Einführung des Euro

Die Münzen flach halten

Wo sind sie, die Aufstände aufgebrachter Deutscher, die ihre heiß geliebte harte Mark nicht hergeben wollen? Wo sind sie, die Demonstrationen gegen die Einführung des miesen, von ausländischen Mächten aufgezwungenen weichen Euro? Es gibt sie nicht. Auch in Frankreich sucht man vergeblich nach einer Résistance gegen die Übernahme des Franc durch eine als Euro-Währung getarnte D-Mark. Es gibt die Aufstände nicht, und sie werden auch nicht mehr kommen.

Ob in Frankreich, in Deutschland, in Österreich, in Italien oder sonstwo in der Eurozone - man ist in die Bank spaziert, hat sich sein Starterkit geholt, es mit nach Hause genommen, sich die neuen Münzen angeschaut; man hat versucht, den einen oder anderen müden Scherz machen und hat sich Szenarien ausgedacht, wie man wohl wann und wo einen Geldtransporter überfallen könnte, um sich schnell und ohne Risiko aller materiellen Sorgen zu entledigen. Und nun bezahlt man eben mit dem neuen Geld. Wenn etwas zum Ärger Anlass gibt, dann Geschichten wie die, dass eine belgische Bank nicht rechtzeitig die neuen Münzen in ihre Filialen bekommen hat.

Es gibt keine Hysterie, keine Paranoia. »Der Abschied von der Mark fällt leichter als erwartet«, schreibt der Spiegel, und das ist eine vorsichtige Untertreibung. Nun könnte man fragen: Ja und? De facto gilt der Euro schon seit drei Jahren, ändern wird sich nichts, ob man nun mit dem einen Geld bezahlt oder mit dem anderen. Erstaunlich wird diese Gelassenheit nur, wenn man sie dem Wirbel gegenüberstellt, der ständig um einen Begriff wie nationale Identität gemacht wird, für den nationale Währungen von zentraler Bedeutung sind. Aber wahrscheinlich haben all diese Debatten vor allem mit der Befindlichkeit von konservativen Publizisten zu tun, die aus Prinzip alles bewahren wollen. Oder mit der täglichen Arbeit von Kulturarbeitern, deren Horizont genau den Raum umfasst, der ihnen Seiten zum Vollschreiben bietet, der eigene Sprachraum nämlich. Oder mit der Befindlichkeit einiger Linker, die überall das deutsche Übel wittern, wo sich etwas ändert.

Die Wahrnehmung des Euro durch diejenigen, die ihn von nun an benutzen, sieht aber anders aus. Es ist schlicht und einfach Geld. Man kann es verdienen, ausgeben oder sparen. Man kann es in die Hand nehmen, aufrollen oder anschauen. Und schaut man sich die Scheine einmal genauer an, dann haben ihre Designer genau diese Gleichgültigkeit gegenüber jeder identitären Besetzung kongenial umgesetzt. Die Rückseite der Scheine zieren Brücken. Brücken, die es nicht einmal gibt. Brücken, die wahrscheinlich für nichts anderes stehen als dafür, dass sich Geld im Bewusstsein derjenigen, die damit umgehen, so weit verflüssigt hat, dass der eigentliche Geldschein wenig mehr ist als eine bridge over troubled water. Brücken, die vielleicht aber auch das einzig transeuropäisch Identitätsstiftende symbolisieren: die zahllosen Brücken, die es in einem fort zu überwinden gilt, wenn man auf dem Weg in den Urlaub oder zu einem Geschäftstermin ist oder wenn man mit dem Lastwagen eine Lieferung zu erledigen hat.

Es wäre nicht das Schlechteste, für eine Weile die Debatten über nationale Identität auszusetzen. Nach einem Jahr könnten sich konservative Publizisten, Kulturarbeiter und Linke dann zusammensetzen und schauen, ob ihnen etwas gefehlt hat.