Alternative Lebensformen

Im Nahverkehr

Auch Unterhosen sind eine Frage des Geschmacks. Ebenso wie man sich bei seiner Lektüre für Kafka oder Konsalik entscheiden kann, steht es einem frei, entweder einen String-Tanga mit Flaggenmuster oder schwarze Seidenshorts zu tragen. Wer sich nun weder für das eine noch für das andere Unterhosenmodell erwärmen kann, dem bietet die Berliner BVG eine Alternative.

Neben Einzel-, Tages-, Gruppen-, Monats- oder gar Jahrestickets haben die Berliner Verkehrsbetriebe seit einiger Zeit auch Damen- und Herrenwäsche im Angebot. Die BVG scheint dem traditionsgemäß in Fragen der Mode ungeschulten Berliner auf die Sprünge helfen und der Firma Schiesser ein Schnippchen schlagen zu wollen.

Für die Gestaltung der in schlichtem Weiß gehaltenen »Underwear«-Serie, die verschiedene »slips«, »shorts« und ein »top« umfasst, hatten die BVG-Werbestrategen einen wirklich originellen Einfall: Jedes einzelne Baumwollhöschen ziert ein weißes U auf blauem Grund sowie der Name einer Berliner U-Bahnstation. Wobei man, was die Auswahl der Stationsnamen betrifft, nicht etwa willkürlich vorgegangen ist, sondern zielgerichtet. Auf den Modellen »für ihn« prangen etwa die Schriftzüge »Rohrdamm« und »Onkel Toms Hütte«. »Für sie« hat man sich auf die Modelle »Jungfernheide« und »Gleisdreieck« geeinigt. Sehr gewagt. Und sehr anspielungsreich. So kommt Nahverkehr zu Nahverkehr.

Als ob der hauptstädtische Beitrag zum Weltunterhosenkulturerbe damit noch nicht hinreichend erbracht wäre, hat man bei der BVG auch noch ein Leibchen entworfen, das von Damen obenrum getragen werden soll: »Schöneberg« heißt das Teil. Wer sich da nicht glucksend auf den Schenkel klopft, der kann kein rechter Kerl sein, wird man sich bei den Berliner Verkehrsbetrieben wohl gedacht haben, bevor man zwecks Unterwäscheproduktion in die Wortspielhölle hinabstieg und so ein Genre wiederzubeleben versuchte, von dem andere stets gehofft haben, dass es aussterben wird: den deutschen Witz.

Denn wer sich diesem ausliefert, kann als verloren gelten. Was als vermeintliche Frivolität daherkommt, wird schnurstracks zur Stammtischzote. Was mehrdeutig gemeint sein soll, wird eindeutig. Und was einstmals Körper und Geschlecht hieß, verkümmert zum Rohr und zur Heide. Bis zum Kanonenrohr und zum Heideröslein ist's dann auch nicht mehr weit.

Und was verbirgt sich unter einem weiteren strahlend weißen Herrenunterhöschen aus der BVG-Kollektion? Na? Eben: die »Krumme Lanke«. Holterdiepolter, Bumsfallera. Da lacht und feixt der Knorkeberliner, weil er wie immer Humor mit Hauruck verwechselt und dort, wo andere ihren Feinsinn haben, einen Ziegelstein hat. Für ihn ist Humor wie Krieg: Wenn es nicht ballert, dann ist es nichts. Wo aber, fragt man sich, bleibt das Schlüpfermodell »Schlesisches Tor« für heiratswillige junge Damen aus den Vertriebenenverbänden? Wir warten, liebe BVG.

Doch was lehrt uns die ganze Chose? Mindestens dies: Man lässt die Verkehrsbetriebe keine Unterwäsche bedrucken. Schließlich käme auch niemand auf die Idee, sich von einem Schlachtermeister eine Maniküre machen zu lassen.