Flüchtlingsabwehr in Köln

Die Bronx am Rhein

Köln will für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich werden und sie deshalb am Stadtrand kasernieren.

Willkommen in Köln, dem »Treffpunkt für Menschen aus aller Welt«. So präsentiert sich die Stadt gern als »weltoffene Millionenmetropole«. Aber nur, solange nicht die Falschen kommen. Denn Köln ist in Not. Schamlos missbrauchen ausländische Zigeunerbanden die kölsche Gastfreundschaft und ziehen plündernd und raubend durch die Straßen. So sehen es zumindest einige Lokalpolitiker.

Wie dramatisch die Lage angeblich ist, dokumentierten im Juli in einer gemeinsamen Erklärung der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen (SPD) und Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU): »Seit Beginn des Jahres ist ein verstärkter, illegaler Zuzug von Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien gezielt nach Köln zu verzeichnen. Darunter befinden sich auch viele Roma. Seitdem treten im Umfeld der Unterbringungsheime erhebliche Probleme auf, die sich in Nachbarschaftsbeschwerden über Sachbeschädigungen, Lärmbelästigungen etc. darstellen. Seitdem ist auch die Zahl der Tageswohnungseinbrüche und Taschendiebstähle drastisch angestiegen.« Ein Jahr nach dem Antifa-Sommer ringen nun die Kölner Parteien darum, wie sie den Zustrom von Flüchtlingen stoppen können.

Rund 3 700 »unerlaubt eingereiste Personen« - Flüchtlinge also, deren ausländerrechtlicher Status nicht geklärt ist - leben zurzeit in Köln. Nach Ansicht der Stadtratsparteien CDU, FDP und SPD sind das viel zu viele, vor allem zu viele Roma. Denn gerade sie betrieben »eine gezielte Zuwanderung, um sich in Köln kriminell zu betätigen«, heißt es aus dem schwarz-gelb regierten Rathaus. »Vorrangige Aufgabe von Verwaltung und Politik« sei es, so verkünden es die Fraktionsvorsitzenden Rolf Bietmann (CDU) und Ralph Sterck (FDP), »die Zahl der sich unerlaubt aufhaltenden Personen deutlich zu reduzieren«. Das große Vorbild ist Düsseldorf. Die Nachbarstadt beherberge »derzeit lediglich 300 Personen«. Auch die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Dörte Gerstenberg, stimmt in den Chor ein: »Von zentraler Bedeutung ist und bleibt es, den Zustrom unerlaubt einreisender Personen nach Köln einzudämmen.«

Nur über die konkreten Abwehrmaßnahmen bestehen noch Differenzen. So will die SPD die bisherige Versorgung von Flüchtlingen »im Kern erhalten« und die Verwaltung nur beauftragen, »zu prüfen, ob und für welche Gruppen Sachleistungen in Kombination mit Bargeld an die Flüchtlinge ausgehändigt werden können«. Für die CDU und die FDP steht indes fest, »dass Sozialhilfeleistungen nur noch als Sachleistungen und nicht mehr als Geldleistungen erfolgen« sollen.

Weiter umstritten ist auch die Unterbringung der Flüchtlinge. Während sich die Sozialdemokraten für Wohneinheiten »für maximal 200 Personen« aussprechen, haben Christdemokraten und Liberale Größeres im Sinn. Die Unterbringung in Großunterkünften mit Gemeinschaftsverpflegung soll Köln für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich machen. Da dort auch eine Schule und ein Kindergarten integriert werden sollen, würden die Kontakte zur Bevölkerung in der Umgebung auf ein Minimum reduziert.

In den Ratsferien hatte Oberbürgermeister Schramma bereits versucht, Nägel mit Köpfen zu machen. 600 Flüchtlinge wollte er in einer ehemaligen belgischen Kaserne im rechtsrheinischen Stadtteil Porz unterbringen. Doch sein Plan scheiterte am Widerstand der dortigen Bevölkerung. Porz dürfe nicht zur »Kölner Bronx« werden, verkündeten die so genannten Kritiker und Gegner der forensischen Klinik Köln-Porz-Westhoven, die sich selbst die Bürger-Kafor Köln nennen. Weil die nordrhein-westfälische Landesregierung in Porz schon eine forensische Klinik ansiedeln wolle, stelle die Unterbringung von Flüchtlingen in der angrenzenden Kaserne eine »unzumutbare zusätzliche Belastung« dar. Schon jetzt sei »die Integrationsfähigkeit der betroffenen Bevölkerung bereits vollkommen ausgeschöpft«, so Hans Burgwinkel, Sprecher der Bürger-Kafor. Markige Töne kamen auch vom FDP-Bezirksvertreter Björn Dietzel: »Porz ist nicht die Kölner Müllkippe.«

Eine für Mitte August geplante »Großdemonstration« sagten die Organisatoren jedoch kurzfristig wieder ab. Man befürchtete, dass neben der Bürger-Kafor und diversen Lokalpolitikern von CDU, FDP und SPD auch Leute marschiert wären, mit denen auf einem Foto zu posieren sich nicht schickt. Denn auch die rechtsextreme Bürgerbewegung pro Köln, der neonazistische Siegener Bärensturm und der Nationale Widerstand Sauerland/Siegerland riefen zur Demonstration gegen die Flüchtlinge auf. »Das wird ein Heimspiel werden«, jubilierte die pro Köln-Vorsitzende Judith Wolter. Sie freute sich zu früh. »Um die Ziele der Veranstaltergemeinschaft nicht zu gefährden und Ausschreitungen zu vermeiden, war eine Absage zwingend erforderlich«, teilte der Anmelder Burgwinkel mit. Schließlich distanziere er sich »von rechten und linken Radikalen jeder Art«.

Gewonnen hat Burgwinkel trotzdem. Am Tag der Absage der Demonstration machte die Stadtverwaltung einen Rückzieher. Seitdem sucht sie verzweifelt nach geeigneteren Standorten als Porz. Am Plan der Flüchtlingskasernierung will sie indes wegen der erhofften abschreckenden Wirkung festhalten. Und weil größerer Protest nicht zu erwarten ist.

Dennoch ist die eine oder andere Gegenstimme zu hören, etwa vom Kölner Flüchtlingsrat, dem Verein für die Verständigung von Rom und Nicht-Rom (Rom e.V.) sowie aus den Reihen der Grünen und der PDS. Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat wirft der Stadt vor: »Was jetzt passieren soll, ist Ausgrenzung pur.« Der stellvertretende grüne Ratsfraktionsvorsitzende Jörg Frank kritisiert: »Eine solche Masseninternierung ist nicht human.« Und das Stadtratsmitglied Jörg Detjen von der PDS fordert dreist »kleine dezentrale Flüchtlingseinrichtungen, wo die Menschen sich erholen und wieder reaktivieren können«.

Doris Schmitz, Vorstandsmitglied des Rom e.V., fühlt sich gar »an die Apartheidspolitik« erinnert. Sie befürchtet »eine Bestrafung der Menschen, die sich seit Jahren um eine Integration in die Gesellschaft Kölns bemühen«. Diesen Vorwurf kann der stellvertretende CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Jürgen Klipper nur schwer verstehen. Schließlich weiß er: »Der Integrationswille der Flüchtlinge ist ohnehin nicht sehr hoch.«

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich die CDU und die FDP mit ihrer Ausgrenzungspolitik durchsetzen werden. Willkommen in Köln, dem »Treffpunkt für Menschen aus aller Welt«!