Sportpresse in Griechenland

Jeden Tag ein Fanzine

In der griechischen Sportpresse finden selbst Fans exotischer Clubs dank eines reichen Angebots ihr Blättchen.

Wie die Wäsche an der Leine, also schön ordentlich nebeneinander aufgereiht, hängen Morgen für Morgen an Griechenlands Kiosken die druckfrischen Zeitungen. Die Leine ist lang gespannt, schließlich erscheinen nicht weniger als 16 Tageszeitungen - das zeigt den besonderen Stellenwert, den die Zeitungslektüre im griechischen Alltag einnimmt.

Doch es ist nicht nur die politische oder die Wirtschaftspresse, die da aushängt. In Griechenland erscheinen täglich sieben reine Sportzeitungen, diese Anhäufung ist in Europa wohl einzigartig. Welche sich jedoch der Sportfan am Kiosk schnappt, hängt weniger von der journalistischen Qualität der Gazetten ab als vielmehr davon, für welchen Verein die Zeitung schreibt.

Denn genauso wie Griechenlands allgemeine Zeitungen allesamt parteipolitisch ausgerichtet sind, sind die Sportzeitungen an die Vereine der ersten Nationalliga gebunden. Schlägt das Herz des griechischen Fußballfans beispielsweise für den großen und als volkstümlich geltenden Club Olympiakos Piräus, dann wird er sicher zu fos ton sport (»Licht des Sports«) oder der Protathlitis greifen, denn dort kann er sicher sein, die neuesten Infos über seine Elf zu bekommen. Selbst die Randgeschichten über den Zeugwart des Dauermeisters oder die Discoeskapaden des dritten Trainers kommen hier nicht zu kurz.

Ein Fan des großen Konkurrenten und in den vergangenen fünf Jahren ewigen Zweiten der griechischen Nationalliga, Panathinaikos Athen, gäbe jedoch für diese Zeitung keine Drachme aus. Warum auch? Zum einen würde er die Geschichten über seine Lieblinge dort allenfalls ganz weit hinten finden, womöglich sogar noch hinter den Neuigkeiten über die griechischen Gewichtheber. Zum anderen wären diese Storys sicher alles andere als objektiv.

Also greift der Panathinaikos-Fan lieber gleich zum Sportecho, zu Derby oder noch besser zur Athlitiki - da weiß er, was er hat. Nämlich drei Sportzeitungen, oder besser: fast schon Fanzines, die sich hingebungsvoll um seinen Verein kümmern. Die Redakteure dieser Blätter sind allesamt Anhänger des Athener Vorstadtvereins und lassen sich keine Ballberührung ihrer Helden entgehen. Anschließend wird das Gesehene in Worte gefasst und kreuzbrav aufgeschrieben.

Aber auch die Supporter des dritten großen griechischen Fußballclubs, AEK Athen, kommen nicht zu kurz. Für sie erscheint die ora ton spor (»Zeit des Sports«). Und selbst die unter griechischen Fußballfans eher selten vorkommende Spezies von Ballliebhabern, die mit keinem der drei großen Clubs etwas am Hut haben, weil sie vielleicht Underdogs wie den Inselprovinzclub OFI Kreta favorisieren, werden zeitungsmäßig versorgt. Der Filathlos (»Der Freund des Sports«) ist eine ziemlich populistische Zeitung, deren sportliche Linie recht einfach zu beschreiben ist: »Der Freund des Sports« ist immer gegen die großen und reichen Vereine.

Der Tenor der dort erscheinenden Artikel lässt sich schnell zusammenfassen: Es gibt in Griechenland einfach keine fußballerische Gerechtigkeit mehr. Die Athener Vereine werden schamlos bevorzugt und die kleinen Clubs bleiben auf der Strecke. Selbst damit lässt sich Auflage machen.

Lediglich die Sporttime bildet in diesem Vereinseinerlei eine kleine Ausnahme. Sie versucht, über alle Clubs gleichermaßen zu berichten und möglichst objektiv die sportlichen Ereignisse wiederzugeben. Dazu verfügt sie über einen informativen Auslandssportteil, der den anderen Zeitungen nicht so wichtig erscheint. Immerhin bringt es die Sporttime mit dieser Ausrichtung auf eine tägliche Auflage von 21 000 Stück, dicht gefolgt von der fos ton sport mit 20 000. Protathlitis und Filathlos erreichen 15 000 respektive 12 000 Leser pro Tag, die anderen Sportorgane finden regelmäßig weniger als 10 000 Anhänger.

Dabei erwartet die Konsumenten kaum einmal eine Überraschung. Die Schreibe der griechischen Sportpresse erschöpft sich oft in einem dem Spielverlauf chronologisch nachgeschriebenen Bericht. Journalistisch anspruchsvollere technisch-taktische Analysen, sozio-kulturelle Annäherungen an das Fußballspiel oder Kommentare kommen so gut wie nie vor. Die durchweg farbig aufgemachten Zeitungen sind zudem äußerst langweilig layoutet und erinnern an die deutsche Boulevardpresse.

Auch im Sport finden sich auf den griechischen Titelseiten ausnahmslos gewagte Wortschöpfungen in den Überschriften. Dort werden in einer wahren Explosion von Gefühlen Siege gefeiert und Niederlagen bedeutungsschwer betrauert. Andere Sportarten als der Fußball haben dagegen kaum eine Chance, ins Blatt zu kommen. Selbst Tabellen und Spielberichte aus den Niederungen des griechischen Gekickes bis weit hinab zur vierten Liga lassen sich eher finden als zum Beispiel das Ergebnis eines wichtigen Volleyballländerspiels.

Diese inhaltliche wie journalistische Ausrichtung der griechischen Sportpresse resultiert aus der mangelnden Tradition eines kritischen Sportjournalismus, wie er sich beispielsweise in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren entwickelt hat. Der Sportjournalismus in Griechenland war und ist immer noch nationalistisch geprägt. Siege der heimischen Teams sind nationale Triumphe, Niederlagen gleichen schweren Tragödien.

Aber egal, wie es ausgegangen ist, die griechischen Teams kommen in der Presse immer ganz gut weg. Denn wenn sie verlieren, haben sie entweder ziemlich viel Pech gehabt oder die Gegner waren einfach unschlagbar. Jedenfalls haben die anderen den Sieg eigentlich nie richtig verdient.

Vielleicht äußern sich griechische Intellektuelle deshalb erst gar nicht zum Thema Sport. Sie erkennen im Sporttreiben kein kulturelles Phänomen, über das es sich öffentlich zu debattieren lohnt. Der Versuch, die i omatha (»Die Mannschaft«), eine gute, der großen französischen Sportzeitung L'Equipe ähnliche Zeitung, zu etablieren, war in Griechenland in den sechziger Jahren gescheitert. Sie fand zwar zunächst eine gute Resonanz, wurde dann aber von der großen Politikzeitung Ta Nea adoptiert und verschwand vom Markt.

Wer also etwas über die Dopingproblematik, über die griechische Sportpolitik oder Hintergrundberichte über die Olympiavorbereitung 2004 und ihre Folgen für die Stadt Athen lesen möchte, der lässt am besten die Sportzeitungen an der langen Leine hängen und greift zu einer der 16 Tageszeitungen.