Musik der G.I.s im Zweiten Weltkrieg

Ve is der Masterrace!

Der antifaschistische Kern der Popkultur: Die Musik der G.I.s aus dem Zweiten Weltkrieg.

In dem Film »Stoßtrupp Gold« (»Kelly's Men« im amerikanischen Original) spielt Clint Eastwood einen Offizier der amerikanischen Invasionstruppen im Frankreich des Zweiten Weltkriegs. Von einem sterbenden deutschen Soldaten bekommt er die Information, in einer Bank hinter den deutschen Linien befinde sich das Nazigold. Gemeinsam mit einem Trupp zu allem entschlossener G.I.s, die einen Panzer gekapert haben, macht sich Eastwood auf den Weg, um das Gold zu holen.

Was das alles mit Musik zu tun hat? Auf ihrem Panzer haben Eastwood und seine Jungs Lautsprecher montiert und wann immer sie deutsche Stützpunkte angreifen, spielen sie in mörderischer Lautstärke amerikanische Popmusik jener Tage - das ist ihre eigentliche Waffe.

Der Film ist von 1968 und so wie die US-Army dargestellt wird, ist sie der Vorläufer der Counterculture-Werte, für die damals schon längst all jene standen, die gegen den Vietnamkrieg und den US-Imperialismus waren. Trotzdem funktioniert es. Wahrscheinlich, weil es seit den Truppen der französischen Revolution keine Armee mehr gab, die so sehr dafür stand, das Richtige zu tun, wie die US-Army im Zweiten Weltkrieg. Sie haben den Weltgeist auf ihrer Seite, sie haben die bessere Musik, sie haben die besseren Zigaretten, sie haben die besseren Uniformen und sie können nur gewinnen.

Diese Musik zu dokumentieren, ist die Idee hinter der Flashback-Reihe des Trikont-Labels. Nicht dass all die Musik, die hier auf sechs CDs präsentiert wird, tatsächlich auf amerikanischen Armeesendern gelaufen sein muss: Explizite Lieder über Sex und Kokain werden es wahrscheinlich nicht dorthin geschafft haben. Es reicht, dass sie dort gelaufen sein könnten, weil es sie gab. Es ist Musik, die in den USA gemacht wurde, während in Deutschland die Nazis herrschten.

»When der Fuhrer says ðVe is der MasterraceÐ, we krch krch right in the Fuhrer's face. (...) / When Herr Goebbels says ðWe own the world and spaceÐ, we krch krch right in Herr Goebbel's face. (...) / When Herr Göring says, ðThey'll never bomb this placeÐ, we krch krch right in Herr Göring's face. / (...) Are we not superman? Aryan pure supermen? Super, duper, supermen? / Yes, ve is der superman! Super, duper, supermen«, singt Spike Jones, in einem der bekanntesten Comedystücke der Kriegszeit, einem Song, der auch in den Kinos als Tonspur zu einem Anti-Hitler-Zeichentrickfilm lief. »What's the idea of packing that big gun?« fragt die Stimme von Walt Disneys Donald: »My country needs me.« -Dann solle er doch Kriegsanleihen kaufen. »Warbonds?« fragt Donald mit entäuschter Stimme. »Your war bond dollars buy Uncle Sam soldiers, guns, tanks and bombers.« - »Guns, tanks, bombers?! Ratatatatata!« Sofort überzeugt. Und der Reverend J. M. Gates singt: »When I think of Hitler« und die Gemeinde ruft »yeah?« - »I must think of hell« - »Oh Lord! - »I'm tellin' you!« - »oh yeah« - »that he's a dictator!« - »uhu!« - »And he must« - »aha« - »come down!« - »Halleluja!«

Wenn es irgendwann einmal gute Popmusik gegeben hat, dann hier, zehn Jahre vor der Geburt des Rock 'n'Roll. Diese Stücke begründen die Vorstellung, Popmusik sei im Kern antifaschistisch, sie jage dem Übermenschen nicht nur Angst und Schrecken ein, sondern besiege ihn schließlich auch.

All die Elemente, die später konstitutiv für Pop werden sollten, sind schon vorhanden. Etwa die strategische Bastardisierung von Musik bei Spike Jones und seiner Band. Sie waren eine der ersten Gruppen der USA, die in ihrer Musik mit Geräuschen arbeiteten. Sowohl auf der Bühne als auch in ihren Radioshows hatten sie immer ein riesiges Reservoir von Spielzeug-Instrumenten dabei. Und es ist genau dieser Sound von quäkenden Spielzeugposaunen, den Spike Jones einsetzt, um das deutsche Umpta-Umpta zu persiflieren, der dieses Stück zu perfekt funktionierender Propaganda macht. Eine Armee mit diesem Stück auf ihren Sendern kann nicht verlieren.

Oder der grobe Spaß - nimm das Führer! Zack! Bumm! Wenn Ozzie Waters etwa singt: »We'll have a rodeo down in Tokyo and a round up in old Berlin / We'll rope 'em, we'll run 'em, we'll bomb 'em and gun 'em / When the yanks go marching in (...) / We'll hog-tie old Hitler and all of his crew.« Dass es ausgerechent dieser alle Autoritäten missachtende Zeichentrickhumor war, dem sie nichts entgegenzusetzen hatten, muss Goebbels geahnt haben, als er Nazi-Zeichentrickfilme in Auftrag gab. Aber sie floppten. Und dieser Humor ist gleichzeitig leicht, er swingt. Diese Musik hat einen sexualisierten Körper, selbst wenn sie die Hauptstadt des Bösen einnimmt; so wie bei Little Jack Little, der singt, er habe schon immer in Berlin tanzen wollen: »And it looks as if we're waltzin' right in.« Wo die Nazis ihren Siegfried zu mörderischem Krach unter einem Lindenbaum in Drachenblut baden lassen, singt Little einfach: »I always wanted to waltz in Berlin, under the Linden tree.«

American War Songs ist nur eine der sechs CDs. Die anderen widmen sich der Liebe, dem Sex, dem lieben Gott, Obskuritäten und Drogen. Die zentralen Themen der Popkultur. Doch nicht nur thematisch wird hier die Richtung vorgegeben - das wäre ja auch ein bisschen einfach, schließlich könnte man genauso sagen, diese Musik künde davon, was es heißt Mensch zu sein. In den Zwanzigern, Dreißigern und Vierzigern gab es in den USA eine ausgeprägte moderne Kulturindustrie, mit allem was dazugehört: privaten Radiostationen, großen und kleinen Plattenfirmen, Mainstream und Underground. Anders hätte diese Musik überhaupt nicht entstehen können. Schließlich soll mit dieser Musik niemand erzogen werden, es soll Geld verdient werden. Wenn hier an etwas geglaubt wird, dann an das Individuum, seinen Genuss, Schmerz, Glauben oder seine Sucht. Das ist es, was diese Menschen vereint.

Das ist allerdings noch nicht alles. Denn, wie in »Stoßtrupp Gold« der deutsche SS-Oberst, nachdem er besiegt worden ist, auch ein paar Goldbarren abbekommt, genauso singt Rosie Allen schon kurz nach dem Krieg ein Countrylied: »Hitler lives.« Aber auch dies gehört zum antifaschistische Kern der Popkultur. Die Nazis wurden erst in dieses System eingespeist, nachdem sie besiegt worden waren. Als Counterpart, der sich den Werten des Individualismus entgegenstellt, der zerstören und morden möchte, der schwarze Uniformen trägt und am liebsten den ganzen Tag exerzieren würde. Doch der zentrale Punkt ist: Sie werden niemals gewinnen.

»Flashbacks 1 - 6«. Trikont (Indigo)