UCK marschiert auf

Bis an die Grenzen

Zum Jahreswechsel haben albanische Nationalisten Mazedonien als neues Aufmarschgebiet entdeckt. Die gemäßigte DPA verliert immer mehr Anhänger an die Radikalen.

Schon vor Wochen beschlich Harald Schenker, den deutschen Pressesprecher der OSZE-Mission in der mazedonischen Hauptstadt Skopje, ein eigenartiges Gefühl. »Irgendetwas ist faul im Norden«, sagte er und meinte die Aktivitäten albanischsprachiger Separatisten in Nordmazedonien.

Der ehemalige mazedonische Innenminister Pavle Trajanov beschreibt die Situation im unwegsamen Grenzgebiet zum Kosovo etwas genauer: »In der Gegend rund um Tetovo haben albanische Separatisten inzwischen Trainingslager errichtet und rekrutieren mazedonische Albaner für eine ðnationale Befreiungsarmee.Ы Zwar gibt es von offizieller mazedonischer Seite keine Bestätigung der Angaben Trajanovs, doch die Existenz einer »nationalen Befreiungsarmee« ist mazedonischen Behörden schon seit dem Beginn der Kosovo-Krise im Jahre 1998 bekannt. Erst vor zwei Wochen haben die Terroristen wieder zugeschlagen und eine Polizeistation in Tearce mit Granaten beschossen. Zwei mazedonische Polizisten starben bei dem Anschlag.

Die Existenz einer albanischen Befreiungsarmee möchte Schenker gegenüber Jungle World nicht bestätigen, einen regen kleinen Grenzverkehr zwischen Mazedonien und dem südserbischen Presevo-Tal dagegen schon: »Es gibt da oben eine recht gut organisierte Schmugglerbande und die nimmt je nach strategischer Großwetterlage auch gerne mal eine politische Färbung an.« Der Nachschub für die Rebellen der UCPMB in der entmilitarisierten Pufferzone im Presevo-Tal - die für den Anschluss des zu Serbien gehörenden Gebietes aus Kosovo kämpfen, kommt jedenfalls aus Mazedonien. Gleichzeitig dient die Gegend rund um Tetovo als Erholungsgebiet für ausgelaugte UCPMB-Kämpfer.

Trajanov jedenfalls glaubt an die Existenz eines genauen politischen Drehbuches. »Sie planen ihre Aktivitäten in Phasen: Zuerst muss das Kosovo unabhängig werden, dann wird das Presevo-Tal in Südserbien annektiert und als letztes kommt Mazedonien dran.« Die politischen Verbindungen der Separatisten könnten aber noch weiter reichen, denn es ist schwer vorstellbar, dass Mazedonien die Waffen liefert. »Ich glaube eher, dass Mazedonien nur als Durchgangsstation für die Waffen und anderen Nachschub dient. Der größte Waffenmarkt in der Region befindet sich eher in Albanien«, so OSZE-Sprecher Schenker. Dass dort auch die separatistischen Feldherren in relativer Sicherheit sitzen, ist daher nicht ausgeschlossen.

Die etablierten mazedonisch-albanischen Parteien in Skopje halten sich mit der Anfeuerung der Separatisten eher zurück. Immerhin ist die gemäßigte demokratische DPA in der Regierungskoalition und ihr Chef Arben Xhaferi ein mazedonischer Patriot. Auch sein Stellvertreter Menduh Thaci hält nichts von den überzogenen Forderungen der Separatisten nach einem Anschluss Nordmazedoniens an das Kosovo. »So lange wir am Leben sind - und wir planen, das noch lange zu sein - garantiere ich dafür, dass von unserer Seite keine Destabilisierung Mazedoniens droht.«

Allerdings verliert die DPA wegen ihrer Bereitschaft zum Kompromiss immer mehr an Rückhalt. Sie ist von ihren einstigen Forderungen abgekommen, etwa das Albanische als zweite Amtssprache einzuführen. In dieses politische Vakuum stoßen nun andere Gruppierungen vor, die wesentlich freihändiger mit politischen Forderungen hantieren können, weil sie keine Regierungsverantwortung tragen. Erst am vergangenen Wochenende hat sich in Skopje eine neue albanische Partei gegründet. Sie besteht aus ehemaligen politischen Gefangenen und »zieht einen sehr nationalistischen Kurs durch«, erklärt Schenker.

Zwar halten auch die albanischen Nationalisten zumindest offiziell nichts von der Granatenpolitik der nördlichen Rebellen, doch die Zersplitterung des albanischen Parteienspektrums in Skopje macht die Lage kompliziert und gefährlich. Während Hardliner kaum eine Chance haben, die gemäßigte DPA zu infiltrieren, könnten nationalistische Abspaltungen wie die neue Albaner-Partei bald zum politischen Vehikel des Separatismus werden.

Im Norden des Landes haben sich bereits einige Strukturen ausgebildet, die an den Beginn des Kosovo-Konfliktes erinnern. Ähnlich den parallelen Systemen der Kosovo-Albaner in Bildung und Gesundheit gibt es im mazedonischen Mala Recica bei Tetovo seit Jahren eine illegale, aber florierende albanische Universität (Jungle World, 31/00). Als die serbische Polizei 1995 gegen die Eröffnung vorging, kam es zu Ausschreitungen; drei Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. Dennoch werden dort weiterhin Vorlesungen abgehalten, und die Studenten gelten den selbst ernannten Befreiern nicht selten als Rekruten.

Nachdem das mazedonische Parlament im letzten Jahr einige Gesetze änderte und den Minderheiten gestattete, private Universitäten zu eröffnen, wird nun für rund 22 Millionen US-Dollar eine albanischsprachige Universität in Tetovo errichtet. »Damit soll die illegale Universität langsam überflüssig werden«, hofft Schenker. Schon am 1. Oktober soll der aus Containern zusammengesetzte Bau eröffnet werden und die Uni ihren Lehrbetrieb aufnehmen.

Doch nicht nur die mögliche personelle Auszehrung der Untergrund-Uni bereitet den albanischen Separatisten Sorgen. In der vergangenen Woche unterzeichneten Jugoslawien und Mazedonien einen Vertrag über den endgültigen Grenzverlauf zwischen beiden Staaten. In dem Abkommen ist auch die Grenze zum Kosovo eindeutig festgelegt, und den panalbanischen Kräften gegenüber stellte der mazedonische Unterhändler Viktor Dimovski klar: »Die Uno-Resolution 1 244 legt eindeutig fest, dass das Kosovo nach wie vor ein Teil Jugoslawiens ist, also haben wir auch mit den jugoslawischen Behörden darüber verhandelt.« Genau davon hielten aber die Mitglieder der UCPMB wenig. Kurz nach Abschluss der erfolgreichen Verhandlungen besetzten 200 von ihnen den mazedonischen Grenzort Tanusevci.