Wahlerfolg für bürgerliche Separatisten

Nationaler Kreuzzug

Der Wahlsieg der baskischen Nationalisten stärkt die separatistischen Bewegungen in Spanien.

Ein demokratisches Europa kann nur auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker aufgebaut werden«, erklärte Arnaldo Otegi, Sprecher der Partei Baskische Bürger (EH), kurz vor der Wahl zum baskischen Regionalparlament am 13. Mai. »Wir müssen einen eigenen Staat aufbauen.« Nach dem Sieg der Baskischen Nationalen Partei (PNV) sind die Separatisten diesem Ziel ein Stück näher gerückt.

Regionale Nationalisten aus anderen Teilen Spaniens brachten das Wahlergebnis vom 13. Mai so auf den Punkt: »Dies ist eine klare und eindeutige Niederlage des antinationalen Kreuzzuges«, erklärte der Ministerpräsident von Katalonien, Jordi Pujol, wobei er nur die baskische Seite als nationalistisch versteht. »Es ist ein Beleg für die neue politische Kultur, welche dem multinationalen Charakter Spaniens Rechnung trägt«, sagte Xosé Manuel Beiras, der im Oktober in Galizien für das Amt des Ministerpräsidenten kandidiert.

Beide gratulierten der PNV zu dem großen Wahlerfolg. Die katalanische Partei Demokratische Übereinstimmung und der mit sozialistischer Programmatik auftretende Nationalistische Block Galiziens hatten vor zwei Jahren zusammen mit der PNV die »Erklärung von Barcelona« beschlossen, in der mehr regionaler und weniger spanischer Nationalismus propagiert wird.

Das Umfeld der EH aber hat derzeit vor allem Probleme mit einem anderen Staat. Vier Tage vor der Wahl wurde die linksnationale baskische Jugendorganisation Haika verboten, die erst vor einem Jahr gegründet worden war und die etwa 5 000 Mitglieder zählt. Bereits zu Beginn dieses Jahres waren die Organisationen Ekin, Xaki und Zumalabe ebenfalls mit der Begründung verboten worden, sie gehörten der Eta an. Dem Verbot von Haika ging eine massive Kriminalisierungskampagne der Medien voraus.

Der harte Kern der separatistischen Bewegung, von dem noch kein Wort der Kritik an der Eta zu hören war, verstärkt angesichts der Verbote ihre Agitation für ein unabhängiges Baskenland. Am vergangenen Wochenende demonstrierten Tausende in San Sebastián unter dem Motto: »Vorwärts mit dem Baskenland, vorwärts mit der baskischen Jugend«. Auch im Wahllokal des Spitzenkandidaten der konservativen Volkspartei (PP), Jaime Mayor Oreja, kam es zu Protesten. Anschließend erklärte Oreja, er hoffe, dass alles Mögliche getan werde, damit diese »Wilden und Barbaren« bei den nächsten Wahlen nicht wieder auftauchen.

Oreja war zugunsten seiner Kandidatur für das baskische Regionalparlament von seinem Posten als spanischer Innenminister zurückgetreten. Die spanische Rechte präsentierte sich zu den Regionalwahlen mit einem klaren Konzept: Ja zum spanischen Staat, Härte gegen alle Separatisten. Entsprechend richtete sich die Wahlkampagne der PP vorrangig gegen die Baskische Nationale Partei (PNV). Die Konservative Partei konnte sich dabei zum ersten Mal der vollen Unterstützung der Sozialistischen Partei (PSOE) sicher sein. Im vergangenen Dezember hatten PP und PSOE in Madrid den so genannten Pakt der Freiheit unterzeichnet (Jungle World, 2/01). Darin verpflichteten sie sich, jede wahlpolitische Konkurrenz zurückzustellen, wenn es gegen die Eta geht.

Im vergangenen Frühjahr scheiterte die Minderheitsregierung der PNV; die EH entzog ihr die Unterstützung, weil sie sich angeblich zu wenig für die baskische Unabhängigkeit eingesetzt hatte. Damit zerbrach auch das so genannte Bündnis von Lizarra aus dem Jahr 1998.

Die Eta hatte bereits ein Jahr zuvor die Waffenruhe aufgekündigt und tötete seitdem 30 Menschen. Zuletzt erschoss sie am 6. Mai einen PP-Politiker in der Nachbarprovinz Aragon. Am 11. Mai ließ die Eta nachts im Madrider Stadtteil Salamanca vor einer Bank eine Autobombe detonieren, wobei 14 Menschen verletzt wurden. Zwei Tage nach der Wahl schickte sie dem Journalisten Gorka Landaburu eine Briefbombe, die ihn an den Händen und im Gesicht verletzte.

Wegen der starken Polarisierung starteten PP und PSOE die aufwendigste Wahlkampagne, die es jemals bei Regionalwahlen in Spanien gab. Die Zeitungen waren voller Vorwürfe gegen PNV und Eta. Und voller Versprechen, wie friedlich alles würde, wenn PP und PSOE die Regierung im Baskenland übernähmen, mit einem Ministerpräsidenten namens Oreja an der Spitze.

Diese Mobilisierung hatte zumindest einen Erfolg. Die Wahlbeteiligung war mit 80 Prozent so hoch wie noch nie. Fast alle Parteien gewannen hinzu, nur die EH verlor 80 000 Stimmen und sackte von knapp 18 Prozent auf rund zehn Prozent ab.

Vor allem aber wirkte die Aussicht auf einen möglichen Ministerpräsidenten Oreja mobilisierend für den PNV-Ministerpräsidenten Juan José Ibarretxe und das Wahlbündnis PNV/EA: Es erzielte mit 42,7 Prozent sein bestes Ergebnis aller Zeiten, während die PP (23 Prozent) und die PSOE (17,8 Prozent) zusammen weniger Stimmen erhielten. Der PSOE wurde ihre Unterordnung unter den spanisch-nationalen Kurs der PP dadurch gedankt, dass die zusätzlich mobilisierten Wähler ihr Kreuz gleich bei der Volkspartei machten.

Knapp eine Woche nach der Wahl haben deshalb zwei Strömungen der PSOE, die Guerristen und die Sozialistische Linke (IS), die Unterordnung unter die Politik der PP vehement kritisiert. Die kommunistische Vereinigte Linke (IU) konnte als einzige Partei, die sich der nationalen Polarisierung entzog, leichte Stimmengewinne verbuchen. Bereits am Wahlabend war klar, dass der alte Ministerpräsident im Baskenland auch der neue sein wird, und dass bei der Eta nicht die einzigen baskischen Nationalisten sitzen. Seine Anhänger feierten Ibarretxe ausgelassen und riefen Parolen wie: »Unabhängigkeit!« und »Oreja hör gut zu, Álava ist baskisch.« Álava war bis zum 13. Mai die Hochburg der PP im Baskenland.

Der Wahlsieger Ibarretxe hat die EH unterdessen aufgefordert, die Konsequenzen aus ihrer Niederlage zu ziehen und sich eindeutig von der Eta zu distanzieren. Schließlich steht die Forderung nach einem eigenen baskischen Staat auch im Parteiprogramm der PNV. Der parlamentarische Weg in die Unabhängigkeit scheint derzeit jedenfalls erfolgversprechender zu sein als die bewaffneten Aktionen der Eta. Am vergangenen Freitag forderte Ibarretxe vom spanischen Ministerpräsidenten José Maria Aznar ein Mitspracherecht für das Baskenland im Ministerrat der Europäischen Union, wenn dort über Steuern entschieden wird.