Boliviens Präsident Banzer ist zurückgetreten

Schlumpf statt General

Freiwillig hat Hugo Banzer den Präsidentenpalast in Boliviens Metropole La Paz nicht geräumt - dem alten General blieb einfach nichts anderes übrig. Lungen- und Leberkrebs hatten US-amerikanische Ärzte bei dem 75jährigen ehemaligen Diktator diagnostiziert, und Freunde und Minister rieten ihm, das heruntergewirtschaftete Land an einen Jüngeren zu übergeben. Banzer folgte dem Drängen und räumte seinen Posten am 8. August für seinen bisherigen Stellvertreter, Jorge Quiroga.

Quiroga, ein in den USA ausgebildeter Ingenieur, der mehrere Jahre lang für den Computerkonzern IBM arbeitete, soll frischen Wind in den von Klientelismus und Korruption geprägten Politapparat des Landes bringen. Das hoffen zumindest seine Anhänger in der Regierungspartei Acción Democrática Nacionalista (ADN). Dort ist Quiroga Anführer der »pitufos«, der »Schlümpfe«, wie die junge Garde genannt wird, die sich einen Machtkampf mit den »Dinosauriern« der Banzer-Generation liefert.

Dabei nutzte der 41jährige Quiroga geschickt seinen Job als Vizepräsident. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Leitung der staatlichen Antikorruptionsprogramme, die die Regierung halbherzig unter internationalem Druck aufgelegt hat. Korruptionsfälle, in die Verwandte des Präsidenten, aber auch altgediente ADN-Kämpen verstrickt sind, wurden öffentlich und diskreditierten einen Teil des politischen Establishments.

Als Präsident hat Quiroga, dem seine politischen Gegner in der ADN auch Konspiration gegen Banzer nachsagen, nur wenig Rückhalt. Zudem wird er gemäß der Verfassung nur bis zum kommenden August regieren, denn für das erste Halbjahr 2002 stehen Wahlen an, und Anfang August soll dann ein neuer Präsident folgen.

Ein Jahr bleibt dem Übergangspräsidenten somit, um die katastrophale Bilanz Banzers zu korrigieren. Er hatte zwei Ziele verfolgt: den Stopp des Drogenanbaus und die Eindämmung des Schmuggels. Dafür hatte er zwar den Beifall der USA erhalten, aber zahllose Bolivianer um ihre Erwerbsmöglichkeiten gebracht. Alternativen für sie hatte der Staatschef im Generalsrang nicht anzubieten, sodass die Ergebnisse seiner Amtszeit düster ausfallen. Vor allem auf dem Lande hat sich die soziale Situation stark verschlechtert, und der Titel »schlechtester Präsident Boliviens seit einem halben Jahrhundert« ist Banzer sicher.

Auch die politische Klasse ist weitgehend diskreditiert. Vor allem, seitdem das fünfköpfige Wahlgericht im Laufe der letzten Monate komplett zurückgetreten ist. Dessen Präsident, Ivan Gúzman de Rojas, hatte dem Kongress und vielen Parteien vorgeworfen, einen organisierten Wahlbetrug vorzubereiten.

Ein aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaft ist Gonzalo Sánchez de Lozada vom Movimiento Nacionalista Revolucionario. Als Vorgänger Banzers hatte er der Wirtschaft mit einem moderaten neoliberalen Kurs ein durchschnittliches Wachstum von vier Prozent gebracht. Sein wichtigster Gegenspieler ist Ex-Präsident Jaime Paz Zamora vom Movimiento de la Izquierda Revolucionaria. Seiner Partei werfen die Mitglieder des Wahlgerichts vor, das Wahlsystem unter Kontrolle bringen zu wollen.

Quiroga wird es angesichts dieser Konstellation und der drängenden sozialen Probleme schwer fallen, bei der Bevölkerung positive Eimdrücke zu hinterlassen. Denn irgendwann will auch er für das höchste Staatsamt kandidieren.