Besetzte Fabrik in Südkorea geräumt

Testfall Daewoo

In Südkorea ist mal wieder high life auf der Straße, und die Regierung sitzt in der Klemme. Am vorletzten Freitag hatte das Management von Daewoo Motor rund 1 750 Arbeiter gefeuert. Zweck der Massenentlassung: die so genannte Restrukturierung des im November de facto bankrott gegangenen Autoherstellers voranzutreiben und ihn damit für potenzielle Käufer attraktiver zu machen. Der US-Konzern General Motors (GM) ist grundsätzlich an einem Einstieg interessiert, macht Entlassungen aber zur Vorbedingung für einen Start offizieller Verhandlungen.

Nach der Massenentlassung wurde das Werk in Pupyong, etwa 35 Kilometer westlich der Hauptstadt Seoul, über das Wochenende besetzt; rund 700 Arbeiter, Familienmitglieder und Gewerkschafter beteiligten sich an der Aktion. Am Montag vergangener Woche stürmten rund 4 000 Polizisten das Werksgelände; die Barrikaden wurden beseitigt, rund 1 000 Anti-Aufstandskräfte enterten das Fabrikgebäude. Mindestens 60 Protestierende wurden dabei festgenommen. Seit der Räumung der Fabrik eskalieren die Proteste: Am Samstag kam es am fünften Tag hintereinander zu schweren Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei, in den Daewoo-Autofabriken von Changwon, Kunsan und Pusan war es bereits zuvor zu stundenweisen Arbeitsniederlegungen von etwa 4 500 Malochern gekommen, Hauptverkehrsstraßen wurden blockiert.

Die Kritik der Protestierenden richtet sich nicht allein gegen die Entlassungen. Dan Biong-ho, Chef des Gewerkschaftsverbandes KCTU, sagte nach der Räumung der Fabrik der Regierung unter dem Ex-Dissidenten Kim Dae-jung auf einer Demonstration den Kampf an: »Sie implementiert Neoliberalismus, indem sie Daewoo-Automobilarbeiter gewaltsam für die Interessen von General Motors und transnationalen Konzernen rausschmeißt.« Der KCTU werde bis zum Rücktritt der Regierung kämpfen. Einen Verkauf an GM lehnen die Gewerkschaften ab und drohen mit einem Boykott vom GM-Autos; vielmehr solle der Staat Daewoo Motor übernehmen.

Die Regierung hält davon nichts. Für sie stellt der mit mittlerweile umgerechnet mindestens 30 Milliarden Mark verschuldete Autohersteller ein Fass ohne Boden dar. Denn die Gläubigerbanken von Daewoo Motor sind überwiegend halbstaatlich; sie hoffen, zumindest einen Teil ihrer Kreditsumme bei einem Verkauf retten zu können - sollte es je zu einem kommen. Zudem sucht der Staat die sozialen Folgen der Entlassungen aufzufangen, um eine Ausweitung der Unruhen zu vermeiden. Schließlich hängen an Daewoo Motor der Financial Times Deutschland zufolge auch noch etwa 10 000 Zulieferbetriebe mit rund 600 000 Beschäftigten.

Nicht nur im Innern gerät die Regierung Südkoreas unter Druck. In der NZZ vom vergangenen Donnerstag etwa hieß es: »Kim Dae Jung ist sich bewusst, dass der Fall ðDaewoo MotorÐ im Ausland als Testfall für die Reformfähigkeit einer ins Stocken geratenen und nach wie vor durch einen Wust marktverzerrender Staatseingriffe geprägten Volkswirtschaft aufmerksam beobachtet wird.« Die Hervorhebungen stammen aus dem Original.