Die linke französische Rockgruppe Zebda

Der Lärm der Immigranten

Bekannt wurden Zebda in der französischen Linken durch ihre Musik. Im März war die Gruppe das Medienereignis des Wahlkampfes in Toulouse.

Motivés, motivés, il faut se motiver« - wer in den letzten Jahren irgendwo in Frankreich an einer Demo teilgenommen hat, kennt das Stück. Seit die Gruppe Zebda aus Toulouse 1996 den Einfall hatte, eine Rockversion des »Chant des Partisans«, eines Widerstandslieds aus dem Zweiten Weltkrieg, zu veröffentlichen, ist es das amtliche Lied bei linken Protestaufläufen. Im Original geht es um die Résistance, um den bewaffneten Kampf gegen die Besatzungsmacht der Nazis. Der Refrain bedeutet in etwa: »Man muss für den Kampf motiviert sein.«

Für den Song taten sich die sieben Mitglieder der 1988 in Toulouse gegründeten Gruppe mit anderen Musikern der Region zusammen, mit dem Ziel, »sich das kulturelle Erbe vergangener Kämpfe auf unsere eigene Art anzueignen« und den Widerstand auf die Straße zu tragen. Das hat auch geklappt, jedenfalls singen seither linke Gewerkschafter am 1. Mai, Demonstratinnen gegen den Neofaschisten Le Pen oder junge Libertäre »Motivés, motivés«. Obwohl die CD im Eigenvertrieb verkauft wird, sind bisher 150 000 Stück abgesetzt worden.

Ein Jahr später hatten die Zebda-Leute einen weiteren genialen Einfall. Mit »Le bruit et l'odeur« (Der Lärm und der Geruch), dem Titelsong ihrer 1997 erschienenen neuen CD, landeten sie einen zweiten Bombenerfolg in den Reihen der politischen und kulturellen Linken und über diese hinaus.

Der Titel spielt auf einen rassistischen Ausfall des heutigen Präsidenten Jacques Chirac aus dem Jahr 1991 an. Dessen berühmte Worte sind in voller Länge am Ende des Songs zu hören. »Wie wollen Sie«, hob Chirac an und wusste irgendwann nicht mehr, wie er den kaputten Satz beenden sollte, »dass der französische Arbeiter, der mit seiner Frau berufstätig ist und die zusammen vielleicht 15 000 Franc verdienen, und der auf dem Treppenabsatz neben seiner Sozialwohnung eine Familie sieht mit einem Vater, drei oder vier Ehefrauen und um die zwanzig Kinder, und die 50 000 Franc an Kindergeld verdienen, natürlich ohne zu arbeiten. Wenn Sie dem den Lärm und den Geruch (le bruit et l'odeur) hinzufügen, wird der französische Arbeiter verrückt. Und es ist nicht rassistisch, das zu sagen! Es ist höchste Zeit, in unserem Land die große moralische Debatte zu eröffnen, ob es normal ist, dass die Ausländer von sozialen Sicherungssystemen profitieren, zu denen sie nicht beitragen, da sie keine Steuern zahlen.«

Zebda haben um das berühmte Zitat einen eigenen Text geschrieben. Darin geht es um den »Lärm und Gestank des Presslufthammers« und um die Frage: »Wer hat diese Stadt gebaut, wer wohnt nicht darin?« Der Song handelt von der Geschichte der Eltern der jungen Einwanderergeneration, und er schafft es, die rassistische Zuschreibung umzudeuten. Er ist die anderthalb Jahrhunderte alte Geschichte der Einwanderung im Schnelldurchlauf.

Die Musiker von Zebda sind algerische - zumeist kabylische - oder spanische Immigranten. In ihrer Musik mischt die Band Rock und Chanson mit Funk, Reggae, Rap und traditonellen orientalischen Elementen. Neben engagierten Titeln hat die Gruppe auch eine Reihe eingängiger Partyschlager geschrieben, meist Hymnen auf das solidarische Zusammenleben der einfachen Leute.

Seit einigen Jahren sind die Mitglieder der Band in Kooperation mit kulturell-sozialen Initiativen in den quartiers aktiv, wie sie die von Immigranten und anderen Armen bewohnten Viertel von Toulouse nennen. Die wichtigste Initiative ist das Tactikollectif, in dem auch die Zebda-Mitglieder mitmachen. Im Laufe der neunziger Jahre, erzählt Salah Amokrane, kam es zu intensiven Austauschbeziehungen zwischen Initiativen wie unserer und der Arbeitslosenbewegung, linken Gewerkschaftern und Feministinnen. Er ist der Sprecher des Tactikollektif und der Bruder der beiden Zebda-Sänger Mustapha und Hakim.

Vor den Kommunalwahlen im März dieses Jahres begann die Diskussion um die Frage, ob die Zebda- und Tactikollectif-Leute eine eigene, basisdemokratische Liste aufstellen sollten, um den quartiers eine Stimme zu verleihen. Dabei kam es zum Bruch mit den marxistischen Linksradikalen, mit denen sie zunächst eine gemeinsame Kandidatur planten. Bis dahin hatten sie oftmals in Kooperation mit der Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) agiert. Die LCR hat auch das Geld für die Produktion der Motivés-CD beigesteuert und im Gegenzug die Hälfte des Verkaufserlöses erhalten.

Die Marxisten gehen, so Salah Amokrane, von einem gesamtgellschaftlichen Programm und der Kritik an der nationalen Regierungspolitik aus. Die Initiativen- und Zebda-Aktivisten dagegen setzen auf basisdemokratische Diskussion in den quartiers und auf Präsenz in jenen Wohnbezirken, die gewöhnlich von der Politik abgemeldet sind. Viele der dort lebenden jungen Leute, fügt Amokrane hinzu, haben ihre Eltern nie im Leben zur Wahl gehen sehen, da sie oft gar kein Wahlrecht in Frankreich haben. Ihnen fehle daher jedes Gefühl dafür, von der Politik betroffen zu sein, obwohl sie zu ihren ersten Opfern gehörten. Durch Veranstaltungen und Touren mit dem Lautsprecherwagen in den Bezirken, durch eine Organisation in Form wöchentlicher Vollversammlungen sollte der Basis eine Stimme verliehen werden. Und zwar auch noch nach dem Wahltag.

Damit war die Idee einer Liste Motivé-e-s geboren, mit Salah Amokrane und dem Zebda-Sänger Magyd Cherfi als Spitzenkandidaten. Mit 12,4 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang wurde dieses politische Novum zum Toulouser Medienereignis. Vor dem zweiten Durchgang verbündeten die Motivé-e-s sich mit der Koalition der Linksparteien.

Binnen 48 Stunden konnte die heterogene Allianz 9 000 Leute zu einer Abschlussveranstaltung des Wahlkampfs zusammentrommeln. Das Ganze hatte eher den Charakter einer riesigen Party und verlieh dem blassen Sozialdemokraten François Simon, dem Spitzenkandidaten des Bündnisses, für kurze Zeit die Aura eines Volkstribunen. Dabei hatten die Motivé-e-s nicht die Absicht, sich an die Realpolitik zu verkaufen. Sie betonten vor dem zweiten Wahlgang, im Falle eines Sieges der Linksparteien keinesfalls mitregieren zu wollen, sondern lediglich eine Vertretung im Stadtparlament zu fordern.

Zur Nagelprobe kam es nicht. Die vereinigte Rechte unter dem Christdemokraten Philippe Douste-Blazy trug mit 55 Prozent der Stimmen einen eindeutigen Sieg davon. Nicht zuletzt deshalb, weil einige der Mitkandidaten des früheren Kulturministers Douste-Blazy einen ungeschminkt rassistischen Wahlkampf betrieben hatten: »Araber auf dem Capitole (dem Toulouser Rathausberg)? Undenkbar!«

Immerhin motivierte das Bündnis in den letzten Wochen vor der Wahl eine Reihe von Gruppen zur Nachahmung. In zahlreichen Städten, darunter Rennes und Marseille, und in einigen Pariser Trabantenstädten schossen die Initiativen-Listen wie Pilze aus dem Boden. Oft waren sie auch erfolgreich, wie die Citoyens Unis (Vereinigte Bürger) in der Pariser Vorstadt Châtenay-Malabry mit 17 Prozent. Dabei entsprach das gesellschaftliche Spektrum, das sich in diesen Listen organisierte, nur bedingt dem Toulouser Vorbild. Die Citoyens Unis repräsentierten eher das Bildungsbürgertum der wohlhabenden Vorstadt, das in Attac und anderen Debattenzirkeln engagiert ist. Den Vereinigten Bürgern in Châtenay-Malabry gelang es jedenfall nicht, die migrantische Jugend und die Deklassierten in den quartiers für sich zu interessieren.

Wie geht es weiter mit den Motivé-e-s? Am Pfingstwochenende fand an der Universität Paris-8 in der Trabantenstadt Saint-Denis eine Zusammenkunft der unterschiedlichen Motivés- und Initiativen-Listen statt. Die Diskussion bestätigte den extrem heterogen Charakter dieser Listen. Die Vorgehensweise der Toulouser, die als Erste ihre Erfahrung präsentiert hatten, stieß sofort auf Widerspruch. Wie der Vertreter einer Initiativen-Liste aus dem normannischen Caen formulierte, verstanden viele der Anwesenden nicht, wie man zu Wahlen antreten könne, ohne mitregieren zu wollen. Sei das nicht Verrat an den Wählern, Flucht vor der Verantwortung ?

Man fühlte sich stark an Debatten aus der Frühzeit der grünen Partei erinnert. Die Frage einer gemeinsamen Kandidatur zu den Parlaments- oder zu den Präsidentenwahlen im kommenden Jahr wurde vorläufig zurückgestellt. Insbesondere die Toulouser gehören zu den Skeptikern, was die Möglichkeit einer raschen gemeinsamen Organisierung betrifft.

Zebda widmen sich unterdessen wieder ihrer Musik. Die Band hat sich vorläufig zurückgezogen, um die nächste CD zu produzieren, die Anfang kommenden Jahres herauskommen soll.

www.motive-e-s.org ; www.zebda.fr