Arabische Reaktionen auf die Anschläge in den USA

Entsetzen und Beschuldigungen

Der zweite Turm des World Trade Centers stand noch, als CNN schon Bilder jubelnder Palästinenser aus Ost-Jerusalem zeigte, die den Anschlag so frenetisch begrüßten wie sonst nur Selbstmordattentate auf Israelis. Auch wenn Yassir Arafat als einer der ersten Politiker im Nahen Osten den Anschlag verurteilte, werden diese Bilder das Ansehen der Palästinenser weit mehr beeinflussen als alle offiziellen Beileidskundgebungen.

Entsprechend bemühen sich palästinensische Politiker und Journalisten, deren Bedeutung zu relativieren. So behauptete etwa die Jordan Times, dass CNN älteres Bildmaterial verwendet habe. Am nächsten Tag erschienen die jordanischen und palästinensischen Zeitungen mit Fotos von Mahnwachen vor den US-Konsulaten, Blut spendenden Palästinensern und Kindern, die amerikanische Fahnen schwenkten, statt sie, wie sonst üblich, zu verbrennen.

Die offiziellen Beileidsbekundungen wurden allerdings konterkariert von Solidaritätsdemonstrationen der Hamas für Ussama Bin Laden in verschiedenen palästinensischen Städten. Associate Press meldete, ihre Reporter seien von der Palästinensischen Autonomiebehörde daran gehindert worden, Bilder von einer Jubelfeier aus Nablus zu senden.

Die westliche Berichterstattung über jubelnde Palästinenser, so der palästinensiche Kolumnist Ray Hanina, drohe »das moralische Fundament der USA zu werden, um wesentlich härter gegen die palästinensischen Interessen vorzugehen, als sie es ohnehin schon tun.« Auch legitimiere sie die Israelis, jetzt noch kompromissloser die Intifada zu bekämpfen als zuvor, ohne dass sich in der Welt irgendwelcher Widerstand regen werde.

So erklärte mir ein syrischer Taxifahrer, in Wirklichkeit hätten die Zionisten die Attentate durchgeführt, um sich die Unterstützung der Welt für ihren Vernichtungsfeldzug gegen die Palästinenser zu sichern. Eine Theorie, der auch einige Freitagsprediger im Iran anhingen, die deshalb im Namen der Opfer des Anschlages zur Rache an Israel aufriefen. Das sind Reaktionen, die im Nahen Osten eine Ausnahme bilden, denn offiziell verurteilten außer der irakischen alle Regierungen der Region das Attentat umgehend. Nur das irakische Staatsfernsehen unterlegte die Bilder des brennenden World Trade Centers mit der Liedzeile »Nieder mit Amerika«, während ein Sprecher erklärte, die Anschläge seien die »Quittung für die amerikanischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit«.

Arabische Zeitungen, wie die ägyptische Al-Ahram, schreiben den USA die alleinige Schuld an dem Attentat zu, und durchgängig wird die einseitig pro-israelische Haltung der USA von den Medien kritisiert. Doch auf den Straßen Syriens und Jordaniens herrscht keineswegs Freude oder Jubel. Vielmehr wird der Anschlag fast einhellig als barbarische Tat verurteilt, und offensichtlich entsetzt verfolgten die Menschen in den Kaffeehäusern die Berichte des arabischen Nachrichtensenders Al-Jezeera. »Wir unterscheiden zwischen der amerikanischen Regierung und den unschuldigen Opfern des World Trade Centers, warum glaubt man jetzt, alle Araber seien Terroristen?« fragte ein jordanischer Grenzbeamter, der einen neuen »Kreuzzug« gegen die Araber und den Islam fürchtet.

Täglich wächst zudem die Angst vor Vergeltungsschlägen der USA, sollten die Spuren der Attentäter in den Nahen Osten weisen.