Evolution und Sport

Pferde, aufgepasst!

Josef H. Reichholf ist ein ehrenwerter Mann, denn er ist Präsidiumsmitglied des World Wide Fund for Nature (WWF) und im letzten Jahr hat er sogar ein Buch über »Ökologische Intelligenz« veröffentlicht.

Leider hat er aber überhaupt keine Ahnung vom Sport. Ist ja wohl noch lange kein Verbrechen, oder? Stimmt, würde man sagen, hätte der von seinem Verlag als »renommierter Evolutionsbiologe« angepriesene Münchener nicht bei dtv ein Buch veröffentlicht mit dem Titel: »Warum wir siegen wollen. Der sportliche Ehrgeiz als Triebkraft in der Evolution des Menschen.«

All die Pferde, Schimpansen und Warzenschweine, die diese Seite gern lesen, müssen jetzt ganz tapfer sein. Denn was den Sport betrifft, ist der Homo sapiens ihnen über. Josef H. Reichholf hat in seinem Werk sogar herausgefunden, dass der Mensch der »völlig unangefochtene Kombinationssuperstar« sei: »Ein Marathonläufer, von denen es ja wirklich viele gibt, kann ohne besonderes Taining auch jeden Weitwurf-Wettbewerb mit jedem anderen Säugetier gewinnen.«

Allgemeiner und umständlicher formuliert: »Der Mensch nimmt in einer ganzen Anzahl von Leistungsbereichen Spitzenpläze ein und hat auf so gut wie allen anderen, das aktive Fliegen ausgenommen, ebenfalls nicht verdient, ein Mängelwesen genannt zu werden.«

Oft springt Josef H. Reichholf zurück in jene Zeit, als der Mensch noch kein Mensch war. Angesichts der Tatsache, dass beim Jogger »die körpereigenen Suchtstoffe, die Endorphine, mit ihrer verstärkten Produktion das lustbetonte Weiterlaufen erzeugen«, fragt er sich und uns: »Ließen sie einstens schon die Läufer über die Savanne eilen, um am Kadaver Erste zu werden?«

Aber warum macht Josef H. Reichholf das? »Vielleicht ist es gut, über das Fenster des Sports ein wenig tiefer in diese Vergangenheit zu blicken?« schreibt er, und man merkt, auch das Sprechen in Bildern und das Setzen von Fragezeichen sind seine Sache nicht. Als hätten in dunkler Vergangenheit nicht schon genug Akademiker allerlei Seltsames über den Sport fabuliert, meint auch Josef H. Reichholf, feststellen zu müssen, jener bringe »außer kurzfristiger Spannung nichts weiter als irgendwelche 'Siege' und noch mehr Niederlagen, die für unser aller Leben reichlich bedeutungslos sind«.

Unser Evolutionsbiologe gehört wohl zu jenen Zeitgenossen, die sich gern amüsiert fragen, warum eigentlich 22 Menschen in kurzen Hosen einem Ball undsoweiter. Diesen Eindruck erweckt er auch mit einem Szenario, das er entwirft, um zu zeigen, dass es den Sportinteressierten nicht auf »Schönheit« ankomme, sondern dass sie eine »Schlacht« sehen wollten.

Bei einem Fußballspiel »rasen« nämlich zwei Mannschaften nicht »kräftezehrend kreuz und quer übers Feld, um einen schwer am Fuß zu haltenden, mitunter recht eigenwilligen Ball mehr oder weniger gekonnt zu treten«, sondern sie führen statt dessen »Ballkunststücke« vor und schießen »mit voller Wucht« aufs eigene Tor - wobei die in diesen Dingen schlechtere Mannschaft die Leistung des Besseren akzeptiert: »Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde so ein absolut faires... Mannschaftsverhalten einen Aufstand zweier 'Völker' im Stadion zur Folge haben, die jetzt ... mit roher Gewalt nachholen, was ihnen der edle Wettstreit vorenthalten hat. Sollten sie vorher gar noch mit Nationalhymnen ... eingestimmt worden sein, dürfte der Stadionkrieg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausbrechen.«

Nicht bloß mit einiger Wahrscheinlichkeit, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat Josef H. Reichholf ein paar