Neugründung der SED

Genug Geld für alle

Die SED ist wieder da! Aus einer Zwangsvereinigung hervorgegangen, will sie 40 Jahre nach dem Mauerbau zu den Berliner Wahlen antreten. Ihr Ziel: 51 Prozent minus x.

Nur die Besten durften in die neue Partei eintreten. Auf dem Zwangsvereinigungsparteitag der KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum) und der FAZ (Friedrichshainer amorphe Zentralisten) zur SED (lateinisch: »aber«, »jedoch«) nutzte die frisch gewählte Parteiführung die einmalige Chance, sich von Abweichlern, Faulpelzen und Dissidenten zu trennen. Letzte Störversuche der terroristischen Plattform in der KPD/ RZ rangen die Delegierten beider Parteien auf der Veranstaltung am 29. Juli im Kreuzberger »Kato« mit lang anhaltendem Applaus nieder.

So konnte die Partei neuen Typs mit ihren über 200 Mitgliedern noch am gleichen Nachmittag zu ihrem ersten ordentlichen Parteitag übergehen und sich der Sachpolitik widmen. Durch die am 1. Januar 2001 erfolgte Zusammenlegung von Kreuzberg mit Friedrichshain war die KPD/RZ erheblich unter Druck geraten. Neue Zeiten erfordern neue Antworten.

In einem exklusiven Hintergrundgespräch mit Jungle World zeigt sich Otto Feder, der neue Pressesprecher der SED, hocherfreut über den gelungenen Parteitag. Insbesondere der vom Meinungsforschungsinstitut infratest in einer Blitzumfrage festgestellte Bekanntheitsgrad des Parteinamens SED von über 87 Prozent lasse auf ein erfreulich hohes humanistisches Bildungsniveau der Bevölkerung schließen. Auch sei es gelungen, ausgehend von den wahren Problemen der BerlinerInnen, ein knapp und präzise gefasstes Grundsatzprogramm zur Wahl am 21. Oktober zu verabschieden.

Die Finanzkrise der BerlinerInnen sei in aller Munde. Aber im Gegensatz zu allen anderen Parteien sehe die SED das Problem darin, dass die Menschen zu wenig Geld hätten. Hätten sie mehr Geld, könnten sie auch mehr ausgeben, und die Wirtschaft käme in Schwung. »Deshalb verspricht die SED«, so der Pressesprecher, »allen Menschen in Berlin so viel Geld wie sie möchten.« Sollten die vorhandenen Geldvorräte nicht ausreichen, sei das auch kein Problem. Denn mitten im neuen Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain befinde sich die Bundesdruckerei, und da ließe sich ohne Schwierigkeiten jederzeit Geld nachdrucken.

Auf die Frage, was passieren würde, wenn von außen gesteuerte Saboteure den Papiernachschub für die Bundesdruckerei unterbrächen, reagiert Otto Feder mit einem überlegenen Lächeln. »In diesem Falle bleibt Berlin immer noch die Möglichkeit, wie dies in der Vergangenheit ja schon wiederholt von benachbarten Bundesländern praktiziert wurde, sich einem wohlhabenden Bundesland anzuschließen.« Er denke da etwa an Bayern oder Baden-Württemberg. Konkrete Forderungen stellten die Delegierten der SED noch nicht, diese Arbeit verwiesen sie an die neu gegründeten Parteiausschüsse.

1999 errang die KPD/RZ nach einem fulminanten Wahlkampf mit Forderungen wie »Rauchverbot in Einbahnstraßen« und »Ausgehverbot für Männer bei Temperaturen über 30 Grad« mehr als doppelt so viele Stimmen wie die FDP in Kreuzberg.

In ihren Hochburgen rund um die Oranienstraße erreichte sie in einzelnen Stimmlokalen 17 Prozent. Mit 4,4 Prozent besetzt die KPD/RZ in der Bezirksvertretung einen Abgeordnetenplatz, der alle paar Monate mit einem neuen Gesicht geschmückt wird. Als eine sehr schwierige, aber lösbare Aufgabe sieht Otto Feder die notwendige Neuorientierung der Partei. Zwar sei es an einzelnen Punkten gelungen, das von seiner Partei favorisierte Würfeln statt Abstimmen zur Entscheidungsfindung durchzusetzen. So etwa bei der Wahl des Standortes des neuen Rathauses von Friedrichshain-Kreuzberg. Nicht die Bezirksverordnetenversammlung traf die Entscheidung, sondern ein Würfel.

Aber an anderen Punkten habe man bittere Niederlagen einstecken müssen. So würden in Kreuzberg weiterhin falsche Postleitzahlen benutzt, und durch die Fusion mit Friedrichshain sei mit den FAZ der Lieblingsgegner abhanden gekommen. Alljährlich traf man sich zur Gemüseschlacht auf der zwischen beiden Bezirken gelegenen Oberbaumbrücke. Jetzt gelte es, neue Gegner zu finden.

Insbesondere der Regierungsbezirk Mitte biete sich da an. Innerhalb seiner Partei gebe es Überlegungen, frühere Straßenbebauungen zwischen den Bezirken Kreuzberg und Mitte wieder zu restaurieren. »Da böte es sich doch an«, sagt Otto Feder nicht ohne Vorfreude, »Gemüseschlachten zwischen dem Regierungsviertel und dem Viertel der Benachteiligten zu inszenieren.« Dabei sei der Bezirk Mitte keineswegs chancenlos. Schließlich wohne dort Joseph Fischer, und er sei im Metier des Straßenkampfes doch ein sehr erfahrener Mitstreiter.

Auf die Chancen der SED bei den Wahlen angesprochen, gibt sich Feder zwiegespalten. Die Chancen auf der Landesebene beurteilt er skeptisch. In der Wahlkabine, wenn es spitz auf knapp ginge, nähmen viele WählerInnen von ihrem Vorhaben, SED zu wählen, wieder Abstand. Aber bei den gleichzeitig mit der Abgeordnetenhauswahl stattfindenden Wahlen zum Bezirksparlament für Friedrichshain-Kreuzberg sei er fest »von einem Ergebnis von 51 Prozent minus x überzeugt«.

Immerhin ist die junge, weil frisch zwangsvereinigte Partei geschichtsbewusst. Zum Auftakt ihres Wahlkampf möchte sich die SED am 13. August erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorstellen. Zu diesem Datum ruft die SED alle Baukollektive der Stadt auf, zu der an diesem Tag stattfindenden Kundgebung zur Unterstützung des notleidenden Berliner Hochbaus ihre besten ArbeiterInnen an den ehemaligen Checkpoint Charlie zu entsenden. Ein vielversprechender Coup, denn die inzwischen verstorbene gleichnamige Partei erregte mit einer ähnlichen Aktion schließlich weltweites Aufsehen.