Italiens Forza Nuova

Meeting Point Manifesto

Während das italienische Innenministerium ein Verbot der Forza Nuova erwägt, bereitet sich die rechtsradikale Gruppe auf die Parlamentswahlen vor.

Nach der Bombe kommt vielleicht das Verbot. Die italienische Polizei hat vergangene Woche einen Bericht über die rechtsradikale Organisation Forza Nuova (FN) vorgelegt. Demzufolge verfügt die Gruppe neben ihrer offiziellen auch über eine klandestine Organisationsstruktur und hat damit die Voraussetzungen für illegale Aktivitäten geschaffen. In den nächsten Wochen wird nun das Innenministerium in Rom darüber entscheiden, ob die Organisation nach dem italienischen Anti-Rassismus-Gesetz aufgelöst werden soll.

Nötig wurden diese Untersuchungen wegen der Bombe, die der mutmaßliche Attentäter Andrea Insabato in der Vorweihnachtszeit vor den Redaktionsräumen der linken Tageszeitung il manifesto gezündet haben soll. Insabato, der bei dem Attentat schwer verletzt wurde, unterhält enge Kontakte zur rund 2 500 Mitglieder zählenden Forza Nuova.

Das Anti-Rassismus-Gesetz diente in der Vergangenheit dazu, gewalttätige Gruppen, wie etwa die Boneheads des Movimento Politico und der Azione Skinheads, zu verbieten. Doch xenophobe, schwulenfeindliche und nationalistische Kampagnen, die auch die palästinensische Intifada unterstützen - ebenfalls eine Obsession des manifesto-Attentäters Insabato -, werden heute längst nicht mehr nur von extremen Gruppen betrieben.

Forza Nuova bearbeitet dieselben Themen nur etwas radikaler, die in Italien mittlerweile von der Lega Nord und Berlusconis Pol der Freiheiten bis zum Vatikan gesellschaftsfähig sind. So demonstrierte die FN im Namen abendländischer Werte gegen Abtreibung, Schwule und die »islamische Invasion« und propagierte politische Thesen, die auch von Repräsentanten der katholischen Kirche, wie etwa von Bolognas Kardinal Giacomo Biffi, vertreten werden.

Insabato war bereits in den siebziger Jahren Mitglied der rechten Untergrundtruppe Terza Posizione (TP) und unterhielt rege Kontakte zu dem TP-Aktivisten Roberto Fiore und zu Massimo Morsello, einem Veteran des damaligen rechtsradikalen Kampfverbands Nuclei Armati Rivoluzionari (NAR).

Beide sind heute die führenden Kameraden der 1997 gegründeten Forza Nuova. Fiore ist nationaler Sekretär der Forza, Morsello ihr ideologischer Vordenker. Zehn Jahre lang hielten sich die beiden wegen ihrer Beteiligung an rechtsterroristischen Aktivitäten nach dem Anschlag auf den Bahnhof von Bologna als »Justizflüchtige« in Großbritannien auf. Dort gelang es ihnen sogar, dank der Protektion des britischen Geheimdienstes, ein ansehnliches Wirtschaftsimperium aufzubauen.

In Zusammenarbeit mit katholischen Wohltätigkeitsvereinen wie dem St. George Educational Trust oder St. Michael unterhielten sie Jugendhostels und vor allem die gewinnträchtige Reisebürokette Meeting Point. Auch der mutmaßliche manifesto-Attentäter Insabato nutzte die britische Connection. Er war in den neunziger Jahren als Hausmeister in von Morsollo und Fiore betriebenen Pensionen tätig.

Aus dem Erlös dieser Aktivitäten wird heute der Parteiaufbau in Italien finanziert. So vergeht kaum eine Woche, in der Forza Nuova nicht in einer beliebigen italienischen Stadt ein neues Parteibüro eröffnen kann.

Zur Parlamentswahl im Frühjahr will die Forza nun »als unabhängige Kraft« in allen Landesteilen Kandidaten aufstellen. Sie will keine Bündnisse mit anderen rechten Parteien eingehen oder gar Wahlabsprachen treffen. Die Bombe auf il manifesto war der Reputation, die die Organisation im rechten Milieu genießt, offenbar nur förderlich. Obwohl Forza Nuova sogleich Abstand von der Tat nahm und jede Verbindung mit Insabato bestritt, bezeichnete ihn ein Parteisprecher immerhin als »guten Freund«.

Die vermeintliche Unabhängigkeit hat allerdings vornehmlich wahltaktische Gründe. Die Forza Nuova hat es verstanden, all jene anzusprechen, die von den als seriös geltenden rechten Parteien enttäuscht sind. Gleichzeitig ist es ihr gelungen, jene Wähler nicht allzu sehr zu verprellen, die weiterhin am nationalrevolutionären Pathos festhalten. Diese Klientel bezieht sich nach wie vor auf Mussolinis Mythos eines »proletarischen und faschistischen Italien«.

Doch der Versuch, die alte faschistische Ideologie mit einem demokratischen Anstrich zu versehen, könnte sich als schwieriges Unterfangen erweisen, an dem schon andere rechtsradikale Organisationen gescheitert sind. Wie etwa die Fiamma Tricolore von Pino Rauti, eine Nachfolgerin des faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI). Die Fiamma entstand, als sich aus dem MSI die postfaschistische und mit dem bürgerlichen Parlamentarismus kompatible Alleanza Nazionale des Gianfranco Fini entwickelte. Bei den Regionalwahlen im vergangenen Herbst etwa übereignete die Fiamma Berlusconis Pol der Freiheiten in Kalabrien ihre Stimmanteile von über zwei Prozent. Damit war sie für den dortigen Wahlsieg der Rechten ausschlaggebend.

Dieser Widerspruch zwischen unnachgiebiger Opposition und opportunistischem parteipolitischen Taktieren führt unweigerlich zum Mitgliederschwund. Das könnte auch der Forza Nuova passieren. Denn im Falle eines Wahlerfolgs wird man vermutlich eine Führung erleben, die den etablierten Parteien einen Handel anbietet. Die ewigen Werte aller faschistischen Revolutionäre wie Blut, Boden und Ehre vertragen sich erstaunlich gut mit der Geschmeidigkeit in der Wahl der Mittel, politischen Einfluss geltend zu machen. Einmal ist es die Bombe, ein andermal die Wahlurne.

Die unvermeidlichen Dissidenten finden meistens schnell eine neue politische Heimat. Zum Beispiel den Fronte Nazionale des Adriano Tilgher. Die Organisation ist 1997 in Rom aus einer Abspaltung der Fiamma Tricolore entstanden und erhielt bei den Provinzwahlen in Latien 1998 auf Anhieb 25 000 Stimmen. Im Unterschied zur Forza Nuova ist der Fronte allerdings in Norditalien kaum vertreten und in der Region um Rom wegen des ökonomischen und politischen Erfolgs der FN wieder etwas geschwächt.

Im Gegensatz zur katholischen Ausrichtung von Forza Nuova ist Tilghers Kleinpartei eher dem islamischen Fundamentalismus zugetan und nationalkommunistisch oder, um das neue Wort zu bemühen, kommunitaristisch orientiert. Sie will nach eigenen Angaben die reaktionären Positionen ehemaliger Linker und Rechter bekämpfen, um »eine nationale, volkstümliche, sozialistische und freiheitliche Front zu bilden, die, von Italien ausgehend, zu einer europäischen und weltweiten Befreiungsbewegung werden soll«.

Tilghers Gefolgsleute halten im römischen Stadteil San Giovanni ein Haus, die Porta Aperta, besetzt. Tilgher selbst werden übrigens Verbindungen zu den Geheimdiensten nachgesagt. In diesem Umkreis bewegen sich »verwirrte Einzelgänger« der rechtsradikalen Szene wie Andrea Insabato.