Die Geschichte des @

Der Wurmbuchstabe

Ray Tomlin hat es 1972 erfunden, seitdem schlägt sich die Welt mit dem @-Zeichen herum und sucht nach seinem Namen.

Wenn es ein Symbol für das Internet und dessen Ausbreitung gibt, dann ist es wohl das @. Steht es doch nach Meinung der meisten User für globale Kommunikation und technischen Fortschritt.

Dabei war das gekringelte Zeichen gar nicht von Anfang an dabei. Es verpasste zum Beispiel den ersten Systemabsturz am 29. Oktober 1969, als Charly Kline erfolglos versuchte, einen Gruß der University of Michigan an das X-25-Netz für Studenten zu senden.

Erst im März 1972 wurde das @-Zeichen zum ersten Mail für Computerzwecke verwendet. Ray Tomlin von BBN (Bolt Beranek and Newman) hatte im Jahr zuvor das E-Mail-Programm aus zwei bereits existierenden Programmen zusammengesetzt: dem intramaschinellen SNDMSG zum Senden einer Nachricht und dem Readmail zum Empfangen. Es im Arpanet zu verwenden, kam Tomlin damals nicht in den Sinn, aber da er Wochen zuvor zufällig ein experimentelles File Transfer Protocol names CPYNET geschrieben hatte, versuchte er eines Abends, mittels eines kleinen Hacks eine Nachricht von einem PDP-10-Rechner der Cambridge University an einen anderen, der im selben Raum stand, zu schicken.

Es funktionierte. »SNDMSG öffnete die Tür«, erklärte Dave Crocker, einer der E-Mail-Pioniere des comupterwissenschaftlichen Instituts an der UCLA, »es kreierte die erste Interconnectivity, alles Folgende baute darauf auf.« Nun fehlte Ray Tomlin nur noch ein Zeichen, mit dem der Name des Adressaten von der Rechneradresse unterschieden werden konnte. Es sollte auf keinen Fall ein Zeichen sein, das zufällig in einem Empfängernamen auftauchen könnte, die Buchstaben des Alphabets schieden daher aus.

Zufällig befand sich auf seiner Schreibmaschine Modell Teletype 33 jedoch ein @. In den englischsprachigen Teilen der Welt wurde dieses Zeichen damals ausschließlich von Kaufleuten verwendet, die damit ihre Angebote auspreisten: 10 pound potatoes @ 9.50 pence/pound konnte man etwa beim Gemüsehändler lesen, der zehn Pfund Kartoffeln zu neun Pence 50 das Pfund verkaufen wollte.

»Ich war als erster da, deswegen konnte ich das Zeichen bestimmen«, sagte Tomlin später, damals habe er noch keine Ahnung gehabt, dass er damit auch ein Symbol für die gesamte Welt festlegen sollte. Deswegen teilte er auch in der ersten E-Mail nichts Zitables mit, wie es Alexander Graham Bell mit seinem »Mr Watson, come here, I want you« beim ersten Telefongespräch oder Samuel Morse »What hath god wrought!« im ersten Telegramm getan hatten. Die erste E-Mail-Botschaft lautete »QWERTYUIOP. Oder so ähnlich«, wie ihr Absender sagt. Die Mail habe eben nur ihre Existenz verkünden sollen, und das @ war ein unverzichtbarer Bestandteil.

Gesprochen wird das Symbol »at«, was eigentlich plausibel ist, User in aller Welt jedoch in ziemliche Verwirrung gestürzt hat, die teilweise bis heute anhält.

In Litauen tat man sich zunächst schwer mit der korrekten Aussprache des seltsamen Kringels, bis heute gibt es dort User, die @ und & verwechseln und das Zeichen hartnäckig »and« nennen. Im Arabischen kann das Zeichen auf englisch-arabischen Tastaturen erzeugt werden, aber einen eigenen Namen hat es in der Umgangssprache - im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern - noch nicht erhalten. »At« heißt es dort schlicht, oder »fi«, wie »at« auf arabisch heißt.

Während die Bevölkerung von Sri Lanka immer noch unschlüssig ist, wie das Gebilde denn jetzt zu nennen ist, ist in anderen Regionen der Erde zumindest klar, dass die Bezeichnung irgendwie aus der Tierwelt stammen muss. Extravagante Lösungen wie das tschechische zavinac, das übersetzt Rollmops bedeutet, der dänische snable (Elefantenrüssel) oder das russische sobochka, kleiner Hund, konnten sich in den meisten anderen Ländern nicht durchsetzen.

Dort hatte man sich schließlich schon längst auf andere Tiere festgelegt. Israelis, Thailänder und Ungarn sind sich darin einig, dass das @ auf jeden Fall ein Kriechtier symbolisiert. Im Hebräischen heißt es deswegen shablul, Schlange, in Ungarn Kukac, was Wurm bedeutet, und in Thailand ist es ein Ai tua yiukiyu, der sich windende Wurm-Buchstabe.

Diese Sicht des Dings können Italiener, Koreaner und Franzosen überhaupt nicht teilen. Für sie sieht das @ ganz klar aus wie eine Schnecke, deswegen wird es chiocciola (italienisch), dalphaengi (koreanisch) oder petit escargot (französisch) genannt.

Was in China kein Mensch verstehen kann: In Mandarin umschreibt man das Adresszeichen mit Xiao lao Shu, was kleine Maus bedeutet. Deswegen spricht man dort auch nicht vom »At«-Zeichen, sondern von Lao Shu Hao, dem Mäusezeichen. Mäusezeichen? So ein Quatsch. miiauu merkki, das Miau-Zeichen, so nennen es die Finnen, denn dort hat man entschieden, dass das @ auf jeden Fall an Katzen erinnert. Und deswegen umschreibt man es entweder mit miiauu oder mit kissanhnta, was Katzenschwanz meint.

Was in Norwegen sicher Proteste hervorrufen würde. Dass es sich bei dem Gekringel unbedingt um einen Schwanz handelt, sieht man zwar auch, aber der befindet sich im Norwegischen an einem völlig anderen Tier: grisehale, Schweineschwänzchen, wird das Zeichen beschrieben. Während die Polen der Schweinelösung zwar zustimmen, aber einen anderen Körperteil im Sinn haben: ucho swini, Schweineohr, heißt es dort, aber so ganz haben sich die polnischen User noch nicht festgelegt. Manche nennen es auch malpha, Affe, und schließen sich damit der weltweit vorherrschenden Meinung an.

Aapestert, Affenschwanz heißt das @ beispielsweise auf Afrikaans, und im verwandten Niederländischen Aapestaart, was dasselbe meint, oder etwas drastischer Apeklotje, Affenhoden. Sonst wird das verrückte A, das ludo A, wie im Serbischen, wo es majmun heißt, häufig einfach nur als Affe bezeichnet. Der deutsche Klammeraffe kommt dem zwar nahe, wenngleich die Verwendung des zoologischen Oberbegriffs für verschiedene, vor allem in Südamerika vorkommende Affenarten von einer bemerkenswerten Phantasielosigkeit zeugt. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen haben die meisten User ein und dasselbe Problem mit dem @: Sie sind nicht in der Lage, es korrekt aufzumalen, was beim Adressenaustausch zu Schwierigkeiten führt. Die verschmierten Kringel, die dabei herauskommen, müssen regelmäßig vom Hinweis, »das sei dieses Dings-Zeichen da«, begleitet werden. Auch die Erzeugung des @ auf der Computer-Tastatur bleibt umständlich, bis heute muss man als Mac-User bei den meisten Rechnern eine umständliche Tastenkombinationen drücken, denn die Tastaturen sind immer noch mit Zeichen belegt, die kaum jemand braucht.

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die den technischen Fortschritt erschweren. Damit hat Tomlin damals sicher nicht gerechnet.