Medienpolitik der blau-schwarzen Regierung

Intendantin intendiert

Der staatliche österreichische Rundfunk hat eine neue Generaldirektorin. Kritiker vermuten nun, dass Monika Lindner weniger Chefin des ORF als vielmehr PR-Lady der Regierung ist.

Was durchgestyltes Fernsehen sympathisch macht, sind jene Momente, in denen das Unvorhergesehene passiert und sich lupenreines Entsetzen im Fernsehstudio breit macht. Einen Klassiker in dieser Kategorie lieferte die Hauptnachrichtensendung des österreichischen Rundfunks (ORF) vor gut einer Woche. Da setzte sich ein Journalist vor die Kamera und lieferte einen politischen Kommentar über Jörg Haider und die Freiheitliche Partei (FPÖ) ab, der an Schärfe kaum noch zu überbieten war: »Hat sich Haider etwa zur Filetierung der Verfassung entschlossen, auf die er selbstverständlich zur Gänze vereidigt ist, ganz nach dem Motto: 'Was richtig ist, bestimme ich?'«

So zürnte Redakteur Hanno Settele zur besten Sendezeit und fing sich mit seiner Brandrede wider Jörg Haiders neueste politische Ausrutscher (Jungle World, 2/02) von seiner Studiokollegin Danielle Spera einen Blick ein, der nur eines bedeuten konnte: »Junge, jetzt hast du dich um Kopf, Kragen und Karriere geredet.« Denn so unverblümte Angriffe auf den Kärntner Landeshauptmann sind im staatlichen Rundfunk seit dem Regierungswechsel in Wien kaum mehr zu hören gewesen.

Seit die rechtskonservative Bundesregierung die politische Gleichschaltung des ORF ganz oben auf die Agenda gesetzt hat, befindet sich der Sender in einer ungemütlichen Situation. Einerseits muss er der Öffentlichkeit beweisen, dass er nicht die elektronische Propagandamaschinerie der Regierung ist, andererseits aber ist er vom Wohlwollen der Regierung abhängig.

In dieser Situation wählte der Stiftungsrat des ORF kurz vor Weihnachten eine Frau zur neuen Generaldirektorin, die wohl kaum in der Lage ist, den Einfluss der Regierungskoalition zu unterbinden. Monika Lindner wurde mit den Stimmen der schwarzen und der blauen Stiftungsräte in ihre neue Position gehievt, der bisherige Intendant Gerhard Weis in Pension geschickt.

Lindner gilt als exzellente Redaktionsmanagerin, aber eben auch als exzellente politische Lobbyistin. In ihrer bisherigen Funktion als Chefin des Landesstudios in Niederösterreich war sie vor allem als Schatten des konservativen Landeshauptmannes Erwin Pröll aufgefallen. Unter ihrer Leitung war das Kamerateam stets zur Stelle, wenn es darum ging, die gedanklichen Rasereien des Landeshauptmannes dem Publikum näher zu bringen. Deshalb ist die neue Intendantin höchst umstritten.

Lindners Vorgänger Gerhard Weis sprach tief gekränkt von einem »politischen Ritualmord«, und die Redakteure des Senders sind auf der Hut, denn ihnen schwant: Wenn der FPÖ-Mediensprecher Peter Westenthaler nach einem Beitrag seine Stirn in bedrohliche Falten legt, kann es mit der Journalistenkarriere schnell vorbei sein. Manchmal zumindest, und so herrscht Unruhe in den Redaktionen. Ein ORF-Mitarbeiter warnte gar vor »tschechischen Verhältnissen« und spielte damit auf die Protestaktionen der Redakteure des staatlichen Senders Ceska Televize im Januar des vergangenen Jahres an. Wenn Lindner redaktionell und personalpolitisch all das durchsetzt, was sich die Regierungsparteien wünschen, könnte es auch beim ORF zu einem Streik der Redakteure kommen.

Am 8. Februar wird Lindner ihr Führungsteam präsentieren. Die Liste der Namen, die bisher an die Öffentlichkeit drangen, liest sich wie das »Who is who« der freiheitlichen Parteigänger. Als Info-Direktor etwa ist der FPÖ-nahe Journalist Walter Seledec im Gespräch. Er leitet derzeit die Mittagsnachrichten, die inzwischen den Spott-Titel »Freiheitliche im Bild« haben. Tatsächlich verfügt Seledec über beste Kontakte zur Partei. Als ein ORF-Team den freiheitlichen Mediensprecher Peter Westenthaler interviewen wollte, wurde es direkt in Seledecs Wohnung dirigiert, wo die beiden Männer gerade zu Abend aßen.

Ebenso für höhere Weihen ist der bisherige Intendant des Landesstudios Kärnten, Gerhard Draxler, im Gespräch. Er könnte Radio-Chef in Wien werden und hat sich diesen Job auch redlich verdient. Als Jörg Haider nach den Attentaten des 11. September New York besuchte und dort ein paar Kinder nach Kärnten einlud, engagierte er gleich ein eigenes Kamerateam und ließ sich von seinem eigenen Pressesprecher interviewen. Das Gespräch wurde im Kärntner Regionalprogramm gesendet.

Seit der Ernennung Lindners zur neuen Generaldirektorin fürchten Journalisten, dass solche Methoden institutionalisiert werden könnten und der Sender zur kostenlosen PR-Maschine der Regierung umgebaut wird. Dass Posten in den Führungsgremien offenbar vergeben werden wie Urkunden für langjährige Parteimitgliedschaft, passt ins Storyboard der Regierung.

Der journalistischen Qualität des ORF ist es nicht förderlich. Das kann dem Sender zumindest derzeit egal sein. Noch hat der ORF innerhalb des Landes keine ernst zu nehmende Konkurrenz und ist deshalb Quotenkönig. Erst wenn einmal eine private Konkurrenz installiert sein wird, könnten Peter Westenthaler, Jörg Haider oder Wolfgang Schüssel ihren Anspruch auf geschmeidige Berichterstattung verlieren.

Frei von parteipolitischer Einflussnahme war der Sender zwar auch in der Vergangenheit nicht. 30 Jahre lang regierte die sozialdemokratische Partei und versuchte ihren Einfluss in der Berichterstattung geltend zu machen. Doch so dreist wie seit dem Regierungswechsel wurde der ORF noch nie für parteipolitische Zwecke benutzt. Dabei war gerade diese Regierung angetreten, den ORF »zu entpolitisieren«. Die Stiftungsräte - also jenes Gremium, das für die Wahl des Chefs und seines Teams verantwortlich ist - besteht zwar nicht mehr aus Politfunktionären, dafür jedoch aus Freunden von Politfunktionären.

Der ehemalige ORF-Chef Gerhard Weis meint, die Hintergründe der Wahl Lindners zu kennen. Freunde hätten ihm berichtet, dass Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ihnen gegenüber immer wieder verkündet habe, dass er »den ORF unbedingt für eine zweite Amtszeit braucht«, und mit einer allzu kritischen Berichterstattung ist so was eben nicht zu machen. Der Klubobmann von Schüssels konservativer Volkspartei (ÖVP), Andreas Khol, wird gar mit der nicht sehr noblen Äußerung zitiert, dass er sich darüber freue, dass »keine roten Visagen mehr aus dem Bildschirm herauslachen«. Stimmt. Stattdessen sorgt jetzt Monika Lindner für die Pointen.

Bis zur Präsentation ihres Führungsteams Anfang Februar herrscht im Sendezentrum am Küniglberg der Ausnahmezustand, die Verschwörungstheorien wuchern. So mutmaßen einige Redakteure, dass Hanno Setteles unerwartet scharfer Anti-Haider-Kommentar gut vorbereitet war. »Vielleicht war das alles mit ÖVP und FPÖ abgesprochen, um mal ein bisschen Krokodil und Kasperl zu spielen und Hanno Settele als Haider-Gegner zu verkaufen, der er gar nicht ist. Dann wäre es vielleicht auch der Öffentlichkeit leichter zu vermitteln, wenn Settele jetzt die Karriereleiter hinauffällt.«

Schließlich galt Settele bislang als FPÖ-freundlicher Journalist. Nicht jeder nimmt ihm die Kehrtwende in der Live-Sendung ab.