»Glamour« als Frauen-Zeitschrift

Flugbahn des Spermas

Frauenzeitungen gelten bei vielen Menschen durchweg als besonders idiotisch. Sind sie doch Instrumente der Massenverdummung. Mindestens.

Dabei sind Frauenzeitschriften äußerst wichtig. Wie sonst sollte frau erfahren, dass Rosa als Lidschattenfarbe zwar absolut angesagt ist, aber nur dann richtig wirkt, wenn ein Tupfer Kajal ins innere Augenlid gegeben wird? Oder dass ein unechtes Lächeln sich durch gebleckte Zähne und weit geöffnete Augen verrät? Oder welche Sätze einen Streit erst richtig eskalieren lassen? Oder dass eine große Party auch in einer engen Zweizimmerwohnung mit ein bisschen Planung ein voller Erfolg werden kann?

Mit Glamour legt der Condé Nast-Verlag nun einen weiteren Titel des Woman-Genres vor, der zumindest äußerlich aus dem Rahmen fällt. Das Format ist extrem handtaschenfreundlich - wenn man eine Handtasche als etwas definiert, in dem Platz ist für mehr als Taschentuch, Lippenstift und Hausschlüssel. Sonst unterscheidet sich Glamour wenig von den anderen Frauenzeitschriften. Es kommt halt bis hin zum eingeklebten Make-up-Pröbchen alles vor, was in einer Frauenzeitschrift vorzukommen hat. Kleider, Schminke, Rezepte, Berufsberatung und viele Tipps.

In der ersten Nummer lernt man, dass sich Hummerrot und Rosé durchaus miteinander kombinieren lassen und dass auch der alte Mädchenmobbing-Spruch, »Grün und Blau trägt die Sau«, nur noch bedingt gültig ist. Apfelgrün und Kobaltblau sehen zusammen nämlich ziemlich gut aus. Um zu erfahren, dass breite Nägel schmaler wirken, »wenn man beim Lackieren einen Rand freiläßt«, hätte es nicht unbedingt der Gründung einer neuen Frauenzeitschrift bedurft, aber dass Olivenöl, richtig eingesetzt, Haare vor dem gefährlichen, weil farbverändernden Chlorwasser schützen kann, ist eine äußerst wichtige Information.

Zum Glamour gehört im wirklichen Leben aber auch die souveräne Beherrschung der neuen Medien. Wo in einschlägigen Männerzeitungen Auto-Websites vorgestellt werden, gibt's hier Internetadressen, unter denen herunterladbare Augenbrauenschablonen zu finden sind oder wo man dem eigenen Foto eine andere Haarfarbe verpassen kann.

In der Rubrik »E-life« werden die besten SMS-Handys vorgestellt und wertvolle Tipps erteilt: »Kleine Männchen aus Kommas und Klammern sollte nur versenden, wer statt i-Punkten Blümchen malt.« Im Chatroom sollen Glamour-Leserinnen den jeweiligen Fall des Monats diskutieren. Den Anfang macht der Fall der Muslimin Nazire Sogukcelik, die wegen ihrer Religion ihren Job beim Diakonischen Werk der evangelischen Kirche verlor, obwohl sie zuvor exakt dort zur Pflegerin ausgebildet worden war. Die Meinungen reichen von: »Es ist nicht in Ordnung, jemanden während der Ausbildung finanziell auszunutzen, ohne ihm die Chance zu geben, später auch übernommen zu werden«, bis zu: »Ich kann ja auch nicht Vorsitzender des Zentralrats der Juden werden, wenn ich kein Jude bin.«

Solche Themen sind für Frauenzeitungen nicht besonders ungewöhnlich, viel Neues haben sich die Macher halt nicht einfallen lassen.

Trotzdem hat sich Glamour ein unschätzbares Verdienst erworben. Die Zeitschrift räumte gleich in ihrer ersten Ausgabe ein für alle Mal mit männlichen Weitwichs-Legenden auf: Die längste medizinisch bestätigte Sperma-Flugstrecke liegt bei gerade mal 29,7 Zentimetern.