Schäuble erstattet Anzeige gegen den Rüstungslobbyisten Schreiber

Danke, Danckert

Die Frage, ob Wolfgang Schäuble vor dem, nach dem oder am 22. September 1994 eine 100 000 Mark-Spende des Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber entgegengenommen hat, ist in etwa so aufregend wie die, an welchem Wochentag das Rad erfunden wurde. Die Tatsache an sich ist entscheidend: Schäuble hat den Empfang des Umschlags nie bestritten.

Im Gegenteil. Nach einem glänzenden Jahr als Oppositionsführer kostete ihn das Eingeständnis im Januar 2000 seinen Posten als Partei- und Fraktionsvorsitzender. Hinter der Fassade des CDU-Spendenskandals hatten Augsburger Staatsanwälte Wochen zuvor die Konturen einer Staatsaffäre entdeckt, die den gerade abgewählten Teil der politischen Klasse über Monate erschütterte. Helmut Kohl legte seinen Ehrenvorsitz der CDU nieder, Manfred Kanther sein Bundestagsmandat, der Schatzmeister der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hüllen, beging Selbstmord. Mit Holger Pfahls entzog sich ein ehemaliger Verfassungsschutzpräsident und Staatssekretär im Verteidigungsministerium den Ermittlungen. Pfahls ist bis heute auf der Flucht.

Über die Frage jedoch, wer wem wann das 100 000 Mark-Kuvert zusteckte, entspann sich in der Folge ein absurder Rechtsstreit zwischen der Berliner Staatsanwaltschaft, Schäuble, Schreiber und der früheren CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister. Einen nicht unwichtigen Akt in der rechtsstaatlichen Bewältigung der Angelegenheit inszenierte Schäuble. Wie erst in der letzten Woche bekannt wurde, erstattete er schon vor Monaten Anzeige gegen Schreiber, unter anderem wegen der Anstiftung Baumeisters zu einer uneidlichen Falschaussage vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss. Damit hat jetzt im Prinzip jeder jeden angezeigt: Schreiber Schäuble, Schäuble Schreiber, und auch gegen Baumeister wird ermittelt.

Interessant ist aber auch nicht die Frage, ob Baumeister oder ob Schäuble das Geld von Schreiber entgegengenommen hat, sondern was Schreiber unter »politischer Landschaftspflege«, wie er es nannte, genau verstand. Vielleicht meinte er die Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft, die er selbst ausgiebig förderte. Bei Schreiber liefen nicht nur die Kontakte zusammen, die die hessische CDU unter Walther Leisler Kiep, Manfred Kanther und Roland Koch zu den Frankfurter Finanzzentren pflegte. In Bayern stellte Schreiber außerdem beste Beziehungen der Münchener Staatskanzlei zu den Chefetagen von Thyssen, MBB und Airbus her.

Viele der Akteure, zu denen das Joint Venture zwischen der CSU und Schreiber geschäftliche Verbindungen pflegte, mussten in den vergangenen beiden Jahren dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss als Zeugen ihren Besuch abstatten. Doch im Unterschied zu den Augsburger Staatsanwälten, deren Anzeigen gegen Strauß junior, Kiep und Kanther im November 1999 die Frage nach der Bestechlichkeit des politischen Personals der Bundesrepublik erst auf die Tagesordnung setzten, sind die Parlamentarier bis heute nicht auf den strafrechtlich relevanten Kern der Rechtssache Schreiber/Schäuble gestoßen.

Fast schon danken muss man deshalb dem SPD-Abgeordneten Peter Danckert, der den Anschein, die Korrumpiertheit der politischen Klasse sei eine Sache der Union, durch sein juristisches Engagement für Schäuble praktisch widerlegt hat. Vor Monaten schon verhalf Danckert dem einstigen CDU-Vorsitzenden mit Alexander Ignor zu jenem Rechtsanwalt, der dann für Schäuble die Anzeige gegen Schreiber verfasste. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens dürfte Ignor von seinem Berliner Kanzleikollegen Danckert auf dem Laufenden gehalten werden. Denn der sitzt für die SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss.