Wirtschaftskrise

Kaffee mit Milosevic

Ein Jahr nach dem Sturz Slobodan Milosevics hat die serbische Regierung ihre Popularität vollends eingebüßt. Eine Kampagne gegen die Korruption soll die Bevölkerung wieder günstig stimmen.

Bisher hatte es Bogoljub Karic immer geschafft, sich und sein aus Banken und TV-Sendern bestehendes Imperium unbeschadet durch die neuen komplizierten Machtverhältnisse in Jugoslawien zu steuern. Doch Anfang Oktober versagten die Fähigkeiten des reichsten Mannes Serbiens. Angeblich aus Angst um sein Leben floh der Millionär nach Russland. Sein Exil begründete Karic damit, er habe rund um seine Villa Scharfschützen beobachtet und müsse nun annehmen, die serbische Regierung wolle ihn beseitigen.

Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ihm die Regierung nicht nach dem Leben, sondern nach dem Geldbeutel trachtet. Denn Karic gehört zu jenen jugoslawischen Multimillionären, die während der Regierungszeit Slobodan Milosevics große Privilegien genossen. Eigens für diese Gruppe hat die neue serbische Regierung unter Zoran Djindjic im Sommer dieses Jahres ein Gesetz geschaffen, mit dessen Hilfe vor allem die bankrotten Staatskassen aufgefüllt werden sollen. Allein von Karic wären knapp 34 Millionen Euro an Strafsteuern zu erwarten.

Doch die Initiative ist juristisch bedenklich. So wandte sich unter anderen auch der jugoslawische Finanzminister Jovan Rankovic gegen das Gesetz. Es sei »verfassungswidrig und außerdem nicht durchführbar«. Obwohl Rankovic der Demokratischen Partei Serbiens (DSS) des jugoslawischen Staatspräsidenten Vojislav Kostunica angehört und deshalb daran interessiert ist, die gesetzgebenden Initiativen des serbischen Premiers und politischen Gegners Djindjic zu verhindern, ist der Einwand des Finanzministers nicht ganz unberechtigt. Denn welche nun genau die Privilegien sind, die den millionenschweren Nutznießern des Milosevic-Regimes finanzielle Vorteile verschafft haben sollen, ist in dem Gesetz nicht eindeutig definiert.

Der Text liest sich eher wie eine hastig ausgearbeitete Anleitung zur dringend nötigen Geldbeschaffung für den bankrotten serbischen Staatshaushalt. Selbst im Fall von Karic, der einmal damit prahlte, jederzeit »mit Milosevic auf einen Kaffee gehen zu können«, ist nicht ganz klar, wie ihn diese Freundschaft zum Multimillionär gemacht haben soll. Zum Aufbau eines Mobilfunknetzes und des TV-Senders BK-TV hat Milosevic vermutlich wenig beigetragen.

Eines aber macht Karic für die neue Regierung überaus verdächtig: Er bezahlt derzeit die Rechnungen für Milosevics Sohn Marko, der sich im Exil in Russland befindet. Andererseits hat Karic aber auch die Djindjic-Regierung tatkräftig unterstützt. Mehrere Millionen US-Dollar spendete er für einige ihrer Werbekampagnen. So wäre Karic auch beinahe Empfänger einer Rechnung der Popikone Madonna geworden, die eigentlich am 5. Oktober zum ersten Jahrestag des Sturzes von Milosevic in Belgrad auftreten sollte - als Star einer von der Regierung inszenierten Jubelwoche anlässlich der Machtübernahme.

Doch dann sparte man sich diesen Auftritt, der eine halbe Million Euro gekostet hätte. »Es ist keine Zeit zum Feiern, die Arbeit muss getan werden«, sagt auch Predrag Markovic von G17plus, einem Think-Tank für Wirtschaftsfragen in Belgrad. Ein Jahr nach dem Ende der Milosevic-Ära muss stark gezweifelt werden, ob die Regierung Djindjics zur Arbeit überhaupt fähig ist, denn das Fehlen eines Programms zur wirtschaftlichen Sanierung des Landes macht sich immer deutlicher bemerkbar. Die Wirtschaftspolitik der Regierung gleicht einem permanenten Krisenmanagement, nur punktuell werden kurzfristige Lösungen präsentiert.

Die derzeitige Anti-Korruptionskampagne ist ein gutes Beispiel dafür. Die vorgesehene Einspeisung der über 30 Millionen Euro aus dem Vermögen von Karic in das staatliche Budget kann die finanziellen Probleme der Republik keinesfalls reduzieren, Djindjic erhofft sich davon aber ein besseres Image seiner Regierung. Denn immerhin bezichtigte Kostunica vor etwas mehr als einem Monat die serbische Regierung, sie unterhalte enge Verbindungen zur Mafia des Landes und sei am Zigarettenschmuggel beteiligt.

Trotzdem hat die Kampagne kaum einen propagandistischen Effekt erzielt, denn totz allem müssen vorrangig die Armen zahlen. So war Djindjic zwar gezwungen, die angekündigte 40prozentige Erhöhung der Strompreise zurückzunehmen und auf 15 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig demonstrieren aber genau jene Arbeiter gegen ihn, die vor einem Jahr Milosevic aus dem Präsidentenpalast vertrieben hatten: die Beschäftigten der Kolubara-Mine im Süden Belgrads wenden sich gegen neue Privatisierungen und eine weitere Aushöhlung des jetzt schon sehr grobmaschigen sozialen Netzes. Die serbischen Gewerkschaften arbeiten währenddessen an einem Konzept für einen ausgedehnten Generalstreik.

Kaum eines der zahlreichen Versprechen, die Djindjic bei seinem Regierungsantritt gab, wurde bisher eingehalten. Nach einer Analyse von G17plus ist der Lebensstandard der Bevölkerung seit dem Ende der Regierung Milosevic sogar gesunken. Djindjic und das ehemalige Oppositionsbündnis DOS haben zwar ein vollkommen abgewirtschaftetes und vom Nato-Bombardement zerstörtes Land übernommen. Aber zu diesen Altlasten kommt die offensichtliche Unfähigkeit der jetzigen Regierung, ein Stabilisierungsprogramm zu verwirklichen.

Diese Unfähigkeit ist auch ein Grund dafür, warum von den 1,4 Milliarden US-Dollar, die im Juni als »Geschenk« für die Auslieferung Milosevics vom Westen zur Verfügung gestellt wurden, erst die Hälfte ausgezahlt worden ist. »Es gibt kein Programm der serbischen Regierung, wie sie nun das Geld verwenden will, also können wir auch keine weiteren Schecks ausstellen«, sagt ein Mitarbeiter der EU-Kommission der Jungle World.

Deshalb befindet sich Zoran Djindjic nun in einer schwierigen Situation. Die Auslieferung Milosevics hat er - obwohl sie verfassungswidrig war - damit gerechtfertigt, dass die internationale Gemeinschaft sie verlange und Jugoslawien ansonsten Gefahr laufe, den Staatsbankrott erklären zu müssen. Nun wird jedoch deutlich, dass seine Regierung zumindest mitverantwortlich für den ruinösen Zustand des Landes ist.

Der bedrängte Milliardär Bogoljub Karic ist inzwischen wieder nach Serbien zurückgekehrt. Zuvor ließ er sich allerdings versichern, dass man ihn nicht vor Gericht zitiert, zumindest nicht vor ein serbisches. Denn Carla Del Ponte, die Erste Anklägerin des Haager Kriegsverbrechertribunals, freut sich schon auf eine Zeugenaussage Karics im Prozess gegen Milosevic. »Ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, um deutlich zu machen, wer wann was in den letzten zehn Jahren getan hat«, kommentierte Karic seine Einstellung zum Tribunal. Und solange er als Kronzeuge für die Machenschaften Milosevics gilt, wird er wohl von der serbischen Regierung in Ruhe gelassen werden.