Gute Diamanten, böse Diamanten

Nach dem Tod Kabilas droht eine neue Eskalation im Kampf um den Kongo.

Der Kongo trauert.« Dies behauptete zumindest Kommunikationsminister Dominique Sakombi am 19. Januar. Staatschef Laurent Kabila, der am Dienstag vergangener Woche in seinem Palast erschossen wurde, habe »die besten Jahre seines Lebens für die Freiheit des kongolesischen Volkes« gegeben. Die meisten Nachrufe fielen weniger freundlich aus. »Er war ein Problem«, kommentierte der ugandische Minister für regionale Kooperation, Amama Mbabazi. Charles Muligande, Generalsekretär der ruandischen Regierungspartei FPR erklärte, Kabila sei das Opfer »seiner eigenen Widersprüche« geworden, eine Einschätzung, die von den meisten afrikanischen Kommentatoren geteilt wird.

Nach offiziellen Angaben wurde Kabila von einem seiner Leibwächter erschossen. Der Attentäter, so der Informationsdienst SouthScan, kam aus der Provinz Kivu im Nordosten des Landes, das Motiv für das Attentat sei die Verhaftung mehrerer Generäle aus dieser Region gewesen. Die zimbabwische Financial Gazette dagegen zitiert Quellen aus der Armee, denen zufolge Kabila Generäle entlassen wollte, die er für schwere Niederlagen verantwortlich machte. Um ihrer Aburteilung durch ein Kriegsgericht zuvorzukomen, hätten sie Kabila beseitigt. Andere Versionen bringen Ruanda, Uganda und Angola als Auftraggeber ins Spiel.

Da das Regime in Fraktionen zerfallen und die Liquidation unliebsamer Gegenspieler keine Seltenheit ist, spricht vieles dafür, dass Kabila einem internen Machtkampf zum Opfer fiel. Seit die von ihm geführte AFDL (Allianz der Demokratischen Befreiungskräfte) mit ruandischer und ugandischer Unterstützung im Mai 1997 die neokoloniale Diktatur Mobutu Sese Sekos gestürzt hatte, war der Kreis der Herrschenden immer kleiner geworden. Kaum an der Macht, versuchte Kabila, die mit Ruanda und Uganda verbündeten Milizenchefs aus ihren Machtpositionen zu verdrängen. Beide Staaten unterstützten daraufhin eine Militärrebellion, die Anfang August 1998 begann.

Nur eine massive Intervention der angolanischen Armee rettete Kabila, in den folgenden Wochen schlugen sich auch Zimbabwe und Namibia auf seine Seite. Aus dem Kongo-Konflikt wurde ein afrikanischer Machtkampf. Ruanda, Uganda und Angola begründeten ihre Intervention mit der Bedrohung durch rechtsextreme Guerillabewegungen. Angola wollte jedoch auch seinen Anspruch auf die Position einer Regionalmacht anmelden. Ruanda und Uganda nutzten ihre Kontrolle über Teile des Kongo, um sich der dort lagernden Rohstoffe zu bemächtigen. Die Intervention Zimbabwes erfolgte allein aus machtpolitischen und wirtschaftlichen Gründen.

Obwohl Kabila die finanzkräftigeren und militärisch stärkeren Verbündeten auf seiner Seite hatte, gerieten seine Truppen in die Defensive. Der altgediente Guerillachef, der Mitte der sechziger Jahre gemeinsam mit Che Guevara gekämpft hatte, wollte von sozialistischen Ideen nichts mehr wissen. Wie Mobutu vergab er Bergbau- und Handelslizenzen, um Militärkommandanten, Politiker und ausländische Unterstützer an sich zu binden. Der Aufbau eines stabilen Klientelsystems scheiterte jedoch an der Tendenz Kabilas, wichtige Positionen mit Verbündeten aus seiner Herkunftsregion Katanga, bevorzugt sogar mit engen Verwandten, zu besetzen.

So machte er seinen Sohn Joseph Kabila zum Generalstabschef, obwohl dessen einzige Kompetenz in einer dreimonatigen militärischen Ausbildung in China besteht. Joseph Kabila soll bei den Generälen nicht beliebt sein. Dennoch wurde er nach dem Tod seines Vaters zum Staatschef ernannt, ohne dass Widerspruch gegen diese Entscheidung an die Öffentlichkeit gedrungen wäre.

Die bewaffneten Oppositionsgruppen verweigerten Joseph Kabila erwartungsgemäß ihre Anerkennung. »Wir sind keine Monarchie«, so Kin-Kiey Mulumba, Sprecher des mit Ruanda verbündeten Flügels der Kongolesischen Sammlungsbewegung für Demokratie (RCD). »Aber wir hoffen, dass er den Friedensvertrag respektieren wird.« Im Juli 1999 hatten sich die wichtigsten Kriegsparteien in der sambischen Hauptstadt Lusaka auf einen Waffenstillstand, den Abzug aller ausländischen Interventionstruppen und den Beginn eines »nationalen Dialoges« geeinigt. Nichts davon wurde verwirklicht, und derzeit spricht wenig dafür, dass der Tod Kabilas eine Verhandlungslösung erleichtern wird.

Zumindest beim von Uganda unterstützten Flügel des RCD scheint man den Tod Kabilas als Chance zu sehen. »Wenn Chaos entsteht und die Bevölkerung uns zur Intervention auffordert, werden wir diese Wünsche respektieren«, erklärte RCD-Sprecher Dominique Kankju. Von der anderen Seite der Front drohte Sakombi, man werde »die Aggressoren aus dem Land werfen«. Noch unbestätigten Berichten zufolge soll es bereits zu neuen Kämpfen gekommen sein. UN-Vertreter und westliche Diplomaten reagierten mit den obligatorischen Friedensappellen. Der Westen zeigten bislang wenig Interesse, sich in einem Konflikt zu engagieren, in dem afrikanische Politiker die Fäden ziehen. Das aber könnte sich jetzt ändern.

Nach dem Ende des Kalten Krieges waren Uneinigkeit und Konkurrenz unter den westlichen Staaten gewachsen. Während der harte Kern französischer und belgischer Neokolonialisten an der alten Politik festhalten wollte, setzte der größte Teil der westlichen Geschäftswelt auf eine Modernisierung der politischen Strukturen. Afrikanische Diktatoren konnten nicht mehr mit westlicher Hilfe rechnen, wenn ihre Macht bedroht war. Dieser Umstand führte zum Zusammenbruch einer Reihe von neokolonialen Herrschaftssystemen. Doch in vielen afrikanischen Staaten war die Gesellschaft in Machtblöcke zerfallen, die allein durch das klientelistische System und die Staatsgewalt an das Regime gebunden blieben. Diese Machtblöcke traten nun als Warlord-Gruppen hervor.

Der Neokolonialismus hatte den Zugang zu den Märkten und Rohstoffen auf wenige Konzerne beschränkt, nun zerstörten seine Folgen auch die Märkte selbst. Das Gegenmittel wird im westlichen entwicklungspolitischen Diskurs als Good Governance bezeichnet. Demokratie und Menschenrechte werden angemahnt, weniger Korruption und weniger offene Unterdrückung werden verlangt sowie eine Stärkung staatlicher Institutionen und Rechtssicherheit - mithin akzeptable Geschäftsbedingungen für das Kapital.

Diese normativen Forderungen konnten die Warlordisierung nicht aufhalten, und obwohl die ökonomische Abhängigkeit größer ist denn je, bestehen selbst afrikanische Kleinstaaten auf politischer Unabhängigkeit. Der Machtverlust des Westens wurde offensichtlich, als Kabila lukrative Pfründe an afrikanische Verbündete vergab. Der namibische Präsident Sam Nujoma erhielt einen Anteil an der Diamantenfirma Miba, zimbabwische Offiziere und Politiker beteiligten sich mit dem Oryx-Konsortium an der Ausplünderung des Kongo.

So hatten sich die westlichen Staaten die vielfach angemahnte »afrikanische Lösung« des Kongo-Konflikts nicht vorgestellt. Der ruandische Staatschef Paul Kagame stellte bereits 1997 fest: »Sie stehen nun abseits und werden von allem überrascht. Sie sind darüber sehr verärgert, und sie können es nicht einfach hinnehmen.« Bislang allerdings gelang es den westlichen Staaten nicht, eine gemeinsame und konsistente Kongo-Politik zu formulieren. Seit dem vergangenen Jahr deutet sich jedoch eine neue Linie in der Afrika-Politik an, die sich auch im Kongo auswirken könnte.

Eine der ersten Maßnahmen war die Verweigerung einer Zulassung des Oryx-Konsortiums zur Börse in London. Der Terror afrikanischer Warlords, so erklärten westliche Politiker und Vertreter des Konzerns DeBeers, der lange Zeit ein Monopol im Diamantenhandel hatte, sei nicht länger tragbar. Die Warlords von ihrer finanziellen Basis, dem Export von Rohstoffen, abzuschneiden, stärkt den »legitimen« Handel, womit rein zufällig der Marktanteil westlicher Konzerne wieder steigen dürfte.

Um rohstoffreiche Regionen Afrikas wieder unter Kontrolle zu bekommen, sollen Warlord-Kriege beendet werden, wenn nötig durch die massive Unterstützung einer Kriegspartei. So kämpfen seit Mai 2 000 britische Truppen in Sierra Leone gemeinsam mit regimetreuen Milizen und UN-Soldaten gegen die Warlord-Gruppe Ruf um die Diamantengebiete des Landes. Ein vergleichbares Unternehmen im Kongo wäre riskanter, allerdings auch lukrativer.