Napster-Nachfolger im Internet

Pferdelose Kutschen

Napster ist am Ende. Aber die Nachfolgeprotokolle kursieren bereits.

Napster ist im Eimer. Die größte Musiktauschbörse im Internet, die vor nicht allzu langer Zeit weltweit über 65 Millionen Nutzer zählte, ist schon seit einem Monat per Gerichtsbeschluss offline. Die neu installierte Software, die verhindern sollte, dass man vom Copyright geschützte Musikstücke herunterladen konnte, funktionierte nur zu 99 Prozent - was für die Plattenindustrie nicht ausreichend war. Napster ist tot und wird auch nach einer Auferstehung nicht mehr die Börse sein, wie man sie kannte.

Denn während Bertelsmann und Napster noch immer an der in diesem Sommer zu erwartenden Einführung eines kommerziellen Dienstes arbeiten, haben sich die User bereits abgewendet. Verglichen mit den vergangenen Spitzenzeiten des MP3-Tauschens nahm die Zeit, die musikbegeisterte Jäger und Sammler im letzten Monat mit Napster verbrachten, um 65 Prozent ab. Dies gab die US-Internetforschungsfirma Jupiter Media Matrix bekannt. Dass die MP3-Files sammelnde Gemeinde zu Nap, dem geplanten kostenpflichtigen Download-Dienst mit einem kopiergeschützten Dateiformat, zurückkehren wird, kann trotz Bertelsmanns zuversichtlicher Prognosen angezweifelt werden. Wo also bleiben die Tauschwütigen? Das neue Zauberwort heißt Peer to Peer-File-Sharing, das ist ein Dateiaustausch von Nutzer zu Nutzer.

Eigentlich war Napster selbst eine Peer to Peer-Plattform. Peer to Peer (P2P) bezeichnet die Topologie und Architektur von in einem System verbundenen Rechnern. Man unterscheidet jedoch zwischen zentralisierten und dezentralisierten Varianten eines P2P-Datentauschdienstes. Ist ein Server involviert, handelt es sich um zentralisiertes File Sharing. Zu diesen Systemen zählen nicht nur der P2P-Pionier ICQ, sondern auch Napster und neuere Datentauschdienste wie Audiogalaxy und iMesh. Hierbei laufen alle Suchanfragen über einen zentralen Server, der jedoch keine Daten speichert, sondern lediglich als Vermittler zwischen den einzelnen Nutzern agiert. Zentralisierte Systeme funktionieren so: Nutzer A sucht mittels einer Client Software nach Datei XY. Daraufhin sucht der Server einen Nutzer B mit Datei XY, und zwischen A und B wird eine Verbindung hergestellt. Ist die Verbindung aufgebaut, hat der Server mit dem nun folgenden Transfer von XY nichts mehr zu tun.

Dezentralisierte Datentransfersysteme funktionieren anders. Sie sind echtes Peer to Peer. Es gibt keinen Server zwischen den Nutzern. Diese Systeme nennt man auch horseless carriages. Gnutella und Freenet (nicht mit dem gleichnamigen deutschen Provider zu verwechseln) funktionieren ohne einen zentralen Server, in den IP-Adressen und Ports eingegeben werden. Jeder mit dem Netz verbundene Rechner agiert als Client und als Server. Die Verbindungen und das File Sharing werden eigenständig hergestellt und ausgeführt.

Gnutella ist keine Firma, kein Eigentum, kein Produkt - es ist ein frei verfügbares Open Source-Netzwerkprotokoll zum Datentransfer. Dezentralisierte Systeme passen zur Ideologie eines freien Internets, wie John Perry Barlow von der Electronic Frontier Foundation (EFF) es vor Jahren definierte, als er sagte: »Information muss frei bleiben.« Die Informationen werden auf keinem Server gelagert, sie gehören dem ganzen System und den Nutzern. Die Handhabung von Gnutella kann durch den Einsatz eines Servents vereinfacht werden. Der Servent, abgeleitet von Server und Client, ist eine Gnutella implementierende Software, deren Interface die Eingabe von Hosts und Suchanfragen wesentlich vereinfacht. Verschiedene Entwickler haben solche Servents im Netz veröffentlicht, u.a. Bearshare, Limewire und Gnotella. Zu den attraktiveren Eigenschaften des Gnutella-Protokolls gehört die Anonymität der Suchanfragen und die Möglichkeit, nicht nur MP3s zu transferieren, sondern alle erdenklichen Dateiformate.

Freenet ist genau wie Gnutella ebenfalls ein Open Source-Protokoll. Die beiden unterscheiden sich jedoch in ihren jeweiligen Zielen sehr stark. Während Gnutella einzig die Tauschgelüste befriedigen möchte, steht Freenet für mehr. Seine Nutzer haben es sich zur Aufgabe gemacht, ein nicht kontrollierbares System der freien Kommunikation zu etablieren. Auf jedem mit dem System verbundenen Rechner werden Informationen gelagert. Der Clou: Es ist nie nachvollziehbar, an welchem Ort welche Dateien gerade gespeichert sind. Auch können keine Dateien entfernt werden, sofern sie einmal im System stecken. Außerdem gibt es keine Suchmaske im üblichen Sinne, die Informationen werden anhand eines kodierten Schlüssels publiziert und nach dem Prinzip von On-Demand Systemen angefordert.

Dem aus Irland kommenden Entwickler des Freenet Systems, Ian Clarke, war es wichtig, ein Protokoll zum freien Informationsaustausch zu kreieren, in dem jeder anonym publizieren und kommunizieren kann. Weil sein Protokoll dynamisches Routing und Verschlüsselung einsetzt, ist es fast unmöglich, die Kommunikationskanäle zu überwachen - selbst für eine Regierung.

Dass zentralisierte Dienste mit Servern ähnliche juristische »Schwierigkeiten« haben werden wie Napster, ist da fast schon programmiert. Audiogalaxy unterliegt bereits den Auflagen zum Filtern bestimmter Musiktitel, und die in Schweden ansässige Pornotauschbörse Leechnet hat die Server sicherlich nicht nur wegen möglicher pädophiler Inhalte vorübergehend ausgeschaltet. Leechnet erhielt angeblich bereits in seinen Anfängen Klagen von Pornoproduzenten über die Verletzung von Urheberrechten. So wie auch der Verband der amerikanischen Plattenindustrie (RIAA) fürchtet die Motion Picture Association of America (MPAA), dass sie durch die P2P-File Sharing-Technologien Verluste erleiden wird. Im April schickte sie ein Rundschreiben an Internet-Provider, um sie an den korrekten Umgang mit urheberrechtlich geschützten Daten zu erinnern - ein Versuch, die Provider zum Ausschluss von Gnutella-Nutzern aus ihren Internet-Diensten zu bewegen. Da dezentrale Systeme wie Gnutella juristisch nicht angegriffen werden können, müsste theoretisch jeder einzelne Nutzer wegen der Verletzung von Urheberrechtsgesetzen vergeklagt werden.

www.bearshare.com;
www.audiogalaxy.com;
www.limewire.com;
www.gnotella.com;
www.imesh.com;
www.freenetproject.org