Nach der rechten Demo gegen die Wehrmachtsausstellung

Erfolgreich nazifiziert

Für einen weitgehend ungestörten Aufmarsch von mehr als 3 000 Glatzköpfen in der Mitte der deutschen Hauptstadt können sich die Anhänger der NPD bedanken. Bei Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und seiner Polizei. Denn die hielten die Route der Nazis geheim und ihnen damit die Gegner vom Hals: die Antifas, die Vertreter der Jüdischen Gemeinde und die Bürger, die ihren Protest gegen den Aufmarsch zum Ausdruck bringen wollten.

Die Berliner Polizei tat, was sie immer tut bzw. was sie kann, weil sie nie was anderes tut. Nazi-Gegner aller Couleur aufmischen, Wasserwerfer einsetzen und Tränengas versprühen. Nur geschah das dieses Mal vor einer Synagoge. Das Entsetzen der Jüdischen Gemeinde und eine wenig verständnisvolle Darstellung in der internationalen Presse war den Beamten damit gewiss. Und zugleich egal.

Während die rechtsextremen Gegner der Wehrmachtsausstellung durch das Zentrum der Stadt marschieren konnten, hinderten die Uniformierten die Gegendemonstranten daran, zur Ausstellung zu gelangen, so fasste beispielsweise die New York Times die Ereignisse vom 1. Dezember zusammen. Und auch die Jüdische Gemeinde wurde deutlich: Ohne das »martialische Auftreten« der Polizei hätte es keinen Krawall vor der Synagoge an der Oranienburger Straße gegeben.

Für die Polizei verhält sich alles ganz anders. Ihre Sicht der Dinge hat Tradition, die Juden sind an allem Schuld. Die Jüdische Gemeinde hätte sich nicht mit den NPD-Gegnern verbrüdern und ihnen damit die Möglichkeit zu Steinwürfen und Angriffen auf Polizisten geben dürfen. Polizeigewalt und Gasschwaden vor einer Synagoge, dafür kann es nur eine Ursache geben: Fehlverhalten von Juden.

Die Gewerkschaft der Polizei forderte deshalb eine Entschuldigung der Gemeinde für ihre Kritik an der Polizei. Sie weiß damit einen Bündnispartner auf ihrer Seite: die NPD. Die rechtsextreme Partei will angeblich Anzeige gegen Vertreter der Jüdischen Gemeinde stellen - wegen Nötigung und der Aufforderung zu Straftaten.

Nur Innensenator Körting schien in der vergangenen Woche bemüht, an der Legende der erfolgreichen Entnazifizierung festzuhalten. Öffentlichkeitswirksam entschuldigte er sich bei der Jüdischen Gemeinde. Seine Verwaltung hätte deren Vertretern nicht vorenthalten dürfen, dass die NPD nicht an der Synagoge vorbeiziehen würde. Sein Hauptanliegen, die Rehabilitation seiner Beamten, scheint vorerst gelungen. Wird ein Fehler zugegeben, fehlt der weiteren Kritik die Basis.

Ein taktischer Zug, von dem die Polizeiführung selbst weniger versteht. Die obersten Ordnungshüter sind sich nach wie vor sicher, alles richtig gemacht zu haben. Und mehr noch. Geradezu beleidigt reagieren sie auf die Kritik aus der Jüdischen Gemeinde. Dass Juden den Platz vor der Synagoge durch den Polizeieinsatz »entweiht« sehen, ist ihnen egal.

Denn Polizeitaktik kennt nur eine Maxime: Die unbedingte Einhaltung von Recht und Ordnung. Und das wichtigste Recht scheint dabei das Demonstrationsrecht der NPD zu sein. Dafür macht man die Berliner Innenstadt frei, so wie am 9. November, am 1. Dezember, aber auch an jedem anderen Tag. Wenn dabei Juden im Weg stehen, Pech gehabt. Deutsche Polizisten tun ihre Pflicht. Wie eh und je.