Liederrate-Show »Hast du Töne«

Wim Thoelke mit Musik

»Hast Du Töne« ist die Popversion des uralten Formats »Erkennen Sie die Melodie«. Anhänger von Schweinerock müssen sie lieben.

Normalerweise soll ein Quizmaster Fragen stellen, aufgeregte Kandidaten beruhigen und Antworten entgegennehmen. In der Liederrate-Show »Hast Du Töne« ist das jedoch ganz anders, wie sich wenige Sekunden nach dem Beginn der Sendung zeigt.

»Ich wollte sie bereits adoptieren, aber das Einwohneramt hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie haben bereits Mama und Papa!« beginnt ein schmächtiger, bebrillter Mann etwas, das wohl eine Anmoderation sein soll. »Entstanden aus der langjährigen Beziehung zwischen Dieter Bohlen und Thomas Anders - hier sind Tönlein Brillant!«

Schon beginnen die Musiker mit dem denkbar blödesten Bandnamen, irgendetwas Schweinerockiges zu spielen und demonstrativ Spaß zu haben. Der Bassist schneidet unentwegt Grimassen, der Keyboarder hat sich eine lustige Perücke aufgesetzt, der Schlagzeuger guckt pausenlos ironisch-cool, und der Gitarrist windet sich in Posen, die mittlerweile selbst bei Status Quo verboten sein dürften.

So schnell wie es angefangen hat, ist es auch wieder vorbei. Matthias Opdenhövel, so heißt der Quizmaster, nimmt den ersten Kandidaten in Empfang. Nils kommt aus Neu-Isenburg, scheint ziemlich aufgeregt und ein bisschen dick geraten. Was auch Opdenhövel nicht verborgen geblieben ist. »Schon mal was von Fitnessstudio gehört?« fragt er im lockeren Plauderton. Nils hat kaum Zeit, sich irgendeine schlagfertige Antwort auszudenken, denn jetzt geht es los. Er muss, um endgültig mitspielen zu dürfen, einen von der Band vorgetragenen Song erraten. Das ist gar nicht so einfach, denn alles, was Tönlein Brillant spielt, hört sich gleich an. Eben nach Schweinerock. Irgendwann hat Nils, gedrängelt vom Quizmaster, den Titel endlich herausgefunden.

Besser macht es Carolin, die nach nur zwei Sekunden »Morning Has Broken« erkennt. Stefan aus Köln gibt Opdenhövel gleich eine weitere Kostprobe seines unvergleichlichen Witzes: »Hände aus den Taschen, wir sind hier nicht bei Wim Thoelke!« Der weitere Verlauf der Show wird zeigen, dass des Quizmasters Scherze grundsätzlich unverständlich sind, was aber niemanden zu stören scheint. Ihn selbst am wenigsten, der Mann amüsiert sich über jeden seiner Gags ganz außerordentlich.

Stefan errät »Could I Have This Kiss Forever« nicht. Und bekommt immerhin einen Trostpreis, einen Scheck über 100 Mark. Inzwischen ist Opdenhövel wieder etwas ungemein Lustiges eingefallen. Im Stil eines Wrestlingreporters präsentiert er die nächste Runde, dirigiert die Kapelle und macht auch sonst einen unvorteilhaften Eindruck.

Beim Sender Vox, der einst den Anspruch erhob, das deutsche Fernsehprogramm mit niveauvollen Sendungen zu revolutionieren, und jetzt hauptsächlich »Golden Girls« und »GZSZ« zeigt, scheint das niemanden zu stören. Vielleicht hat es aber auch bisher nur noch niemand geschafft, »Hast Du Töne« bis zum Ende anzuschauen.

Denn Opdenhövels Witze werden mit zunehmender Dauer der Show immer wirrer. In der Zwischenrunde, als die drei verbliebenen Kandidaten nur Schlagertitel erraten müssen, wobei eine Spielwand eine unerklärliche Rolle spielt, läuft er zur Hochform auf: »Ja, richtig, I like to move it! Tori Amos über ihre Nase.« Und nachdem irgendjemand »You Make Me Feel Like Dancing« erkannt hat: »Demnächst in der DJ Joschka-Version - You make me feel like klopping.«

Immerhin, das Spiel an der Wand dauert nicht allzu lange. Die »Duellrunde« wird angekündigt. Zwischen Marco und Carolin, der der Moderator noch schnell ein »Rotkäppchen-Grinsen« bescheinigt. Das ist seltsam, denn die Frau ist durchgehend weiß-grau angezogen.

Die Duellrunde also. Neun Töne eines zu erratenden Liedes können maximal angespielt werden, die Kandidaten müssen sich gegenseitig unterbieten. »Neun« sagt dann also der erste, während der andere »acht« anwortet, und so geht das immer weiter, bis entweder einer genug hat oder wagemutig anhand nur eines Tones den Song erkennen will. Damit es nicht ganz so schwierig ist, wird der Titel vor dem Anspielen kurz umschrieben. Was die Sache jedoch nicht wirklich einfacher macht, denn dass sich hinter »Peepshow-Tänzerinnen, existierend« das Lied »Somebody Is Watching Me« verbirgt, kann man nicht ungedingt ahnen.

»Wencke schläft mal richtig aus« wird der nächste Song angekündigt. Wie heißt er? Knallrotes Gummiboot? Er steht im Tor, im Tor, im Tor und ich dahinter? »Kann sie seit 20 Jahren, keiner bucht sie«, grinst Opdenhövel. Und schon hat Carolin die richtige Lösung: »Ein Sonntag im Bett!« Das freut den Moderator ungemein, denn nun kann er einen prima Witz anbringen: »Genau. Von Wencke Weihrauch.«

Uaaaa. Selbst zu »The End« fällt Opdenhövel etwas ein: »The End kommt auch bald auf uns zu, wenn George W. Bush wieder den roten Knopf in seinem Laufstall findet.« Wieder? Was?

Dazu, sich weitere Gedanken zu machen, kommt man jedoch nicht, denn der Quizmaster will unbedingt noch etwas loswerden: »Vera am Mittag, Vera macht Mittag.« Dann muss er jedoch für eine Weile Ruhe geben, denn »Hast du Töne?« präsentiert Passanten, die Musikstücke singen. Warum Fernsehmacher es unterhaltsam finden, wenn jemand mit einem Mikro in der Hand auf Ahnungslose zuschießt und ihnen Fragen stellt, gehört zu den großen ungelösten Rätseln der Branche.

Nun knödeln also zwei Mädchen herum; welches Lied sie meinen, ist äußerst unklar. Auch Caro hat keinen Schimmer, aber mit massiver Hilfe gelingt es dann doch, das Stück zu erraten. Deswegen hat Marco verloren, er erhält ein Handy von Hagenuk.

Nachdem sie wenig später auch den letzten Konkurrenten geschlagen hat, kann Carolin zur großen Gewinnerin werden. Sie spielt nun um eine Londonreise, »in der Nacht zieht sie der Rythmus der Stadt in ihren besonderen Bann« heißt es dazu im Trailer, und die Kandidatin scheint das zu freuen, auch wenn es sich nur um einen zweitägigen Kurztrip für eine Person handelt.

In 30 Sekunden muss sie sieben Songs erraten. Die ersten beiden schafft sie schnell, »richtig, das war Eins und eins macht zwei!« freut sich Opdenhövel, »wegen dieser Matheaufgabe musste Mario Basler zurück in die Baumschule.« Dann wird es plötzlich eng, aber Carolin schafft es am Ende doch. »'She's a Lady' von Tom Jones, dem Haarteil« wird erkannt, Carolin darf nach London fahren.

Es folgen Freudentaumel und Gegrabsche vom Moderator, und dann ist endlich Schluss, nicht eine Sekunde zu früh. Opdenhövel kommt nicht einmal mehr dazu, einen Abschlussgag anzubringen, so eilig hat es die Sendeleitung, die Show zu beenden. Macht nichts, bringt er ihn halt beim nächsten Mal.