Wahlkampf in Peru

Geordneter Übergang

Ein paar neue Staatsanwälte, zwei verhaftete Generäle, internationale Wahlbeobachter und eine integre Präsidentschaftskandidatin sollen die viel beschworene Demokratisierung Perus bewirken.

Bis zu achtzig Prozent des Personals habe er in einigen Abteilungen ausgetauscht, meinte Fernando Tuesta Soldevilla, der neue Chef des nationalen peruanischen Wahlbüros (Onpe), um den Einfluss der so genannten Montesinistas in seiner Behörde zu brechen. »Montesinistas« werden die Anhänger des ehemaligen De-facto-Geheimdienstchefs Vladimiro Montesinos genannt, der seit Monaten untergetaucht ist.

Damit der Start in die Dekade nach Alberto Fujimori, dem nach Japan geflüchteten Ex-Präsidenten, möglichst korrekt über die Bühne geht, hat Soldevilla internationale Beobachter nach Peru eingeladen, um den Wahlkampf und auch den Urnengang am achten April kritisch zu begleiten.

In Peru sprechen derzeit alle von der transición, dem demokratischen Übergang. Und die Übergangsregierung unter Präsident Valentín Paniagua und Ministerpräsident Javier Pérez de Cuéllar hat in den wenigen Monaten ihrer Amtszeit große Anstregungen unternommen, um der Polit-Mafia, wie das System unter Montesinos und Fujimori gerne genannt wird, entgegenzutreten. Damit der Wechsel möglichst zügig vonstatten geht, kopierte die Interimsregierung Maßnahmen, mit denen bereits verschiedene italienische Administrationen das so genannte organisierte Verbrechen bekämpfen.

Beispielsweise verfügen peruanische Staatsanwälte neuerdings schon vor der Anklageerhebung über Möglichkeiten, das Bankgeheimnis von Verdächtigen aufzuheben, Konten zu überprüfen und Ausreisesperren zu verhängen. Eine Art »Kronzeugenregelung« wurde ebenfalls eingeführt, um Beweise gegen die staatliche Mafia Perus zusammenzutragen.

Das reformierte Justizministerium rühmt sich bereits »viel versprechender Resultate«. Dazu gehört vor allem die Untersuchung von Menschenrechtsverbrechen, die dem mittlerweile aufgelösten berüchtigten Geheimdienst (Sin) angelastet werden. Im Rahmen dieser Ermittlungen sind Ende März zwei Generäle im Ruhestand verhaftet worden. Julio Salazar Monroe, der ehemalige offizielle Sin-Chef, und sein Kollege Juan Rivera Lazo vom militärischen Geheimdienst wurden wegen ihrer engen Verbindungen zur Todesschwadron La Colina festgesetzt. Sie soll zwei Massaker verübt haben, bei denen im November 1991 in Barrios Altos elf Oppositionelle und 1992 an der Cantuta Universität neun Studenten und ein Lehrender ermordet wurden. Die Drahtzieher der beiden Massaker sollen nun - nach beinahe zehn Jahren, in denen Fujimori und Montesinos schützend die Hand über sie hielten - endlich zur Veranwortung gezogen werden.

Dass einzelne neue Staatsanwälte nun einige Köpfe der Fujimori-Ära rollen lassen, sollte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass das gesamte Justizsystem ein Jahrzehnt lang als eine tragende Säule des autoritären und korrupten Herrschaftsapparates eingesetzt worden war. Und die Mehrheit der Richter und Staatsanwälte aus Fujimoris Tagen ist nach wie vor im Amt. Nur mit einer konsequenten Entlassung von Juristen, die allzu offensichtlich mit dem Geheimdienst und der Fujimori-Regierung kooperiert haben, lässt sich mittelfristig eine ernst zu nehmende Reform des Justizwesens erreichen, erklären unabhängige Rechtsexperten von der Juristenvereinigung der Anden.

Den am Sonntag bevorstehenden allgemeinen Wahlen kommt deshalb eine zusätzliche Bedeutung zu. Sollten sie von den Beobachtern als rechtmäßig beurteilt werden, wäre dies für den amtierenden Ministerpräsidenten Pérez de Cuéllar der wichtigste Beweis für eine erfolgreiche transición.

Neben dem folkloristisch auftretenden Alejandro Toledo, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen im vergangenen Frühjahr gegen Fujimori antreten wollte, seine Kandidatur angesichts der massiven Manipulation des zweiten Wahlgangs jedoch zurückzog, sind es vor allem zwei Protagonisten, die von sich reden machen: Alán García und Lourdes Flores Nano. Während García von der Revolutionären Amerikanischen Volksallianz (Apra) als Vorgänger Fujimoris mit Hyperinflation und Korruption in Verbindung gebracht wird, gilt Lourdes Flores bisher als integere Politikerin. In den berühmten »Vladivideos«, den Hunderten von Filmaufnahmen, die Montesinos anfertigen ließ, um politische Gegner zu erpressen, taucht sie jedenfalls nicht auf.

Auch setzt die 41jährige Juristin nicht wie ihr Kontrahent Toledo auf Populismus, sondern auf die Unidad Nacional (Nationale Einheit). Neben Flores' Partido Popular Cristiano (Christliche Volkspartei) haben sich diesem Wahlbündnis verschiedene linke Gruppierungen, Liberale und Konservative angeschlossen. In den letzten Wochen hat die neue Allianz gegenüber dem führenden Toledo an Boden gewonnen, der zusätzlich wegen eines vermeintlichen Drogenexzesses unter Druck geraten ist.

Flores wurde auch außerhalb Limas populär, als sie diejenigen Verfassungsrichter öffentlich verteidigte, die gegen eine dritte Amtszeit Fujimoris opponierten und daraufhin entlassen wurden. Danach gehörte sie zum Foro Democrático, einer Bürgerbewegung, die zwar die nötige Anzahl von Unterschriften für ein Referendum gegen das dritte Mandat Fujimoris sammelte, dann aber an dem institutionellen Geflecht des Fujimori-Systems scheiterte.

Während der stets mit seiner indigenen Abstammung kokettierende Toledo auf die Landbevölkerung setzt, hat Lourdes Flores ihre Wählerbasis in der Hauptstadt und den anderen urbanen Zentren. Das gilt auch für Alán García, der als prominentester Kritiker der neoliberalen Wirtschaftspolitik von Fujimori galt und für eine Neuverhandlung der Schulden des Landes eintritt sowie für die Gründung einer nationalen Agrarbank und die Senkung der Zinsen.

Das peruanische Unternehmertum reagiert alarmiert auf dieses Wirtschaftsprogramm, denn man hat nicht vergessen, dass García Mitte der achtziger Jahre einseitig eine Senkung der Zins- und Tilgungsraten für Auslandsschulden auf zehn Prozent der Exportleistung verfügt hatte. Der internationale Währungsfonds antwortete auf den ungewöhnlich frechen Vorstoß in den folgenden Jahren, indem er Peru jeden neuen Kredit verweigerte. Deshalb ist es auch unwahrscheinlich, dass die so genannte internationale Gemeinschaft García favorisiert.