Der neue iMac ist da

Der geteilte Apfel

Der neue iMac ist ein Rechner, wie er dem User vorschwebt.

Die Überraschung wurde gründlich verpatzt. Während die Welt noch rätselte, wie die von Apple für die in San Francisco stattfindende MacWorld annoncierte Neuerung denn wohl aussehen würde, veröffentlichte die Zeitschrift Time Canada auf ihrer Homepage bereits ein Bild des neuen iMacs. So richtig hatte wohl niemand damit gerechnet, denn andernorts wurde zu diesem Zeitpunkt noch heftig spekuliert.

Spiegel online hatte sich beispielsweise darauf festgelegt, dass es sich beim neuen Mac nur um einen PDA namens iWalk handeln könne, dies für eine saublöde Idee von Apple gehalten und einen langen Artikel darüber ins Netz gestellt, wie dumm man denn sein könne, so dermaßen verspätet einen weiteren Personal Data Assistant auf den ziemlich gesättigten Markt zu werfen. Peinlich genau listete Spiegel online jede einzelne bisherige Fehleinschätzung des Computerherstellers auf, bis man bemerkte, dass die Geschichte schlicht falsch war. Mittlerweile ist der Artikel aus dem Archiv verschwunden und durch einen Text über die kanadische Veröffentlichung ersetzt worden.

Die in den Kreisen der Mac-Fans ziemlich übel genommen wurde. Eine derartige Spielverderberei suche in der Geschichte wohl ihresgleichen, schrieb das US-Magazin Wired, es sei so, »als ob vor 20 Jahren jemand durch die Reihen der ungeduldig vor dem Kino auf die Uraufführung von 'The Empire strikes back' wartenden Star Wars-Fans gegangen wäre und ihnen zugerufen hätte: 'Darth Vader ist der Vater von Luke Skywalker!'« Aber, und das sei ganz wichtig, »trotz dieses Idioten bleibt 'The Empire strikes back' der beste Teil der 'Star Wars-Saga'.«

Der neue iMac hat ebenfalls gute Chancen, zum besten Sequel zu werden. Wie damals beim würfeligen Cube hat sich der Hersteller wieder einmal darangemacht, mit den gängigen Vorstellungen über das Aussehen von Rechnern aufzuräumen. Nun ist also Schluss mit der rechteckigen Kiste. Eine Halbkugel enthält den kompletten Rechner, vom Netzteil bis zum optischen Laufwerk ist einfach alles in dem geteilten Apfel untergebracht. Erstmals ist der leistungsstarke G4-Prozessor auch in der Einsteigerlinie vertreten, im teuersten Modell arbeitet er mit 800 MHz, in den anderen Versionen sind es 700 MHz. »Wir wollten es perfekt machen, und ich glaube, wir sind ziemlich nah dran!« erklärte Apple-Boss Steve Jobs bei der Vorstellung.

Der Clou ist jedoch der anscheinend schwebende Bildschirm, der nur von einem silbrigen, schwenkbaren Arm getragen wird. Das drehbare 15-Zoll-Flachdisplay soll künftig das lästige Stühlerücken verhindern, das bisher immer dann angesagt war, wenn mehr als eine Person vor dem Bildschirm saß. »Traditionell richteten sich Menschen bisher immer nach der Maschine«, erklärte Apple-Chefdesigner Jonathan Ive, »der neue iMac richtet sich dagegen nach dem User.«

Eine explizite Botschaft hat der neue iMac nicht, aber manchmal reicht es ja auch schon, besser auszusehen als alle anderen. Und dann festzustellen, dass auch in der Computerwelt Neid ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Kurz nach der Vorstellung des schönsten Rechners der Welt kam es natürlich zu ersten Versuchen, den iMac und seine Hersteller zu dissen. Apple habe das Design des iMacs wohl geklaut, hieß es in weiten Teilen der PC-gläubigen Presse, zum Beweis wurde ein Entwurf präsentiert, den der belgische Webdesigner Vincent Jeunejean bereits im 30. Juni 2001 an die Betreiber der Internet-Seite The Apple Collection gemailt hatte.

Dort können Mac-Fans ihre Ideen präsentieren, und das tun sie auch, mehrere hundert Designvorschläge sind ständig zu sehen. Auch Apple-Verantwortliche schauten häufig vorbei, wurde der Betreiber, der Schweizer David Vincent zitiert, aber so recht zündete die Idee, dass der Hersteller fremder Leute Ideen klaue, nicht. Selbst Jeunejean musste zugeben, dass es ziemlich unwahrscheinlich klingt, dass Apple in der kurzen Zeit vom Juni des letzten Jahres bis zum Januar 2002 seine Idee hätte umsetzen können - zumal das Unternehmen bereits seit zwei Jahren bekanntermaßen am neuen iMac arbeitete. »Das Design ist einfach zu logisch, ich war mir sicher, dass sie jetzt etwas völlig anderes, etwas Sphärisches präsentieren würden. Ich kenne Apple wohl einfach zu gut«, erklärte er denn auch gegenüber Wired.

Und richtige Mac-Fans lassen sich durch solch billige Versuche sowieso nicht in ihrer Liebe zum Apfelcomputer und in ihrem Bewusstsein, zur Elite zu gehören, verunsichern. »Wir, die wir den Mac lieben, sind vielleicht am ehesten mit Ferrari-Fans zu vergleichen. Der einzige Unterschied ist, dass die meisten derjenigen, die auf den Rennbahnen den roten Autos zujubeln, selbst keinen Ferrari fahren«, heißt es dazu auf einer schwedischen Fanpage.

Allerdings wimmelt es da draußen in der Welt von dusseligen Dosenliebhabern, die einen gemeinen Kampf gegen den Mac führen. Die Zeitschrift Computer Sweden stellte unlängst fest, dass »Mac-User zu den am häufigsten diskriminierten Minderheiten der gesamten IT-Welt gehören«. Als Beispiel präsentierte sie den Fall von Marcus Holmer, von 1994 bis 1999 Flugzeugingenieur bei Saab Aerospace. Eines Tages wollte ihm das Unternehmen seinen Mac wegnehmen und durch einen PC ersetzen.

Nicht mit Holmer: »Ich schrieb dazu eine kurze interne Mail, nach einer Stunde kam es zu einem äußerst unschönen Telefonat mit einem Herrn, der sich als IT-Chef des Unternehmens vorstellte. Er klagte mich der Sabotage an und behauptete, ich wolle die IT-Strukturen der Firma zerstören.«

Holmer, so deutete der Manager an, werde demnächst zu einem Gespräch mit der Geschäftsleitung vorgeladen. Kurz darauf war der aufgeregte Herr wieder am Telefon. »Die beschissenen Macs haben bei Saab, jetzt, wo wir sie endlich los sind, nichts mehr zu suchen«, schrie er. »Begrabe deine Mac-Träume, sonst fliegst du mit dem Kopf zuerst hier raus.«

Kurz darauf verließ Marcus Holmer Saab, heute arbeitet er in Deutschland. Und hat wahrscheinlich schon den neuen iMac bestellt. The Empire struck back.