Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion

»Terror muss bekämpft werden«

Unter dem Motto »Frieden! Gerechtigkeit weltweit!« stand der Parteitag der PDS am vergangenen Wochenende in Dresden. Die dort geführte Auseinandersetzung über die Anschläge in Washington und New York war geprägt vom Streit um die künftige außen- und militärpolitische Rolle der Partei. Wolfgang Gehrcke ist außenpolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion. Auf dem Parteitag in Münster unterstützte er vor anderthalb Jahren die Forderung des Vorstands, Uno-Militäreinsätzen im Einzelfall zustimmen zu können

In Ihrer Rede haben Sie betont, wie sehr Sie sich freuen, »einmal ganz eins mit der Partei« zu sein. Mussten Sie da an den Parteitag von Münster denken, wo die Delegierten dem Vorstand und der Bundestagsfraktion eine schwere Niederlage bereiteten?

Ja, das kann ich nicht verhehlen. Denn ich möchte natürlich, dass die Fraktion sich in Übereinstimmung mit ihrer Basis und der Partei befindet. Schließlich sind die Abgeordneten keine Besserwisser, die der Partei vorauslaufen, sondern eingebunden in die Beschlüsse der Delegierten.

In Münster lehnten fast zwei Drittel der Delegierten den Vorschlag ab, von der Uno abgesegneten Militäreinsätzen künftig im Einzelfall zuzustimmen. Nun findet sich fast die gleiche Passage wie damals im Programmentwurf des Vorstands wieder, mit dem Unterschied, dass darüber im einzelnen gar nicht abgestimmt wurde. Sind Sie wirklich so eins mit der Partei, wie Sie glauben?

Im Gegensatz zu Münster habe ich dieses Gefühl schon. Es ist doch legitim, neue Argumente, neue Erkenntnisse einem Parteitag auch vorzutragen, und der ist so souverän, sie aufzunehmen oder zu verwerfen.

Finden Sie es nicht absurd, das PDS-Programm für Militäreinsätze zu öffnen, sie aber bei der Bekämpfung des Terrorismus kategorisch auszuschließen?

Meine Position ist es nicht, Militäreinsätzen zuzustimmen. Im Gegenteil: Insbesondere unter Beteiligung der Bundeswehr werde ich diese immer ablehnen. Das ist auch Konsens in der Bundestagsfraktion. Worüber wir diskutieren, ist eine Sicherheitsarchitektur jenseits der Nato, die eben nicht primär auf militärischen Strukturen beruht, sondern auf andere, zivile internationale Institutionen baut. So schlecht wie die Uno ist, scheint sie mir dennoch am besten geeignet, weltweit verbindliche Regeln zu setzen. Selbst wenn sie auch in Zukunft Ausdruck der Politik der Großmächte sein wird.

Aber die Unterstützung für die USA innerhalb der Vereinten Nationen ist doch derzeit so groß wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Da müssten Sie nach ihrer Argumentation Militärschlägen doch zustimmen.

Ganz im Gegenteil. Wir haben hier in Dresden doch einen Beschluss gefasst, der den Passus enthält, dass unter der Flagge der weltweiten Anti-Terror-Koalition viele Staaten nun versuchen, ihre Partikularinteressen durchzusetzen. So sorgen die unterschiedlichen Motive der Großmächte in den Vereinten Nationen vielleicht derzeit für Einigkeit. Ein Beschluss, den ich für politisch falsch halte, wird aber dadurch nicht besser, dass ihn die Uno gefällt hat.

Petra Pau, Gregor Gysi und der Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sehen das anders. Sie haben sich für Kommandounternehmen ausgesprochen, die zwar polizeilichen Charakter hätten, letztlich aber von Militärs durchgeführt werden müssten. Wird sich die Parlamentsfraktion diese Position demnächst zu eigen machen?

Alle drei waren in der Debatte in der Fraktion bestens aufgehoben. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, wie Terror zu bekämpfen ist, die natürlich polizeiliche und auch Zwangsmittel nicht ausschließen.

Das also unterstützen auch Sie?

Ich habe von Anfang an gesagt, dass Terror bekämpft werden muss: präventiv und auch durch Repression. Dazu gibt es in zivilen Gesellschaften die Polizei. Auf keinen Fall aber darf es einen Krieg geben oder militärische Abenteuer.

Gysi hat militärische Eingriffe nicht ausgeschlossen.

Ich glaube, dass es in diesem Fall nicht so erheblich ist, welches Instrumentarium man vorschlägt. Ich glaube aber auch nicht, dass Kommandounternehmen, wie sie Gysi vorschweben, in der Realität überhaupt durchgeführt werden können. Wenn sie jedoch tatsächlich stattfinden sollten, könnten sie zu weiteren kriegerischen Entwicklungen führen. Das war der Kern unserer Differenz.

Ganz ähnlich argumentiert auch Winfried Wolf, ihre Hauptkontrahent in Sachen Außenpolitik in der Bundestagsfraktion.

Im Gegensatz zu mir hat Wolf aber ein sehr traditionalistisches Bild, was die Ursache aller Konflikte in dieser Welt anbelangt. Denn selbst wenn ich davon ausgehe, dass letztlich alle Konflikte ökonomische oder geostrategische Ursachen haben, ist die Analyse doch vielfältiger. Ich muss mich schon mit ethnisch begründeten Konflikten sowie mit separatistischen Bewegungen auseinandersetzen. Und befassen muss ich mich auch mit einem Zerfall von Staatlichkeit, was weltweit die Ursache von Bürgerkriegen ist.

Die Mehrheit der Redner auf dem Parteitag sah das ganz anders. Die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, der Neoliberalismus oder ganz einfach nur der »Weltpolizist USA« wurden für die Mehrzahl der Übel und Konflikte auf der Welt verantwortlich gemacht.

Ich habe Zeit meines Lebens gegen diese Politik der USA gekämpft. Ich wehre mich aber dagegen, Terroranschläge aus der Politik der USA alleine herzuleiten. Das Verbrechen der USA in Vietnam, das aus meiner Sicht Völkermord war, erklärt nicht die Angriffe auf das Pentagon und das World Trade Center heute. Da muss man schon anders, und vor allem viel differenzierter, argumentieren. Aus dieser Logik muss man ausbrechen.

Glauben Sie denn, dass das der PDS gelingen wird? Die meisten Mitglieder argumentieren doch geradezu reflexartig so, wie Sie es kritisieren.

Ich wüsste keine andere Partei, die das so vernünftig formuliert wie die PDS. Aber Parteien sind natürlich nie alleine das A und O, und ohne gesellschaftliche Bewegungen sitzen sie sehr bald schon auf dem Trockenen.

Müsste in einer Partei wie der PDS ebenso wie in der außerparlamentarischen Opposition nicht viel weniger über die Politik der USA und mehr über den Terrorismus, bzw. den radikalen Islamismus diskutiert werden?

Selbstverständlich. Die Linke, und ich schließe mich da ein, hat noch längst nicht begriffen, welche Lehren, welche Schlussfolgerungen aus den Anschlägen zu ziehen sind. Wenn nun von einigen Linken der so genannte wahre Islam, der natürlich nicht terroristisch ist, verteidigt wird, kann ich das einfach nicht verstehen. Auch wenn Menschen, die gläubige Muslime sind, jetzt nicht zu Terroristen gemacht werden dürfen. Aber deshalb höre ich doch nicht auf, das reaktionäre Gesellschaftsbild des Islamismus zu kritisieren. Linke scheinen immer den Drang zu verspüren, Gruppen, die unter Druck geraten, verteidigen zu müssen. Da mach' ich nicht mit. Ich bin ein Feind der Taliban, und ich habe auch mit Saudi-Arabien nichts am Hut. Diese reaktionären Regimes bedeuten letztlich einen Rückfall ins Mittelalter und müssen überwunden werden.

Wäre angesichts der Allianzen zwischen Rechtsextremen und Islamisten ein militärisches Eingreifen nicht doch angemessen, ähnlich der Intervention der Alliierten 1945?

Die Taliban sind nicht die Nationalsozialisten, und ihre Herrschaft ist auch nicht vergleichbar mit der Einzigartigkeit der faschistischen Verbrechen. Wer das behauptet, relativiert den Nationalsozialismus. Das ändert aber nichts daran, dass ich an sinnvollen Bündnissen interessiert bin, die den Taliban den Boden entziehen. Ziel dieses Kampfes muss es sein, die Isolierung der afghanischen Gesellschaft rückgängig zu machen. Dann bricht auch dieser Gottesstaat in sich zusammen ...

... und wird von einem Uno-Protektorat ersetzt.

Es kann Übergangsformen geben, das will ich nicht ausschließen. Doch ebensowenig wie der unterdrückerische Staat der Taliban in einer modernen Welt einen Platz hat, darf die Antwort sein, dort eine Monarchie auf ganz ähnlicher Grundlage einzuführen.