Tennisstar Goran Ivanisevic

Ein Aufschlag für zwei Generäle

Tennisästhet, Wimbledon-Sieger und Nationalist - der Kroate Goran Ivanisevic ist einer der unerfreulichsten Vertreter seiner Sportart.

Zum ersten Mal tauchte Goran Ivanisevic im Jahr 1988 in der internationalen Tennisszene auf. Damals war er in das Daviscupteam Jugoslawiens berufen worden, das gegen das Team der BRD antreten musste. Der Kroate Ivanisevic und der Serbe Slobodan Zivojinovic, ein enger Freund von Boris Becker, konnten die hohe Niederlage gegen die Deutschen nicht verhindern.

Ivanisevic boten die Matches jedoch zum ersten Mal eine Gelegenheit, sein außergewöhnliches Talent unter Beweis stellen, seit diesem Auftritt galt er als große Hoffnung für das Turniertennis. Sein Stil wurde als Serve-and-Volleyspiel beschrieben. Das war jedoch, wie sich in den späteren Jahren zeigen sollte, höchstens die Hälfte der Wahrheit. Ivanisevic ist nicht mit anderen Angriffsspielern wie Pete Sampras, Patrick Rafter oder Stefan Edberg zu vergleichen. Wo sie nach einem starken Aufschlag ans Netz gehen, um dort mit einem Volley den Punkt zu machen, genügt Goran Ivanisevic der Aufschlag.

Zu verdanken hat er die Tenniskarriere neben seinem unbestreitbaren Talent der Unterstützung seines Vaters, der in Split als Professor für Elektrotechnik tätig war. Er verpflichtete bereits für den jugendlichen Sohn nicht mehr aktive Weltklassespieler wie den ehemaligen Doppelweltmeister Balasz Taroczy als Trainer. Zur Finanzierung dieser Trainingsmaßnahmen musste er sogar sein Eigenheim verkaufen, da Tennis in Jugoslawien wie auch in den anderen der ehemaligen sozialistischen Staaten als kapitalistischer Sport galt und deswegen nicht gefördert wurde. Aber immerhin: Srjdan Ivanisevic kann somit als ein Vertreter der höchst seltenen Spezies der Tennisväter gesehen werden.

Dank seiner guten Grundausbildung galt Goran Ivanisevic bereits in frühen Jahren als vollendeter Spieler. Es kam ihm zu Gute, dass die verschiedenen Jugendtrainer sich besonders dem Ausbau seiner spielerischen Stärken, dem Aufschlag und der beidhändigen Rückhand gewidmet hatten. Dadurch war er schon in den Anfangszeiten seiner Karriere in der Lage, die Gegner nach Belieben zu dominieren, ihnen sein Spiel aufzuzwingen.

Aber Ivanisevic gehörte auch schon damals zu jenen Spielern, die mehr gegen sich selbst spielten als gegen den anderen. Ständig schien er nach dem perfekten Match zu suchen, wobei ihm der nüchterne Pragmatismus des ebenfalls extrem talentierten Pete Sampras fehlte. Bis heute ist für Sampras der Sieg alles, sein Tennisspiel wird durch Grand-Slam-Titel geadelt. Für Ivanisevic sind Turniersiege dagegen lediglich Abfallprodukte eines möglichst perfekten Tennisspiels.

Es ist wohl bezeichnend für den Tennisromantiker Ivanisevic, dass er das ATP-Halbfinale gegen Boris Becker 1992 in Stuttgart als das beste Spiel seiner Karriere ansieht. Boris Becker siegte damals im Tie-Break des entscheidenen Satzes, kein Spieler hatte bis dahin sein Aufschlagspiel verloren. Dass es ein schönes Match war, war für Ivanisevic wichtiger, als ATP-Weltmeister zu werden.

Diese Einstellung zum Turniertennis verhinderte für eine lange Zeit, dass Ivanisevic bei den so genannten Königsturnieren, den Grand-Slam-Turnieren, siegen konnte. Der australische Tennistrainer Bob Brett beschrieb das so: »Goran hat einen sehr guten Charakter. Er ist ein sehr sensibler Mensch, dessen Jugend, verbunden mit seinem Willen zur Perfektion, ihn oft in die Frustation getrieben hat.« Dieser Bob Brett, der 1991 Boris Becker zur Nummer Eins der Weltrangliste gemacht hatte, übernahm kurz danach das Training von Goran Ivanisevic. Er lebte zu dieser Zeit mehr von seinem Talent als von den Ergebnissen des professionellen Tennistrainings. Das Fachblatt Tennis-Magazin hatte ihn als unreifen, cholerischen Schnösel bezeichnet. Ivanisevic erschien bisweilen gegen zwölf Uhr zum Frühstück, legte sich danach an den Pool und wurde erst zu Beginn des jeweiligen Turniers zum Tennisprofi.

Unter Bob Brett lernte er jedoch, seine Sucht nach Perfektion auch auf das Training zu übertragen. Goran Ivanisevic, der für seine Zornesausbrüche während eines Matches berüchtigt ist, sagte einmal über die Zusammenarbeit mit Bob Brett: »Er hat mir mal gesagt, du kannst wegen mir zwanzig Rackets im Match zerbrechen. Das ist mir völlig egal. Nur gewinne!« Wegen der Kooperation mit Brett gelang es Ivanisevic, bis auf den zweiten Platz der Tennisweltrangliste vorzustoßen, ein Grand-Slam Erfolg ließ jedoch weiter auf sich warten.

Indes engagierte sich Ivanisevic immer häufiger politisch. Dabei hatte er zu Beginn seiner Tenniskarriere noch zu Protokoll gegeben, dass ihn der serbisch-kroatische Konflikt nicht interessiere. »Für mich gibt es da keinen Unterschied, für mich gibt es nur die allgemeine Menschlichkeit. Ich bin an Konflikten zwischen Politikern nicht interessiert. Die sollen erstmal die Ärmel hochkrempeln und nicht bloß schwafeln.« Zu dieser Zeit wurde Ivanisevic in der Leserumfrage einer Belgrader Zeitung sogar noch zum »Idol der jugoslawischen Jugend« gewählt.

Seine Einstellung zum serbisch-kroatischen Konflikt änderte sich erst mit dessen Eskalation. Die nicht zuletzt durch die Politik der deutschen Regierung möglich gewordene Zerschlagung des Bundesstaates Jugoslawien wurde von Goran Ivanisevic plötzlich sehr begrüßt. In der Folgezeit wandelte er sich vom unpolitischen Humanisten zu einem kroatischen Nationalisten. Das autoritäre Regime von Franjo Tudjman, des ersten Präsidenten des unabhängigen Kroatiens, benutzte Goran Ivanisevic daraufhin gleichermaßen als sportliches Aushängeschild und politischen Propagandisten. Die Erfolge von Ivanisevic in der Individualsportart Tennis wurden vom Tudjman-Regime ausgeschlachtet, der Sportler galt nun als Symbolfigur für den kroatischen Durchhaltewillen.

Und Ivanisevic füllte die ihm zugedachte Rolle mit Bravour aus. Er gab mit Vorliebe Interviews, die die serbische Bedrohung Kroatiens zum Thema hatten, über die politischen Verhältnisse in Kroatien verlor er dagegen kein Wort.

Seine Leistungen auf dem Court wurden allerdings immer schlechter. Ivanisevic trennte sich von Bob Brett und versuchte mit ständig wechselnden Trainern vergeblich an seine großen Erfolge anzuknüpfen. Die Coaches, die Ivanisevic im Anschluss an Bob Brett betreuten, wurden von ihm jedoch nicht mehr als gleichwertige Partner, sondern lediglich als Befehlsempfänger behandelt.

An eine geregelte Trainingsarbeit war bei solchen Konstellationen nicht zu denken, sodass der ehemalige Top-Spieler Ende der neunziger Jahre bis auf Platz 112 der Tennisweltrangliste abrutschte; er war damals darauf angewiesen, von den Veranstaltern der Topturniere Wild-Cards zu erbetteln, da seine Weltranglistenposition für das Gesetztwerden im Hauptfeld eines ATP-Turnieres nicht ausreichte. In der internationalen Presse galt Ivanisevic sogar schon als »Ritter von der traurigen Gestalt«, der einen würdigen Rücktritt vom Turniertennis verpasst hatte, und für den sich außerhalb Kroatiens kaum noch jemand interessierte.

In diesem Sommer tauchte Ivanisevic plötzlich beim Grand-Slam-Turnier in Wimbledon auf, er hat zuvor wieder einmal wegen seiner schlechten Weltranglistenposition um eine Wild-Card bitten müssen - obwohl er bereits dreimal im Finale des bedeutendsten Tennistourniers der Welt gestanden und dreimal verloren hatte.

Die ersten Spiele gestalteten sich für den Kroaten recht schwierig, dennoch ging er regelmäßig als Sieger vom Platz. Und plötzlich stand er im Halbfinale, wo er zur Enttäuschung der einheimischen Fans den ewigen englischen Hoffnungsträger Tim Henman besiegte. Im Finale schlug er dann den Australier Patrick Rafter in fünf Sätzen. Der Wimbledonsieger Goran Ivanisevic wurde in Kroatien begeistert gefeiert, es gab sogar einen eigenen Siegerkorso.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag gerade Haftbefehle gegen kroatische Generäle erlassen, die Kriegsverbrechen begangen haben sollen und deren Auslieferung die kroatische Regierung beschlossen hatte. Das stieß auf heftigen Widerstand, auch von der Seite Goran Ivanisevics. Er unterzeichnete gemeinsam mit anderen prominenten Kroaten einen offenen Brief, in dem die Auslieferung der kroatischen Generäle abgelehnt wurde. Denn Kroaten können für ihn einfach keine Kriegsverbrecher sein.

Es scheint so, als hätte der Tennispromoter Ion Tiriac wieder einmal recht gehabt. Er hatte über den jungen Ivanisevic einmal gesagt: »Er hat eine große Karriere vor sich, weil er einen Scheißcharakter hat.«