RZ-Prozess in Berlin

Mouslis großer Auftritt

Bei seinem ersten Auftritt im RZ-Prozess vor dem Berliner Kammergericht denunzierte Tarek Mousli vier Aktivisten der linken Szene.

Mein ursprünglicher Name ist Tarek Mousli.« Wie der Mann in grünem Hemd und etwas dunkler gehaltener Krawatte heute heißt, will er freilich nicht verraten. Muss er auch nicht. Für seine zweite, neue Identität hat das Bundeskriminalamt (BKA) gesorgt. Eine Sicherheitsmaßnahme, wie die Wiesbadener Beamten sagen. Und zugleich eine der zahlreichen Gegenleistungen für die freimütige Kooperation mit den Strafverfolgern, zu der sich Mousli bereit erklärt hat. Schließlich hat der 42jährige mit seinen Aussagen dafür gesorgt, dass sich nun fünf Männer und eine Frau wegen der Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen (RZ) zu verantworten haben.

Die Beschuldigten sitzen ihm seit vergangenem Freitag im Berliner Kammergericht gegenüber. Für sie ist es der zwölfte Verhandlungstag, für Mousli der Anfang einer harten Prüfung, die sich über einige Monate hinziehen könnte. Allein drei Sitzungen hat die Richterin Gisela Hennig für die Befragung durch das Gericht und die Bundesanwälte eingeplant, danach folgen die Fragen von zehn Verteidigern und Verteidigerinnen, die große Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kronzeugen hegen.

Doch Mousli muss durchhalten, sonst kippt die komplette Anklage. Fast ausschließlich auf seinen Aussagen basiert schließlich der Vorwurf, der gegen die Angeklagten erhoben wird: die Teilnahme an militanten Aktionen der RZ, die von der Gruppe in den achtziger und frühen neunziger Jahren in Berlin verübt wurden. Mousli will nach eigenen Angaben von 1985 bis 1990 in den RZ aktiv gewesen sein. Er selbst habe aber vor allem Tatorte ausspioniert, Fluchtrouten geplant und den Polizeifunk abgehört.

Was der ehemalige Karate-Trainer tatsächlich getan hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Vor Gericht jedenfalls wird Mousli vor allem Auskünfte erteilen, die er in den vergangenen 19 Monaten mit Beamten der Bundesanwaltschaft (BAW) und des BKA abgesprochen hat. Schon nach seiner ersten Festnahme im April 1999 war ihm vom RZ-Spezialisten beim BKA, Klaus Schulzke, der Status eines Kronzeugen angeboten worden. Doch damals habe er ablehnt und gehofft, noch mit einem »blauen Auge« davonzukommen, berichtete der Mann im Zeugenstand. Im Haftbefehl stand schließlich zunächst nur die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Zwar hatte man Sprengstoff in seinem Keller gefunden, den die Ermittler der RZ zurechneten, dennoch wurde Mousli wieder freigelassen. »Der Druck war noch nicht so groß«, erklärte er letzte Woche vor Gericht.

Das sollte sich in den folgenden Monaten ändern. Durchsuchungen am Arbeitsplatz, eine weitere vorübergehende Verhaftung Mouslis sowie die belastende Aussage seiner ehemaligen Freundin brachten ihn in eine unsichere Lage. Er verlor seine Anstellungen als Trainer beim Berliner sowie beim Deutschen Karate-Verband. Als ihm dann im November 1999 ein weiterer Haftbefehl wegen der Rädelsführerschaft in den RZ eine langjährige Haftstrafe in Aussicht stellte, war für Mousli offenbar das Ende der Fahnenstange erreicht. Er zeigte sich bereit, im Rahmen der Kronzeugenregelung mit den Strafverfolgern zusammenzuarbeiten.

Zu diesem Zeitpunkt hätten die Ermittlungsbehörden ihr lang verfolgtes Ziel erreicht, resümierte der Angeklagte Harald Glöde jüngst in einer ausführlichen Prozesserklärung. Mousli sei »in eine schier auswegslose Lage gebracht« worden. Dann habe ihm »die BAW sozusagen einen ðgoldenen AuswegЫ angeboten: eine zweijährige Freiheitsstrafe auf Bewährung und die anschließende Versorgung im Rahmen des Zeugenschutzprogramms, sprich 2 400 Mark Unterhaltszahlung, plus Miete, Mietwagen, Telefon und Krankenversicherung.

Für Glöde liegt der Verdacht nahe, dass schon vor der ersten Festnahme Mouslis im April 1999 Hintergrundinformationen gesammelt worden waren, »um daraus ein entsprechendes Persönlichkeitsbild oder Psychogramm von ihm erstellen zu können«. Das Ziel bestand in der systematischen Schaffung eines Kronzeugen. Nicht zuletzt die bisherigen Aussagen von Mousli selbst vor dem Kammergericht sollten diese Einschätzung bestätigen. Bereits in einem aufgezeichneten Telefonat mit seiner Freundin im April 1999 äußerte er demnach die Befürchtung, man wolle ihn durch gezielte Diskreditierung dazu bringen, »gegen mein Umfeld« auszusagen.

Heute, über zwei Jahre später, hat er sich mit dieser Rolle offensichtlich gut arrangiert. Wie bereits im eigenen Prozess, in dem er im Dezember vergangenen Jahres, wie von der BAW angeboten, zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, gab er sich auch jetzt vor dem Kammergericht ausgesprochen auskunftsfreudig. So nannte er beispielsweise unumwunden die Namen von vier Mitgliedern eines von ihm als »Koordinationsausschuss« bezeichneten Gremiums der Kreuzberger Szene, das Geld aus dem Erbe eines »Apothekers« an »legale und illegale Projekte« verteilt habe. Auch seine »Funkgruppe« sei für die funktechnische Observation von Polizei und Verfassungsschutz zwischen 1984 und 1990 mit 70 000 Mark aus diesem Fonds unterstützt worden. Zum eigentlichen Thema, den angeblichen Aktivitäten der Angeklagten in den RZ, konnte der Kronzeuge allerdings bisher nichts preisgeben, es kam in der letzten Woche noch nicht zur Sprache.

Für die Verteidigung besteht jedoch kein Zweifel, dass Mousli bestens vorbereitet ist. In einer Presseerklärung ließ sie wissen, in den Akten finde sich »eine Vielzahl von Hinweisen«, er sei »nach allen Regeln der Kunst für seine Vernehmung präpariert« worden. Im Verlauf seiner Aussagen vor den Ermittlern seien ihm »zahlreiche Aktenbestandteile, Zusammenfassungen von Zeugenaussagen und Urkunden« zur Verfügung gestellt worden - eine im Umgang mit Zeugen mehr als ungewöhnliche Maßnahme. Bei so viel Freizügigkeit verwundert es denn auch kaum, dass die BAW Akten an Mousli weitergegeben hat, ohne das Gericht oder die Verteidigung überhaupt davon zu informieren.

Durch dieses rechtswidrige Vorgehen werde, so Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, »das ohnehin schon unsichere Beweismittel Kronzeuge noch mehr entwertet«. Akten hin, Akten her, so genau haben es die Ermittler mit dem Schriftlichen ohnehin nicht genommen. Die Vernehmung des Referatsleiters RZ bei der BAW, Rainer Griesbaum, hat vor zwei Wochen ergeben, dass so manches Gespräch mit dem Kronzeugen erst gar nicht schriftlich festgehalten wurde. Vielleicht hat dieses Vorgehen dazu beigetragen, dass es nun auch Richterin Hennig mit Differenzierungen nicht mehr ganz so genau nimmt. »Herr Mousli, gehen Sie bitte mal raus«, bat die Gerichtsvorsitzende jüngst den Bundesanwalt aus dem Verhandlungssaal.