Geld oder Arbeit

Als sich die EU-AußenministerInnen vergangene Woche in Brüssel trafen, um die Erweiterung der Union nach Osten zu planen, kam einmal mehr heraus: Mit dieser Erweiterung haben alle Länder ihre eigenen Sorgen. Da die anstehenden Entscheidungen einstimmig gefällt werden müssen, drängte sich wie immer eine kleine Tauschbörse auf. »Was wir wollen, ist sehr einfach«, erklärte der spanische Außenminister Josep Piqué. »Wir wollen, dass anerkannt wird, dass wir ein Problem mit der Erweiterung haben.«

Spanien droht ein Subventionsentzug. Die Beitrittskandidaten aus dem Osten werden das durchschnittliche Einkommensniveau der künftigen Europäischen Union derart senken, dass Spanien in der Wohlstandstabelle nach oben rücken und folglich weniger Geld aus den Struktur- und Kohäsionsfonds kassieren wird. Zurzeit bezieht Spanien mit 110 Milliarden Mark den größten Anteil aus diesem Topf.

»Es werden keine Pakete geschnürt, die nicht zusammengehören«, erklärte Piqués deutscher Kollege Joseph Fischer der Brüsseler Runde. »Deutschland wird keine Verpflichtungen im Vorfeld eingehen.« Im spanischen Paketangebot enthalten ist Fischers Problem mit der Erweiterung: die Freizügigkeit. Damit ist die Bewegungsfreiheit jener Bürger und Bürgerinnen gemeint, die in die Union aufgenommen werden. Konkret geht es um Arbeitskräfte aus dem Osten, die, so prophezeit Fischer, in erster Linie den deutschen Markt erobern wollen. Folglich setzte sich Deutschland in den Verhandlungen für längere Übergangsfristen ein.

Fischer verbündete sich dabei mit der österreichischen Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Beide bekamen Rückendeckung von nationalen Gewerkschaftsverbänden, die ebenfalls lautstark vor der Konkurrenz aus dem Osten warnten. Mit Erfolg, denn der Vorschlag, über den jetzt zu entscheiden ist, will das Festungstor der EU für ArbeitsmigrantInnen nur einen Spalt weit öffnen. Sieben Jahre lang darf jedes alte Mitgliedsland seinen Arbeitsmarkt vor ArbeiterInnen aus den neuen EU-Staaten schützen. Zudem erhält der Kompromissvorschlag einen Passus, der Deutschland und Österreich »flankierende, nationale Maßnahmen zur Abwehr von Störungen in besonders heiklen Dienstleistungssektoren« erlaubt.

Diesem Kompromiss hätten alle EU-Mitglieder bis auf Spanien zugestimmt, das hartnäckig nach Subventionsgarantien verlangte. Josep Piqué weiß: Haben sich die 15 Mitgliedsstaaten erst einmal über die Freizügigkeit geeinigt, wird er mit seinen Forderungen nicht mehr durchdringen.

Vorerst musste die EU-Ministerrunde auseinandergehen, ohne eine Einigung zu erzielen. Denn es bestehe keine Verbindung zwischen der Freizügigkeit von Arbeitskräften und anderen Themen. Das sieht beispielsweise der französische Außenminister Hubert Védrine anders: »In der Endphase der Verhandlungen hängt alles zusammen«, kündigte Védrine an. »Wir kommen langsam aus der Phase der abstrakten Rhetorik heraus.« Frankreich werde den geeigneten Zeitpunkt abwarten, um seinen Standpunkt zur Reform des Agrarmarktes bekanntzugeben.

Es wäre schade, wenn den Beitrittskandidaten ein solches Signal gesendet würde, bedauerte Ferrero-Waldner nach der Ratssitzung. Geplant ist, das Thema Freizügigkeit auf dem EU-Gipfel in Göteborg abzuschließen, der Mitte Juni die schwedische Präsidentschaft beenden wird.

In Polen weiß man nun gar nicht, auf was man in Göteborg hoffen soll. Setzen sich Deutschland und Österreich durch, wird es länger dauern, bis polnische Bürger sich einen Job in Ländern der EU suchen dürfen. Setzt Spanien sich durch, wird Polen möglicherweise nur wenig Geld aus dem Topf der Strukturfonds erhalten. Im schlimmsten Fall werden beide Möglichkeiten zugleich eintreffen.