Die Waffen der Familie

Während die französische Regierung mit afrikanischen Staatschefs konferiert, beschäftigt sich die Öffentlichkeit mit den Geschäften neokolonialer Netzwerke.

Papa m'a dit (Papa hat mir gesagt) - so hätte das inoffizielle Motto des 21. franko-afrikanischen Gipfels lauten können, der in der Nacht vom Freitag auf den Sonnabend letzter Woche in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé zu Ende ging. Auf dieser Gipfelkonferenz, die durchschnittlich alle zwei Jahre stattfindet, trifft die französische Staatsspitze die offiziellen Vertreter der Länder des afrikanischen Kontinents.

Seit etwa 1960 formal unabhängig, hängen viele dieser Staaten ökonomisch und militärisch mehr oder weniger stark von den früheren Kolonialmetropolen ab. Ursprünglich kamen die Gipfelteilnehmer nur aus den frankophonen ehemaligen Kolonien, also aus jenen, die nach wie vor Französisch als Amts- oder Verkehrssprache benutzen. Doch mittlerweile hat sich der Kreis auf frühere britische und portugiesische Kolonien ausgeweitet. Mit insgesamt 51 Delegationen, unter ihnen auch Vertreter internationaler Institutionen wie des IWF und der Weltbank, wurde in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung erreicht.

Der Zufall wollte es, dass kurz vorm Beginn der Konferenz ein Ereignis eintrat, das den skandalösen Charakter der franko-afrikanischen »Sonderbeziehungen« bloßlegte. Am 11. Januar war der Sohn des früheren Staatspräsidenten François Mitterrand, Jean-Christophe, gegen Zahlung einer Kaution von fünf Millionen Franc (800 000 Euro) aus dreiwöchiger Untersuchungshaft entlassen worden. Während der Präsidentschaft seines Vaters war Mitterrand junior der Verantwortliche für »afrikanische Angelegenheiten« im Elsyée-Palast gewesen. Seine afrikanischen Gesprächspartner hatten ihm den Spitznamen Papamadit gegeben - ein zarter Hinweis darauf, dass Jean-Christophe Mitterrand außer seinem Familiennamen kaum Qualitäten und Fähigkeiten aufzuweisen hat. Papamadit passte auch in einen anderen Zusammenhang: Am Dienstag vergangener Woche war der Präsident des Kongo, Laurent Kabila, getötet worden, tags darauf wurden seinem Sohn Joseph die Regierungsgeschäfte übertragen. Auch Josephs Qualifikation besteht ausschließlich darin, der Sohn eines Präsidenten zu sein.

Jean-Christophe Mitterrands Inhaftierung am 21. Dezember war eine Folge der Festnahme des französisch-brasilianischen Geschäftsmanns und Milliardärs Pierre-Joseph Falcone. Bei Ermittlungen wegen Steuerdelikten waren die Justizbehörden auf Unterlagen gestoßen, aus denen sie auf Waffengeschäfte der Firma Falcones über insgesamt 633 Millionen Francs (etwa 100 Millionen Euro) mit Angola schlossen. Bei einer Hausdurchsuchung stießen die Ermittler ferner auf eine Liste von Personen und Gesellschaften, die von Falcone großzügig finanziert worden waren.

Dabei wiesen die Spuren in zwei Richtungen. Die eine führt über eine Überweisung in Höhe von 13 Millionen Franc auf ein Schweizer Konto, das Jean-Christophe gehört, zum Mitterrand-Clan. Am 23. Februar wird nun ein Pariser Gericht darüber entscheiden, ob in der Sache Anklage erhoben wird. Die andere Spur führt zu der Clique um den national-populistischen ehemaligen Innenminister Charles Pasqua. Nun interessieren sich die Ermittler für die Aktivitäten Pasquas und seiner rechten Hand, des altgedienten Geheimdienstlers Jean-Charles Marchiani.

Falcone stand mit Pasqua und Marchiani in enger Verbindung. Als die beiden letzteren zwischen 1993 und 1995 im Pariser Innenministerium saßen, war Falcone offizieller Vertreter der Gesellschaft Sofremi in der angolanischen Hauptstadt Luanda. Diese Firma gehört dem Innenministerium und exportiert Sicherheitsgerät - von Uniformen über Schlagstöcke bis zu Abhörtechnik. Im Rahmen seiner Funktion bei der Sofremi betreute Falcone auch die Waffengeschäfte; die Sofremi war vorgeschobener Vertragspartner, Falcones Gesellschaft Brenco schoss die Kosten vor und kassierte hinterher ab. Die Waffen wurden aus Osteuropa direkt nach Angola geschafft.

Falcone lebt auf einer Luxusranch in Arizona und zählt zu den wichtigsten Sponsoren der Präsidentschaftskampagne von George W. Bush. Seine Gesellschaft FalconOil ist heute mit zehn Prozent an der angolanischen Ölförderung beteiligt; 45 Prozent gehören dem französischen Erdölriesen TotalFinaElf und ebenso viel der anglo-amerikanischen Konkurrenz.

Der Journalist und Buchautor François-Xavier Verschave, ein profilierter Kenner und Kritiker der französischen Afrikapolitik, sieht in dieser Tatsache ein Anzeichen dafür, »dass eine Mafiotisierung und Verselbständigung jener Netzwerke (eingetreten ist), die bisher für den französischen Staat und die Großkonzerne die Schmutzarbeit erledigt haben und jetzt den Staat und die Konzerne für ihre eigenen, privaten Interessen einspannen«. Gegenüber Jungle World behauptet Verschave: »Die Konkurrenz zwischen Frankreich und den USA, die in den Medien seit einigen Jahren betont wird, um vor einer ðVerdrängungÐ des französischen Einflusses zu warnen, ist in diesem Zusammenhang meistens nur vorgeschoben. Diese Netzwerke entziehen sich oft jeder Staatsräson und arbeiten auf eigene Rechnung. Der Beweis ist, dass Falcone nicht nur mit französischen, sondern auch mit amerikanischen Diensten arbeitete - man nehme als Indiz nur seine Verbindung zu Bush, dessen Vater langjähriger CIA-Chef war.«

Verschaves Thesen werden vom Zerfall dessen bestätigt, was dereinst ein einheitliches Netzwerk rund um den französischen Geheimdienst- und Militärapparat und den Ölkonzern Elf war, sich aber mittlerweile in konkurrierende Strukturen aufgelöst hat. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es letztlich der französische Staatspräsident Jacques Chirac war, der Falcone und mit ihm die Mitterrand- und die Pasqua-Connections hochgehen ließ. Denn Pasqua bemühte sich seit seiner ersten Amtszeit als Innenminister des neogaullistischen RPR (1986 bis 1988) um die Schaffung eigener »afrikanischer Netzwerke« und suchte die traditionellen gaullistischen Clans aus dem Afrikageschäft hinauszudrängen.

Aus dieser Zeit stammen auch die Verbindungen zwischen dem Mitterrand- und dem Pasqua-Clan, da beide in dem Ziel übereinstimmten, die Connections des RPR und Chiracs auszuschalten. Ein sichtbares Resultat ist die gemeinsame Verwicklung von Mitterrand Junior, Pasqua und Marchiani in die mittlerweile »Angolagate« genannte Affäre. Chirac wiederum ließ den Finanzbehörden einen Hinweis geben, sich für Falcones Aktivitäten zu interessieren.

Marchiani will mit seiner Tätigkeit in Angola nur »den Interessen Frankreichs gedient« haben. Dies begründete er Anfang Januar gegenüber der Presse mit den Worten: »Wir, das heißt ich im Namen von Charles Pasqua, haben so mit dem Präsidenten Dos Santos die politische und ökonomische Hilfe Angolas für die Aktion Frankreichs in diesem Teil Afrikas ausgehandelt, die sich durch die Entsendung von Truppen in die beiden Kongos konkretisiert hat.«

Verschave zufolge ist diese Äußerung ein Eingeständnis der Tatsache, dass Frankreich die Regionalmacht Angola, die auch von einem Bürgerkrieg zerrissen wird, der seit 1975 über 500 000 Todesopfer gekostet hat, für militärische Interventionen wie etwa 1997 in Kongo-Brazzaville benutzt hat, ohne selbst in Erscheinung treten zu müssen. Aus einem anderen Interview, das Marchiani am 13. Januar Le Monde gab, geht auch hervor, dass Frankreich seinerzeit im angolanischen Bürgerkrieg beide Seiten mit Waffen unterstützte.

Nach wie vor stehen angolanische Truppen auch im Nachbarland, der Demokratischen Republik Kongo (RDC). Und im Zusammenhang mit dem dortigen Konflikt, der das Hauptthema des Gipels war, erklärte Chirac auf der abschließenden Pressekonferenz, Frankreich halte es für »illegitim und unakzeptabel, dass Nachbarstaaten einen Teil der RDC besetzt halten und ausplündern«. Er habe »auch keinen Einwand dagegen, Wirtschaftssanktionen gegen Länder zu verhängen, deren Verhalten moralisch verabscheuungswürdig ist«. In diesem Zusammenhang nannte er ausschließlich Uganda und Ruanda, die derzeit zum anglo-amerikanischen Einflussbereich gehören, nicht aber die auf Seiten des Kabila-Regimes kämpfenden Staaten. Die Stationierung angolanischer Truppen scheint Chirac aus Gründen, die durch die jüngsten Informationen verständlich geworden sind, nicht zu stören.

Ansonsten erbrachte der Gipfel von Yaoundé, der offiziell dem erbaulichen Thema »Afrika und die Globalisierung« gewidmet war, kaum konkrete Ergebnisse. Feierlich erklärte Frankreich einen Schuldenerlass für 15 der ärmsten Länder des Kontinents. Damit wurde allerdings nur ein Beschluss des G7-Gipfels in Okinawa vom Juli 2000 verwirklicht, der auf der Erkenntnis beruht, dass aus diesen Ländern ohnehin nichts mehr herauszupressen sein dürfte.

Am letzten Tag des Treffens berichtete die Pariser Presse, ein weiterer Waffenhandel beschäftige bereits die französische Justiz. Ein Vertrag sei aufgetaucht, demzufolge Falcone 1994 insgesamt 30 Tonnen Material geliefert habe - an Kamerun, das Gastgeberland des Gipfels.