Regierungswechsel in Japan

Neoliberale Härte

In keinem anderen Land der Welt würde wohl ein neuer Premierminister gewählt werden, der ankündigt, die Arbeitslosigkeit müsse jetzt um ein paar Prozent steigen. Außer in Japan, wo der neue Regierungschef Junichiro Koizumi von der Liberaldemokratischen Partei (LDP) mit genau dieser unkonventionellen Methode punktete. Selbstverständlich solle die Arbeitslosigkeit »nur vorübergehend für ein bis zwei Jahre« steigen, meinte er, als könne man ihren Anstieg je nach Lust und Laune beeinflussen.

Ein hartes neoliberales Wirtschaftsprogramm verspricht er dem Land. Weitreichende Privatisierungen etwa bei der Post und die Streichung öffentlicher Subventionen sind die Grundlagen seiner Planungen für den radikalen Schuldenabbau des Staates. Im Gegensatz zur Privatisierung der japanischen Bahn in den achtziger Jahren, zu deren erklärten Zielen auch die Zerschlagung der starken Betriebsgewerkschaften gehörte, treffen Koizumis Kürzungsvorschläge im Wesentlichen die eigene LDP-Klientel.

Die Basis der seit 50 Jahren fast durchgängig regierenden Partei ist heute überwiegend auf dem Land zu finden. Die japanische Landwirtschaft aber wird nur noch durch riesige Subventionen am Leben gehalten. Und Programme zur Konjunkturankurbelung kamen in den vergangenen Jahren oft der Bauwirtschaft zugute, die im ganzen Land großzügig dimensionierte öffentliche Bauten errichtete. In beiden Bereichen düfte es die meisten neuen Arbeitslosen geben.

Seinen Ruf als Reformer verdankt Koizumi zudem seiner Ablehnung der etablierten, korrupten Parteistrukturen. Er ist der erste Regierungschef, der seine MinisterInnen selbst ernannte, ohne zuvor devot bei den Führern der fünf LDP-Fraktionen anzuklopfen. Mit einem Anti-LDP-Programm ist er von den Parteigliederungen zum Vorsitzenden der LDP und damit auch der Regierung gewählt worden. So ist es kein Wunder, dass die Gerüchte nicht verstummen, Koizumi werde im Laufe seiner Regierungszeit mit seinen MinisterInnen zur oppositionellen Demokratischen Partei (DP) abwandern, einem wirtschaftsliberalen Spaltungsprodukt der LDP.

Doch der LDP war jeder neue Chef recht, seitdem die Popularitätskurve des bisherigen Premiers Yoshiro Mori nach unten zeigte. Als Mori - in bewusster Anspielung auf das nationalistische Regime, das bis 1945 den Angriffskrieg in Ostasien führte - den Tenno als gottähnlich bezeichnete, hatte er kaum Probleme. Aber dass er sein Golfspiel nicht sofort abbrach, als im Februar ein US-amerikanisches U-Boot vor Hawaii versehentlich ein japanisches Fischereischulschiff versenkte, verzieh ihm die öffentliche Meinung nicht.

Im Vergleich zu Mori wirkt Koizumi modernistisch, er versucht, sich in seinem Auftreten von der alten Garde der LDP abzusetzen. Doch er kommt aus einer typischen LDP-Politikerfamilie, schon Vater und Großvater waren Minister. Er selbst sitzt seit 29 Jahren im Parlament, gehörte vier Kabinetten an und war bis vor wenigen Wochen Repräsentant der zweitgrößten Parteifraktion. Die Hälfte seiner Minister kommt aus der alten Riege. Für den Fall seiner Wahl kündigte er einen offiziellen Besuch des Yasukuni-Schreins an, in dem aller japanischen Gefallenen der Jahre 1931 bis 1945 und ausdrücklich auch der verurteilten Kriegsverbrecher gedacht wird (Jungle World, 34/98). Das in der Verfassung verankerte Verbot eigenständiger Kriegsführung will er streichen lassen.

Die wichtigsten Kabinettsposten bekamen seine engsten MitstreiterInnen. Außenministerin wurde Makiko Tanaka, die Tochter und engste Vertraute Kakuei Tanakas, des mächtigsten und korruptesten Premiers der Nachkriegszeit, der trotz seines Sturzes über die Lockheed-Affäre 1974 bis zu seinem Tod 1993 als Königsmacher der LDP galt. Und um das Bild abzurunden, wurde der 44jährige Nobuteru Ishihara, Sohn und »Geistesgefährte« (SZ) des populären, betont nationalistischen Gouverneurs von Tokio, Shintaro Ishihara, als jüngstes Kabinettsmitglied berufen.