Kroatisches Staatsfernsehen HRT

Berlusconi schlägt Tudjman

Das kroatische Staatsfernsehen HRT kann sich schwer vom Erbe des ehemaligen Präsidenten befreien. Tudjman hinterließ Vasallen und Chaos.

Tudjman geht, Berlusconi kommt. Was für die meisten Fernsehjournalisten ein echter Albtraum ist, wird in Kroatien bald Wirklichkeit. Gerade ist das staatliche kroatische Fernsehen HRT dabei, das Erbe des Staatsgründers Franjo Tudjman abzuwickeln, da kündigt sich auch schon der nächste Autokrat in Zagreb an. Spätestens im Frühjahr des nächsten Jahres will Silvio Berlusconi in Kroatien einen professionellen Privatsender errichten und damit das Erfolgskonzept seines slowenischen Senders Pop-TV kopieren.

Das kroatische Fernsehen leidet an einer unschönen Mischung aus Dilettantismus, dem Organisationsgrad eines Wackelpuddings und totaler Orientierungslosigkeit. Da verwundert es auch nicht, wenn die Star-Reporter des Staatsfernsehens das Interesse des italienischen Medien- und Politzaren für gut befinden: »Es macht nichts, wenn sich Berlusconi hier engagiert. Da lernen wir wenigstens, wie man professionell Fernsehen macht«, sagt Damir Matkovic, bisher Berater der HRT-Geschäftsführung und nun Ressortleiter für die Berichterstattung über das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und die kroatischen Versuche der Vergangenheitsbewältigung. Denn, so Matkovic: »Wir arbeiten völlig unprofessionell. Unsere Journalisten haben keine Ahnung von Journalismus, und eine Strategie haben wir schon gar nicht.«

Auch das ist ein Erbe der Ära Tudjman. »Tudjman hat uns einen Scherbenhaufen hinterlassen. Noch knapp vor seinem Ende hat er Dutzende junge Leute ins Fernsehen gebracht, die keine Qualifikation, aber das richtige Parteibuch hatten«, beklagt sich Matkovic. Besonders schade ist das, weil die Hauptnachrichtensendung des kroatischen Staatsfernsehens, das Journal, täglich um 19.30 Uhr traumhafte Einschaltquoten erreicht. 55 Prozent der Kroaten sitzen täglich vor dem Fernseher, um die Nachrichten zu sehen. Doch was sie da seit der Unabhängigkeit vorgesetzt bekommen, ist eine visuelle Katastrophe mit dem Nachrichtenwert einer Dauerwerbesendung: »Vor dem Ende der Tudjman-Ära hat der Staatschef beinahe jede Nachricht beherrscht, und die Hauptnachricht war stets, dass Kroatien wieder mal Opfer irgendeiner internationalen Konspiration geworden ist, der Staatschef uns aber durch sein staatspolitisches Geschick aus der Krise gezogen hat«, erinnert sich Matkovic.

Eines der schönsten Beispiele für die Allgegenwart des Diktators in sämtlichen Sparten der Nachrichtensendung war wohl der Sieg Kroatiens über Deutschland im Semifinale der Fußball-WM 1998 in Frankreich. Bevor noch die erfolgreichen Spieler zu Wort kommen durften oder das Spiel kommentiert wurde, kam selbstverständlich Tudjman zu Wort: »Es ist toll, gewonnen zu haben. Dieser Sieg bedeutet eine Menge für das kroatische Volk und unser Vaterland. Er wird unsere Reputation in der Welt erhöhen«, setzte der »Vater aller Dinge«, wie Tudjman genannt wurde, zu einer Rede über Fußball, Nation und Vaterland an.

Heute gibt es ganz andere Probleme. »Die Mitarbeiter sind total verunsichert, weil ihnen die Politik nicht mehr sagt, worüber sie berichten müssen. Also berichten sie über alles, was interessant erscheint. Egal, ob es stimmt oder nicht«, erzählt Krasimir Macan, Chef der PR-Abteilung von HRT. Und so greifen die Verantwortlichen bei der Gewichtung von Nachrichten auf alte Gewissheiten zurück: »Wenn irgendwo irgendwelche Rechtsextremen aufmarschieren, kriegen die fünf Minuten Sendezeit in den Nachrichten. Wenn ich einen Bericht über die Auslieferung eines mutmaßlichen kroatischen Kriegsverbrechers nach Den Haag bringen will, muss ich wegen zwei Minuten mit der Sendeleitung verhandeln«, erzählt Matkovic.

Gerade wenn es um politisch heikle Themen geht, kann die knappe Sendezeit aber auch ein Vorteil sein, zumindest sieht es Matkovic so: »Ich bin froh, dass ich nicht bei einer Zeitung bin. Da muss ich seitenlang über so etwas schreiben und natürlich auch politische Wertungen abgeben. Aber in zwei Minuten Sendezeit bring ich die eh nicht unter und bin aus dem Schneider. Ich zieh mich eben auf die Tatsachen zurück«. Das muss er auch, weil sich die kroatische Politik noch immer einiges auf ihren vaterländischen Krieg einbildet: »Die kroatischen Kriegsverbrechen waren nicht so schlimm wie die serbischen«, meint etwa PR-Manager Macan.

Dabei müssen die Mitarbeiter des Fernsehens keine Angst mehr vor einer totalen Kontrolle durch die Kroatische Demokratische Bewegung ihres Gründers Franjo Tudjman haben: »Nie wieder wird die Politik eine derart direkte Kontrolle über das Fernsehen haben, weil alle Parteien Koalitionen bilden müssen und keine einzelne Partei mehr alleine bestimmen kann, was gesendet wird, oder nicht«, erläutert Krasimir Macan.

Über einen Mangel an Konkurrenten kann das das Staatsfernsehen nicht klagen. Dafür sorgte schon der alte Staatschef, der Fernsehlizenzen vergab wie andere Politiker Wahlprospekte. In Kroatien gibt es derzeit 14 Privat-TV-Sender und 120 Radiostationen. Überlebensfähig sind nur die wenigsten. Damit geht das Kalkül Tudjmans auf. Er verteilte deshalb so verschwenderisch Lizenzen, damit keiner der Privatsender zu einer starken Konkurrenz des ihm hörigen Staatsrundfunks werden konnte. Ein besonders krasses Beispiel für die Randgruppenexistenz der Privaten stellt der Sender in der Stadt Bazin dar: 15 000 Einwohner hat das Städtchen und eigenes Privat-TV.

Selbst vor der Hilfe enger Freunde fürchtet sich die Chefetage des kroatischen Fernsehens. Als Matkovic noch Berater der Geschäftsführung war, drängte er auf die Annahme westlicher Hilfe. »Ich habe Gespräche mit der ARD geführt, denn die wollten uns helfen, den Sender neu zu organisieren. Aber unsere Geschäftsleitung wollte das nicht. Dann habe ich versucht, eine Kooperation mit unseren wohl engsten Freunden im Ausland zu schaffen, dem österreichischen Rundfunk ORF. Aber wissen Sie, was mir da die Geschäftsleitung gesagt hat: Wir können das nicht machen, weil das ein Zeichen für irgendwelche Sympathien für die alte Donaumonarchie wäre.«

Die Mischung aus Unsicherheit und Ineffizienz wird die Leitung der HRT aber bald zwingen, neue Wege zu beschreiten. Im letzten Jahr machte die HRT 40 Millionen Euro Miese. In diesem Jahr wird der Verlust zwar geringer ausfallen, dennoch ist allen klar, dass 3 500 Mitarbeiter für eine im internationalen Vergleich eher kleine TV-Anstalt ein bisschen viel sind. Und die alte Geschäftsführung hat die HRT noch dazu finanziell ausbluten lassen. 15 000 Mark Monatsgehalt kassierte damals ein Direktor und konnte über vier Dienstwagen verfügen. Matkovic hat dafür eine schöne Erklärung: »Große Patrioten haben eben tiefe Taschen.«