZ durchaus richtig in »Mein Freund ist EU-Ausländer« korrigiert - begrüßt den Beschluss: »Wir sehen darin eine große Chance für die Vereine, deutsche Spieler verstärkt einzusetzen.« Sonderregelungen, wie sie außer vom Fußball- auch vom Handballverband gefordert werden, lehnt Richthofen ab: »Es kann nur eine einheitliche Regelung geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man die Sportarten unterschiedlich behandelt.«

Manche Experten zweifeln daran, dass das Verbot, Ausländer spielen zu lassen, zu einer Verbesserung der sportlichen Fähigkeiten junger Deutscher führen wird. Marco Baldi, Vizepräsident des deutschen Basketballmeisters Alba Berlin, fragte im Tagesspiegel, »ob sich nach Inkrafttreten der Regelung die unterklassigen Vereine wirklich mehr um den Nachwuchs kümmern?«

»Mit wem soll ich dann noch Eishockey spielen?« ärgert sich Klaus Dietze, Vorsitzender des sächsischen Eishockey-Zweitligisten ES Weißwasser. »Ohne Ausländer könnten wir zumachen.« Auch DEB-Präsident Rainer Gossmann erwartet, »dass ein derartiger Beschluss ein großes Loch in die Ligen reißen würde, da ein Großteil der Teams auf Nicht-EU-Ausländer baut«. Immerhin, Gossmann kann sich insoweit über den Beschluss freuen, »dass die mittelmäßigen Ausländer verschwinden würden und stattdessen hungrige Talente zum Einsatz kommen«.

Ein über die Förderung der gesamtdeutschen Jugend hinausgehendes Anliegen hat der sächsische Kultusminister, Matthias Rößler. Ihm geht es nicht nur »um bessere Chancen für sächsische und deutsche Talente«, die Ausländer rauszuwerfen sei auch wichtig für die lokale und regionale Identität eines Vereins. Die auf diese Weise geförderten Vereine in Sachsen erwarten eine Leistungssteigerung durch nationale bzw. regionale Borniertheit aber nicht.

Einen »klaren Widerspruch zur Demokratie«, macht beispielsweise der Präsident des Fußball-Regionalligisten Sachsen Leipzig, Thomas Till, in der taz aus, und Peter Müller vom Chemnitzer FC spricht von einer »Diskriminierung der Nicht-EU-Ausländer«. Sorgen hat aber auch der Präsident des sächsischen Landessportbundes, Hermann Winkler: »Wenn die anderen Bundesländer nicht sofort nachziehen, drohen unseren Mannschaften Wettbewerbsnachteile.«

Sachsenimmanent kritisiert Winfried Hermann, sportlicher Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, den Entscheid der sächsischen Regierung. Der Freistaat habe sich, witzelte Hermann, »ins Abseits gestellt« und solle sich bald wieder ins »defensive Mittelfeld« zurückziehen. Seine Kritik leidet am falschen Adressaten. Er hält den »Ausländer raus!«-Beschluss der deutschen Innen- und Sportminister für eine sächsische Maßnahme. Dabei stammt die Vorlage vom Mai 2000 aus dem niedersächsischen Innenministerium, und das wird von der SPD geführt.

Den vom Ablauf ihrer Arbeitserlaubnis bedrohten ausländischen Sportlern kann dieser feine Unterschied zwischen SPD, CDU und Grünen jedoch egal sein. Sie werden nicht einmal von ihrer Gewerkschaft, der Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV), unterstützt. Deren Geschäftsführer Ernst Thoman lobt den Beschluss von SMK und IMK als »aktive Arbeitsmarktpolitik für deutsche Nachwuchsfußballer«. Sind in der VdV etwa keine ausländischen Profis, gar solche aus Nicht-EU-Ländern organisiert? Doch, schon, aber »in erster Linie verstehen wir uns als nationale Spielergewerkschaft. Das heißt, dass wir die Interessen unserer bundesdeutschen Spieler wahrnehmen.«

Noch enger als die Fußballergewerkschaft ist nur die PDS dem auf die Reserverbank verbannten deutschen Arbeitsmann verbunden. Der sportpolitische Sprecher der sächsischen PDS, André Hahn, weiß, dass die Regelung »eine massive Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil sächsischer Vereine« bedeutet. Sie führe zu »einer Verschärfung des West-Ost-Gefälles. Westdeutsche Vereine können weiterhin auf Talente aus den Niederlanden oder Frankreich zurückgreifen, tschechische oder polnische Spieler dürfen dagegen in Sachsen nicht mehr angeworben werden.«

Daher schlägt Hahn vor, dass auch nicht mehr allzuviele Franzosen und Niederländer hier arbeiten oder Fußball spielen dürften. Nachwuchsförderung »lässt sich aber nicht durch eine völlig unsinnige Unterscheidung zwischen EU- und Nicht-EU-Ausländern erreichen, sondern nur durch zum Teil bereits existierende Begrenzung der Zahl der ausländischen Spieler«.

Hauptsache, es laufen nicht zu viele Polen oder Franzosen durch Sachsen. Womit tatsächlich das Kunststück geschafft wäre, in dieser Zeitung einmal Klaus Kinkel zu loben.